Pictet-Barometer: Der Markt im Aufwind

Aktien dürften ihre Rally fortsetzen, da Zinssenkungen in den USA und anderen Industrieländern wohl unmittelbar bevorstehen.

10.04.2024 | 10:05 Uhr

Asset-Allocation: Aktien haben festen Platz

Auch wenn die globalen Wirtschafts- und Liquiditätsbedingungen alles andere als rosig sind, sehen wir Anzeichen für eine Verbesserung zugunsten riskanter Anlagen.

Die US-Wirtschaft ist nach wie vor widerstandsfähig, und in China gibt es Hinweise auf eine Erholung. Ausserdem dürften die meisten grossen Zentralbanken in einigen Monaten die Zinsen senken, und die Banken sind bereit, wieder mehr Kredite zu vergeben. Unter anderem deshalb haben wir unsere Prognose für die globalen Unternehmensgewinne in diesem Jahr von bislang 7,2% auf 8,1% angehoben – was sich weitgehend mit der Konsensschätzung deckt.

Wir sehen, dass Aktien teuer werden, insbesondere in Märkten wie den USA und Japan, glauben jedoch nicht, dass sich eine Blase bilden wird.

Vor diesem Hintergrund deutet die Risikobilanz auf eine Fortsetzung der Aktienmarktrally hin. Wir bleiben daher in Aktien übergewichtet, in Anleihen neutral positioniert und in Cash untergewichtet.

Abb. 1. Monatsübersicht: Asset-Allocation

Abb. 1. Monatsübersicht: Asset-Allocation

Quelle: Pictet Asset Management

Unsere Konjunkturzyklusanalyse zeigt, dass in den USA die Binnennachfrage, gestützt durch die Knappheit am Arbeitsmarkt, weiterhin der Motor für Wachstum ist.

Trotz der guten Wirtschaftslage gehen wir davon aus, dass die US-Notenbank Fed bereits im Juni damit beginnen wird, die Zinssätze zu senken, vermutlich 2–3 Mal insgesamt. Aufgrund der anhaltenden Inflation ist der Umfang der Lockerung jedoch ungewiss. Wir sehen die Fed Funds Rate am Ende des Jahres bei 4,50–4,75%.

Andere grosse Volkswirtschaften sind in einer weniger komfortablen Lage.

Japan steht kurz vor einer Rezession, da die Industrieproduktion, die Einzelhandelsumsätze und die Baubeginne rückläufig sind. Die Inlandsnachfrage ist jedoch robust und an den Arbeitsmärkten herrscht weiter Knappheit, was nach Ansicht der Bank of Japan einen positiven Kreislauf aus steigenden Einkommen und höheren Ausgaben in Gang setzt.

In einem deutlich kommunizierten, aber historischen Schritt beendete die BoJ eine acht Jahre andauernde Phase negativer Zinssätze und anderer unorthodoxer Massnahmen und hob die Zinssätze zum ersten Mal seit 17 Jahren an. Wir gehen davon aus, dass die Zentralbank den Leitzins in diesem Jahr um 20–25 Basispunkte anheben wird, aber da die Inflation über dem Notenbankziel liegt, ist eine weitergehende Straffung nicht ausgeschlossen.

Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Zinserhöhungen der Attraktivität japanischer Anlagewerte in diesem Jahr schaden werden, da die Geldpolitik nach wie vor locker ist und die inländischen Anleger mit unattraktiver Liquidität überschwemmt sind, die nur darauf wartet, genutzt zu werden.

Das Wachstum in der Eurozone ist zwar derzeit schwach, dürfte sich aber in der zweiten Jahreshälfte im Zuge des nachlassenden Inflationsdrucks allmählich über das Potenzial hinaus entwickeln. Das würde bedeuten, dass die Europäischen Zentralbank die Zinssätze in den kommenden Monaten senken kann.

In China gibt es erste Hinweise auf eine Erholung der Wirtschaft. Die im bisherigen Jahresverlauf veröffentlichten Daten deuten darauf hin, dass das BIP im ersten Quartal um rund 7 Prozentpunkte steigen wird – demnach dürfte sich unsere Wachstumsprognose von 4,9% für das Gesamtjahr bewahrheiten. Eine Composite-Umfrage unter Einkaufsmanagern zeigt, dass das verarbeitende Gewerbe und der Dienstleistungssektor wieder auf Wachstumskurs sind.

Dennoch sind wir der Meinung, dass es nach den vielen Fehlstarts in der Vergangenheit zu früh ist, um die wirtschaftlichen Aussichten Chinas positiv zu beurteilen. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass die chinesische Zentralbank das Tempo und den Umfang ihrer geldpolitischen Lockerung beschleunigen wird, da ihr Fokus auf dem Schuldenabbau und der Sicherung der Währungsstabilität liegt.

