Robeco: Den Abschlag in Korea entschlüsseln

Robeco: Den Abschlag in Korea entschlüsseln
Märkte

Maßnahmen zur Erschließung von Wertpotenzialen auf dem Aktienmarkt werden wahrscheinlich populär sein und dazu beitragen, eine zukünftige Krise des Rentensystems in der aufstrebenden, aber schnell alternden nordasiatischen Wirtschaft abzumildern.

21.02.2024 | 12:05 Uhr

Der besondere Abschlag auf dem koreanischen Aktienmarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass an der koreanischen Börse notierte Unternehmen mit einem anhaltenden Abschlag gegenüber ihrer internationalen Konkurrenz gehandelt werden. Dieses Missverhältnis besteht selbst dann, wenn der Gewinn je Aktie und der Buchwert je Aktie dieser Unternehmen vergleichbar sind.

Zahlen lügen nicht

Ein Vergleich des Kurs-Buchwert-Verhältnisses in verschiedenen Regionen, einschließlich Korea, verdeutlicht, dass dieses Problem wahrhaftig besteht.

Abbildung 1: Kurs-Buchwert-Verhältnis – Korea gegenüber Konkurrenz und Indizes

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Quelle: Bloomberg, MSCI, 1. Januar 2024.

Zwischen 2014 und 2023 betrug das Kurs-Buchwert-Verhältnis koreanischer Unternehmen lediglich 58 % des Durchschnitts der Indizes der Industrieländer und 34 % des Durchschnitts der Schwellenländer, womit die Existenz des koreanischen Abschlags nachgewiesen wird1. Ende 2023 wurde der MSCI Korea Index mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,1 gehandelt, der MSCI Taiwan Index dagegen mit dem 2,4-fachen und der MSCI Japan Index mit dem 1,4-fachen. Korea wurde außerdem mit einem KGV-Abschlag gehandelt. Zwischen 2014 und 2023 lag das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis des MSCI Korea Index laut Bloomberg bei 12,2, was einem Abschlag von 19 % gegenüber Taiwan und einem Abschlag von 28 % gegenüber Japan im selben Zeitraum entspricht.

Erklärungen zum koreanischen Abschlag

Als Grund für den „Korea-Abschlag“ wird häufig das geopolitische Risiko genannt. Diese Sichtweise erscheint jedoch unglaubwürdig. Nach Angaben von Global Firepower rangiert Südkorea bei militärischer Stärke weltweit an fünfter Stelle und ist ein wichtiger Verbündeter der USA, die an erster Stelle stehen. Außerdem scheint Taiwan, das weithin als militärisch ebenso verwundbar wie Südkorea gilt, nicht demselben Abschlag zu unterliegen.

Die Rolle der „Chaebol“-Konzerne wie Samsung, LG und Hyundai und wie sie zum Korea-Abschlag beigetragen haben, wird ebenfalls diskutiert. Diese Unternehmen werden überwiegend über Generationen hinweg von Familien geführt, was Bedenken hinsichtlich der familienzentrierten Unternehmensführung und der Gefahr der Enteignung von Minderheitsaktionären aufkommen lässt. In der Vergangenheit hatten zahlreiche Chaebol-Familienoberhäupter mit rechtlichen Problemen im Zusammenhang mit ihrer Nachfolge zu kämpfen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass seit 2007 die Abschläge für Chaebol-Unternehmen im Vergleich zu anderen koreanischen Unternehmen deutlich geringer ausfallen2.

Was also sind die wahren Gründe für den Korea-Abschlag? Empirische Untersuchungen des KCMI3 geben darüber Aufschluss. Bei der Analyse von Daten aus 45 großen Aktienmärkten wurden Schlüsselfaktoren wie niedrige Aktionärsrenditen (einschließlich Dividenden und Rückkäufe), eine niedrige Eigenkapitalrendite und ein begrenztes Wachstumspotenzial ermittelt. Auf einem Seminar im November 2022 präsentierten die Finanzdienstleistungskommission, die koreanische Börse und Capital Research Daten, aus denen hervorging, dass die Dividendenausschüttungsquote Südkoreas im Jahr 2021 bei 19 % lag und damit im weltweiten Vergleich am niedrigsten war. Im Vergleich dazu lag die Quote in Taiwan mit 55 % deutlich höher, gefolgt vom Vereinigten Königreich mit 48 %, Deutschland mit 41 %, Frankreich mit 39 % und den USA mit 37 %. China übertraf mit einer Dividendenausschüttungsquote von 35 % Südkorea ebenfalls.

