Die Coronakrise hat schmerzhaft verdeutlicht, dass eine weltumfassende Marktwirtschaft nicht nur Vorteile birgt. Welche Wachstumseinbußen zu erwarten sind, wie es an den Aktienmärkten weitergeht und welche Sektoren noch Jahre bis zur Erholung brauchen werden.
20.04.2020 | 15:50 Uhr von «Lilian Fiala»
Lange gab es nur ein Motto: schneller, höher, größer, weiter. Doch das Coronavirus die Weltwirtschaft in einen Schockzustand versetzt. Produktionsstätten stehen still, Lieferketten sind unterbrochen, viele Unternehmen stehen kurz vor der Pleite. Ob die Pandemie wirklich eine De-Globalisierung auslöst, wie von vielen Marktbeobachtern gefürchtet, bleibt zwar fraglich. Klar aber ist schon jetzt: Sie wird die globale Marktwirtschaft nachhaltig beeinflussen. „Teile der im Zuge der Globalisierung ausgelagerten Industrieproduktion dürften in die westlichen Industriestaaten zurückgeholt werden“, sagt Mark Dowding, Chefanlagestratege bei BlueBay Asset Management. Der durch die Pandemie ausgelöste wirtschaftliche Schaden wird wohl noch einige Zeit zu spüren sein. „In Sektoren wie dem Flugverkehr oder dem Gastgewerbe könnte es höchstwahrscheinlich noch Jahre dauern, bis Normalität zurückkehrt“, so Dowdings Prognose.
Auch Thorsten Schrieber, Vertriebsvorstand der DJE Kapital AG, rechnet mit dauerhaften Veränderungen: „Es wird in Teilen zu einer Deglobalisierung kommen. Bestes Beispiel sind die USA unter Donald Trump. Ähnlich wie bereits in der Landwirtschaft werden systemrelevante Teile der weiteren Wirtschaft, wie das Gesundheitswesen und die Medizintechnik, vermehrt innerhalb der Landesgrenzen produzieren.“ So würden zum Beispiel Antibiotik, wieder an Heimatstandorten hergestellt. Sie wurden vorher vor allem in China produziert, was den Unternehmen aber lediglich einen kleinen Kostenvorteil gebracht hat, „Werte wie Sicherheit und Nachhaltigkeit gewinnen begleitend an Bedeutung“, sagt Schrieber.
Schon vor der Krise hat sich abgezeichnet, dass das Tempo der Globalisierung abnimmt. Die Corona-Pandemie wird diese Entwicklung wohl verstärken. Zugleich gilt: Produktions- und Lieferketten zu nationalisieren ist in Teilen zwar möglich, allerdings nur zu hohen Kosten. Eine vollständige Rückentwicklung halten Experten daher für unwahrscheinlich. Für die Märkte nimmt der Druck jedoch wieder zu, je stärker sich abzeichnet, wie lange die Wirtschaft mit den Folgen des Virus zu kämpfen haben wird. „Wir sehen zwar weiteres Aufwärtspotenzial für diejenigen Vermögenswerte, die von der direkten politischen Unterstützung in Form von Zentralbankkäufen profitieren. Die aktuelle Erholung bei vielen anderen Vermögenswerten dürfte jedoch dem Zuckerrausch im Zusammenhang mit den aktuellen Lockdown-Lockerungsmaßnahmen der Politik geschuldet sein,“ analysiert Bluebay-Experte Mark Dowding.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Anleger sich vom Aktiengeschäft abwenden sollten. Unabhängig von der Krise liegt das Zinsniveau schon lange am Nullpunkt und wird wohl auch in Zukunft nicht steigen. Wer sein Geld also nicht einfach lagern will, sondern sich eine Rendite wünscht, kommt an Aktien nicht vorbei. Auch DJE-Experte Schrieber rät, weiterhin auf Aktien zu setzen, sei es für die private Altersvorsorge oder dauerhaft im Rahmen von Vorsorgeeinrichtungen: „Geht man davon aus, dass die aktuelle Krise auch zu einer Deglobalisierung führt, dann können die staatlichen Liquiditätsspritzen auf ein eingeschränktes Angebot treffen und zu Preissteigerungen führen.“
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