Ausserhalb Chinas verzeichnen die Schwellenländer ein starkes Wachstum. Wir gehen davon aus, dass sich der Wachstumsabstand zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern weiter vergrössert und im gleitenden 12-Monats-Durchschnitt ein Zweijahreshoch von knapp 3 Prozentpunkten erreicht; das liegt über dem langfristigen Durchschnitt von 2,1% und deutet mittelfristig auf stärkere Lokalwährungen hin.


Locker bleiben

Unsere Analyse der Liquiditätsbedingungen liefert keine besonders positiven oder negativen Signale für riskantere Anlageklassen, auch wenn sich die Kennzahlen für Aktien und riskantere Anleihen bald verbessern dürften, da die Zentralbanken der Industrieländer es ihren Pendants in den Schwellenländern gleichtun und ebenfalls ihre Geldpolitik lockern.

Ein weiterer potenzieller Liquiditätsschub könnte von den Geschäftsbanken in den USA und der Eurozone ausgehen, die zunehmend bereit und in der Lage sind, Kredite zu vergeben – ein gutes Zeichen für die im Privatsektor generierte Liquidität.

Unsere Bewertungskennzahlen zeigen, dass Aktien im Vergleich zu Anleihen an Attraktivität verlieren. Die Aktienrisikoprämie, also die Überrendite, die sich durch eine Anlage am Aktienmarkt gegenüber einem risikofreien Zinssatz erzielen lässt, ist auf 3,5% gesunken; der historische Durchschnitt liegt bei 4–4,5%. Es wird jedoch erwartet, dass die Unternehmensgewinne weltweit stark bleiben werden. Der Konsens prognostiziert, dass es in den kommenden drei Jahren zu einer „Nicht-Landung“ bzw. zu keiner Gewinnrezession kommen wird.

Ausserdem sind Aktien nach unserer Einschätzung noch nicht in einem Territorium angelangt, das man als Blase bezeichnen könnte. Unser Modell zeigt, dass das Blasen-Territorium des S&P 500 Index bei etwa 6.200 Punkten – also rund 15% über dem aktuellen Niveau – beginnt, mit einem 12-Monats-KGV von 25.

US-Staatsanleihen sind angemessen bewertet; die Rendite der 10-jährigen Referenzanleihe von rund 4,3% entspricht in etwa dem, was an unserem Fair-Value-Bewertungsmodell abzulesen ist.

Die markttechnischen Indikatoren stützen unsere allgemeine Asset-Allocation-Strategie. Aktien verzeichneten in den vergangenen vier Wochen kräftige Zuflüsse von 52 Mrd. US-Dollar, wobei US-Aktienprodukte zu den beliebtesten Anlagezielen gehörten. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Geldmarktfonds hingegen verzeichneten in letzter Zeit die grössten wöchentlichen Abflüsse seit fünf Monaten.


Aktienregionen und -sektoren: Markt wird breiter

Wir behalten unsere regionale und sektorale Positionierung in Aktien bei und bleiben in der Anlageklasse insgesamt übergewichtet. Wir haben Bedenken, dass der Markt nach einem starken Jahresbeginn und dem fulminanten Jahr 2023 einen Rückschlag erleiden könnte, aber vorerst finden wir es beruhigend, dass die Rally sich auf die meisten Sektoren ausgeweitet hat.

Die grosse Aktienrally hat dazu geführt, dass die Investoren entweder dem Momentum hinterherjagen und immer nur Aktien mit den stärksten Zuwächsen kaufen oder sich auf Qualität einschiessen und in Aktien von Unternehmen mit den zuverlässigsten Gewinnen investieren. Unsere markttechnischen Indikatoren zeigen, dass diese beiden Strategien, die sich stark überlappen, zu „Massentrades“ geworden sind, was diese Aktien anfällig für eine Umkehrung macht: Plötzliche Stimmungsumschwünge können dazu führen, dass die Investoren aus den Marktsegmenten schneller hinaus- als hineinströmen.

Die Zuwächse konzentrieren sich nicht mehr nur auf die Glorreichen Sieben, die US-Technologiegiganten, die der Marktentwicklung im Jahr 2023 einen gewaltigen Schub gegeben haben. Einige dieser Aktien werden sogar schon wieder ausgebremst. Stattdessen haben sich die Gewinne auf zyklische Sektoren wie Energie, Grundstoffe und Finanzwerte ausgeweitet, die im März zu den Spitzenreitern gehörten. Die geringen Marktgewinne im vergangenen Jahr waren auf die Ausnahmestellung der grossen Technologiewerte in einem wachstumsschwachen Umfeld mit höheren Zinssätzen über einen längeren Zeitraum zurückzuführen. Doch nun gehen die Investoren zunehmend davon aus, dass das Wachstum robust bleiben und ein Lockerungszyklus in Gang gesetzt wird. Das bedeutet eine breitere Unterstützung für den Markt (siehe Abb. 3).