Vorschlag zur Aufwertung und andere Lösungen

Um die Aktionärsrendite koreanischer Unternehmen zu steigern, werden verschiedene Strategien erwogen. Die koreanische Finanzaufsichtsbehörde prüft derzeit einen Vorschlag zur Ermittlung und Herausforderung von Unternehmen mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von weniger als eins. Der als Value-Up bekannte Vorschlag (Vorschlag zur Aufwertung) sieht als Schlüsselelement die Veröffentlichung von Investitionskennzahlen wie Kurs-Buchwert-Verhältnis und Eigenkapitalrendite für börsennotierte Unternehmen vor. Außerdem wird diesen Unternehmen empfohlen, ihre Pläne zur Steigerung des Unternehmenswertes offenzulegen. Dieser Ansatz entspricht der Initiative der Tokioter Börse vom April 2023, die in der Folge dazu beitrug, dass der Nikkei-225-Index ein neues Rekordhoch erreichte.

Präsident Yoon hat in Börsenfragen eine proaktive Haltung eingenommen, indem er für ein Verbot von Leerverkäufen eintrat und die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Konsenses betonte, um die Belastung durch die übermäßige Erbschaftsbesteuerung in Korea zu verringern, die die unternehmerischen Entscheidungen erheblich beeinträchtigt. In Korea sind die Chaebol-Familien von einer Erbschaftssteuer in Höhe von 50 % bis 60 % stark betroffen, wodurch ihre Eigentumsanteile über Generationen hinweg erodieren und sie es vorziehen, die Kontrolle zu behalten, anstatt den Unternehmenswert zu maximieren.

Problematische demografische Daten

Bei den Parlamentswahlen im April dieses Jahres zur Nationalversammlung, dem Gesetzgebungsorgan Koreas, könnte die Frage des koreanischen Abschlags zu einem wichtigen Tagesordnungspunkt werden. Rund 12 Millionen Aktienanleger, etwa ein Viertel der potenziellen Wähler, könnten diesen Schwerpunkt beeinflussen. Auch die Reform des nationalen Rentensystems ist eng mit diesem Thema verknüpft. Da die koreanische Geburtenrate zu den niedrigsten in den OECD-Ländern gehört, muss die Gesellschaft dringend Reformen in Erwägung ziehen, um die Nachhaltigkeit des Rentensystems zu gewährleisten. Eine bessere Performance des koreanischen Aktienmarktes ist eines der wichtigsten Anliegen, die im Rahmen dieser Reform zu berücksichtigen wären.

Die südkoreanischen Finanzbehörden haben das Konzept der Umsetzung des Programms zur Aufwertung eingeführt, aber klargestellt, dass seine Durchsetzung nicht verpflichtend sein wird. Die Strategie zur Steigerung der Aktionärsrenditen in Südkorea scheint vom privaten Sektor angeführt zu werden, der sich in erster Linie aus der akademischen Welt und Finanzmarktbeteiligten zusammensetzt. Am 6. Februar richtete der Vorsitzende des südkoreanischen Corporate Governance Forum, Rhee, einen offenen Brief an die Finanzbehörden der Regierung mit dem Titel „Ohne ein Ende des Korea-Abschlags gibt es keine Zukunft für die Jugend“.4 In diesem Schreiben nannte er Hyundai Motor, Samsung Electronics, LG Electronics, LG Chem und KB Financial als Paradebeispiele für Unternehmen, die von dem Korea-Abschlag betroffen sind. Wie der Titel des Schreibens des Vorsitzenden Rhee andeutet, scheint sich die koreanische Gesellschaft einig zu sein, dass die Zukunftsaussichten der jüngeren Generation ohne Finanzmarktreform nicht gerade rosig ausfallen.

Wir sind davon überzeugt, dass die südkoreanische Gesellschaft einen langfristigen Fahrplan zur Überwindung des Korea-Abschlags aufstellen und sich konsequent für dieses Ziel einsetzen wird. Die fundamentalen Aktienstrategien von Robeco für Schwellenländer sind derzeit alle in Korea, einer stabilen und attraktiven Volkswirtschaft mit wichtigen Anlagethemen wie grüne Energie, Technologie und KI übergewichtet. Wir gehen davon aus, dass unter anderem die Maßnahmen zur Beseitigung des Korea-Abschlags unsere Übergewichtung rechtfertigen werden.

Fußnoten

1Bloomberg L.P. (2024), MSCI indexes annual valuation data, between 2014 to 2023, Bloomberg Professional, [Zugriff am 7. Februar 2024]. 
2R Ducret, D Isakov, 2020, The Korea Discount and Chaebols, Pacific Basin Finance Journal
3J.S. Kim, S.H. Kang, 2023, Analysis of the Causes of the Korea Discount, Korea Capital Market Institute
4Namuh Rhee, Feb. 2023, „Ohne ein Ende des Korea-Abschlags hat die Jugend keine Zukunft“, Korea Corporate Governance Forum


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