Immer mehr Experten machen sich Gedanken darüber, ob die derzeit grassierende Inflation zu einer Stagflation führt. Was für dieses Szenario spricht.
07.10.2021 | 12:30 Uhr
Laut David Wehner, Portfoliomanager bei der Do Investment AG, führten insbesondere die gestörten Lieferketten, steigende Rohstoff-Preise und die Energiewende neben den steigenden Lohnkosten zu Inflationsraten, die es in den entwickelten Industrieländern seit Jahrzehnten nicht gegeben hätte. „Wahrscheinlich werden die Geschichtsbücher in naher Zukunft festhalten, dass die jetzige Phase nicht durch eine transitorische Inflation geprägt war, sondern durch anhaltend hohe Inflationsraten. Die Inflation knabbert am Wachstum, und ein Stagflations-Szenario ist besorgniserregend für die Kapitalmärkte. Insbesondere die steigenden Energiepreise scheinen kein Halten mehr zu kennen“, stellt Wehner fest.
Die Konjunktur beginnt zu schwächeln
Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der Quant.Capital
Management sieht das Problem vor allem darin, dass sich jetzt schon zur Stärke
der Inflation eine Schwäche der Konjunktur gesellt. Laut Mlinaric meldete die
Automobilbranche in Deutschland für September einen Rückgang der Neuzulassungen
über das Jahr von knapp 26 Prozent. Auch der Rückgang der Arbeitslosenquoten,
über die vergangenen Monate verlässlicher Indikator der wirtschaftlichen Erholung
in der Eurozone, kam laut ihm zuletzt zum Erliegen. Und auch die
Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe seien im August binnen Monatsfrist
um 7,7 Prozent zurückgegangen. „Abgesehen von der wirtschaftlichen Vollbremsung
im März und April 2020 ist das der größte Rückgang innerhalb eines Monats in
den vergangenen 30 Jahren“, sagt Mlinaric. Zugleich waren auch die Umsätze im
verarbeitenden Gewerbe im August mit minus 5,9 Prozent stark rückläufig.
Die Lohn-Preis-Spirale kommt in Gang
Sorge bereitet Mlinaric auch, dass langsam nun auch die Lohn-Preis-Spirale in Gang kommt: Erste Tarifabschlüsse über 4,7 Prozent im Handel sowie sichtbare Anpassungen der arbeitnehmerseitigen Forderungen in den laufenden Tarifrunden deuten für ihn darauf hin, dass die Tarifrunden mit höheren Lohnforderungen einhergehen werden als in den vergleichsweise moderaten Vorjahren.#
Die Politik hat keine Mittel zum gegensteuern
„Diese Kombination aus anhaltend hoher Inflation und steigendem Gegenwind für das Wirtschaftswachstum lässt das Risiko einer Stagflation in Deutschland, aber auch im Euroraum, konkrete Formen annehmen“, sagt Mlinaric. Stagflation, als Kombination aus hohen Inflationsraten und stagnierendem Wirtschaftswachstum, wäre derzeit besonders problematisch. „Die Politik hat immer weniger Mittel, das Wachstum wieder in Gang zu bringen“, so Mlinaric. „Wo die Haushalte angespannt sind, die Geldpolitik kaum noch Wirkung entfaltet und Strukturreformen zu lange dauern würden, ist davon auszugehen, dass in diesem Falle die Spirale der Staatsverschuldung noch einmal an Fahrt aufnehmen dürfte.“ Für Anleger seien das unruhige Zeiten.
Aktien dürften im Oktober weiter korrigieren
Auch Wehner erwartet für die Aktienmärkte erst einmal nichts gutes. Eine weitere Korrektur von fünf bis sieben Prozent würde ihn nicht überraschen. Zudem erwartet Wehner weiter Steigende Renditen für. „Wir sind der Auffassung, dass deutsche Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren in Richtung 0 Prozent steigen und US-amerikanische Staatsanleihen die zwei Prozent erreichen werden. Das Währungspaar EUR / USD wird unserer Ansicht nach in den Bereich 1,13 - 1,15 fallen“, so Wehner. Für dieses Szenario hat er seine Fonds positioniert. „Unsere Durations-Positionierung ist sehr defensiv, Renditeanstiege werden uns nahezu nicht belasten. Bei den genannten Zielniveaus werden wir längere Laufzeiten hinzukaufen. Auf der Aktienseite werden wir die sinkenden Kurse für Zukäufe nutzen und unsere Absicherungsgeschäfte reduzieren“, sagt Wehner.
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