Abb. 3 – Breit gestreut
Anteil der Werte im S&P 500, die den Markt in den letzten 6 Monaten übertroffen haben

Breit gestreut

Quelle: Refinitiv, Pictet Asset Management. Daten beziehen sich auf den Zeitraum 01.01.1986–27.03.2024.

Diese Ausweitung ist auch innerhalb der Marktsegmente zu beobachten. Im Bereich der künstlichen Intelligenz beispielsweise konzentriert sich die Nachfrage der Investoren nicht mehr nur auf spezialisierte Halbleiterhersteller, sondern auch auf andere Teile der Wertschöpfungskette, wie z.B. sehr grosse Cloud-Service-Anbieter, die in der Lage sind, den hohen KI-bedingten Bedarf an Rechenleistung zu erfüllen.

Dem Technologiesektor könnte eine Korrektur drohen, wir glauben allerdings nicht, dass es so weit kommen wird. Und während bei der Gewinndynamik der Abstand zwischen Big Tech und dem Rest des US-Marktes verschwindet, führen Technologie und Kommunikationsdienste aufgrund ihrer robusten Gewinnaussichten weiterhin den Markt an.

Angesichts der starken Gewinndynamik bleiben wir in japanischen Aktien übergewichtet. Weitere Argumente sind für uns die Corporate-Governance-Reformen, die Tatsache, dass die Investoren den Markt untergewichten, und die angemessenen Bewertungen. Wir sind von Qualitätstiteln angetan und behalten daher auch unsere Übergewichtung in Schweizer Aktien bei. Auch in Kommunikationsdiensten bleiben wir aufgrund der angemessenen Bewertung des Sektors und des starken Bezugs zu strukturellen Themen wie künstlicher Intelligenz übergewichtet.


Anleihen und Währungen: Trend geht abwärts

Die Zentralbank hat einen expansiven Ausblick auf den weiteren Verlauf ihrer Zinspolitik gegeben und damit die Erwartungen unmittelbar bevorstehender Zinssenkungen erneut bestätigt. In einem solchen Umfeld neigen wir dazu, uns schnell noch die höchsten Renditen zu sichern und dazu an die Grenzen unserer Risikotoleranz zu gehen.

Der US-Markt bietet einige der attraktivsten Chancen – bei US-Treasuries und Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Die Rendite der 10-jährigen US-Referenz-Staatsanleihe liegt 20 Basispunkte über unserer Fair-Value-Schätzung von 4,0% am Jahresende. Dies lässt auf eine Gesamtrendite von etwa 5% für die übrige Zeit des Jahres 2024 schliessen.

US-Investment-Grade-Anleihen dürften hingegen von der positiven und sich verbessernden Dynamik der Unternehmensgewinne profitieren. Basierend auf unseren makroökonomischen Prognosen dürften die US-Gewinne dieses Jahr um rund 8% wachsen. Obwohl Investment-Grade-Anleihen nicht mehr günstig sind, bieten sie weiterhin besseren Wert als US-Aktien.

Schwellenländeranleihen in Lokalwährung sind ebenfalls eine Quelle für attraktive Renditen. Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaftstätigkeit in den Schwellenländern leicht über dem Potenzial liegt und sich der Wachstumsabstand zu den Industrieländern vergrössert. Der Welthandel stabilisiert sich, und die Zinssätze haben ihren Höchststand erreicht – beides ist für die Schwellenländer sehr günstig. Die erwarteten Zinssenkungen der US-Notenbank dürften den Greenback im Zaum halten und gleichzeitig den Zentralbanken der Schwellenländer Spielraum für etwaige Zinssenkungen verschaffen, sollten diese notwendig werden. All das dürfte sich als günstig für Schwellenländeranleihen und -währungen erweisen.

Auch bei britischen Staatsanleihen sehen wir weiterhin Potenzial. Trotz ihrer jüngsten Outperformance sind Gilts nach unserem Modell immer noch attraktiv bewertet. Das ist der einzige Markt, wo das Niveau der Anleiherenditen nach unseren Analyen über dem nominalen Trendwachstum liegt – dieser Abstand wird wegfallen, wenn die Bank of England die Zinsen senkt, vielleicht sogar schon im Mai.

Abb. 4 – Magere Renditen in Japan
USD/JPY-Kurs im Vergleich zum Renditespread 10-jährige Staatsanleihen USA/Japan

Magere Renditen in Japan

Quelle: Refinitiv, Pictet Asset Management. Daten beziehen sich auf den Zeitraum 25.03.2004–28.03.2024.

Dagegen bleiben wir in den relativ niedrig verzinsten japanischen und Schweizer Anleihen untergewichtet. Letztere erscheinen jetzt noch weniger attraktiv, nachdem die Schweizerische Nationalbank die Märkte im März mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte überrascht hat.

Freilich, die Bank of Japan bewegt sich in die entgegengesetzte Richtung und hat vor kurzem das lang erwartete Ende ihrer Zinskurvensteuerung und Negativzinspolitik angekündigt. Aber die Anhebungen dürften moderat ausfallen, und vieles ist bereits eingepreist.

Auch wenn wir bei japanischen Anleihen kein Aufwärtspotenzial sehen, halten wir den japanischen Yen weiterhin für eine potenzielle Fluchtwährung, sollte sich die wirtschaftliche Lage unerwartet verschlechtern. Und wenn die USA mit ihrer geldpolitischen Lockerung beginnen, wird die Zinsdifferenz dem Yen weniger schaden (siehe Abb. 4).

Wir bleiben auch in Gold übergewichtet. Obwohl das Edelmetall in unserem Bewertungsmodell doppelt negativ abschneidet, bietet es eine Absicherung gegen zwei der grössten Risiken der heutigen Zeit: schwaches Wirtschaftswachstum und unerwartet hartnäckige Inflation.


Globale Märkte insgesamt: Goldrausch

Aktien schnitten im März besser ab als Anleihen, da zunehmend davon ausgegangen wurde, dass die Zentralbanken der Industrieländer in den kommenden Monaten ebenso wie die Zentralbanken der Schwellenländer die Zinssätze senken würden – das würde die Unternehmensgewinne unterstützen.

Die Erwartung von Zinssenkungen löste einen Ansturm auf Gold aus, das um mehr als 8% auf ein Allzeithoch von 2.160 US-Dollar pro Unze anstieg und im März zum grössten Outperformer avancierte. US-amerikanische, europäische und japanische Aktien legten um 3–4% zu. Aktien aus dem Land der aufgehenden Sonne waren im bisherigen Jahresverlauf die grössten Gewinner – mit Zuwächsen von rund 20%. Das Wachstum der drittgrössten Volkswirtschaft der Welt dürfte von einem positiven Kreislauf aus steigenden Löhnen, wachsenden Konsumausgaben und einer moderat höheren Inflation getragen werden.

Abb. 5 – Gold glänzt
Goldpreis je Unze in USD

Abb. 5 – Gold glänzt -Goldpreis je Unze in USD

Quelle: Refinitiv Datastream, Pictet Asset Management. Daten beziehen sich auf den Zeitraum 03.01.1968–27.03.2024.

Energieaktien schnitten besser ab als andere Sektoren, da die Ölpreise vor dem Hintergrund der anhaltenden geopolitischen Spannungen und einer robusten Weltwirtschaft weiter stiegen. IT-Aktien legten nach den halsbrecherischen Kursgewinnen der letzten Monate eine Verschnaufpause ein und schlossen den März mit einem Plus von 2,5% ab.

Anleihen beendeten den Monat leicht höher, da die Erwartung niedrigerer Zinssätze den Staatsanleihen der Industrieländer zugute kam. Japanische Staatsanleihen verbuchten leichte Gewinne, nachdem die Bank of Japan wie allgemein erwartet ihre Politik der Negativzinsen beendete und ihre monatlichen Anleihekäufe fortsetzte.

Schweizer Staatsanleihen stiegen um fast 1%, nachdem die Schweizerische Nationalbank ihren Leitzins unerwartet um 25 Basispunkte auf 1,5% gesenkt hatte. Die Währungshüter wollten verhindern, dass der Franken aufwertet, und waren mit ihrem Zinsschritt den anderen grossen Zentralbanken um Monate voraus.

Im Anleiheuniversum legten Unternehmensanleihen auf beiden Seiten des Atlantiks um rund 1% zu, da die Investoren die Aussichten für das Wirtschaftswachstum positiver beurteilten.

An den Devisenmärkten legte der US-Dollar im Monatsverlauf leicht zu und liess andere grosse Währungen im Minus zurück. Der japanische Yen fiel um fast 1%, da die Erwartung stieg, dass die Bank of Japan keine aggressiven Zinserhöhungen vornehmen wird. Die türkische Lira erreichte ein Rekordtief und schloss den Monat mit einem Minus von mehr als 3% ab. Grund für diese schlechte Entwicklung waren vermehrte Kapitalabflüsse aus einer Wirtschaft, die mit einer steigenden Inflation zu kämpfen hat.

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