TiAM FundResearch blickt auf die vergangene Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Die chinesische Zentralbank senkt erneut den Leitzins.
21.08.2023 | 06:15 Uhr
Chinas Notenbank hat Anfang vergangener Woche erneut den Leitzins gesenkt. Der Zinssatz für Kredite mit einjähriger Laufzeit beträgt nach der Absenkung um 0,15 Punkte jetzt 2,5 Prozent. Es ist schon die zweite Zinssenkung seit Juni. China reagiert wie immer, wenn die Konjunktur im Land an Schwung verliert. Sie macht Geld billiger und hofft auf eine Wiederbelebung der Wirtschaft durch mehr Investitionen und private Konsumkredite. In der Tat könnte die Konjunktur neuen Schwung gebrauchen. Die bereits geschönten Zahlen des Pekinger Statistikamtes geben den Parteioberen in der KP-Zentrale Anlass zur Sorge. Die Industrieproduktion stieg im Juli im Jahresvergleich um nur 3,7 Prozent. Das lag weit unter den Prognosen. Auch die Einzelhandelsumsätze wuchsen nur noch um 2,5 Prozent. Für China ist das ein schwacher Wert. Der angeschlagene Immobiliensektor verzeichnete sogar einen Rückgang der Investitionen um 8,5 Prozent. Das ist eine schlechte Nachricht. Der Immobiliensektor ist eine der fundamentalen Säulen der chinesischen Wirtschaft. Und nicht nur der chinesischen. 54 Prozent des weltweiten Umsatzvolumens im Bau gehen allein auf die Konten chinesischer Firmen. Gerät die Branche ins Trudeln, ist das also nicht nur ein chinesisches Problem. Wirklich dramatisch ist jedoch die Arbeitslosenstatistik. Mehr als jeder fünfte junge Chinese fand zuletzt keinen Job. Diese Meldung ist so markerschütternd, dass das Pekinger Statistikamt die Zahlen auf Weisung der KP nun noch einmal überarbeiten muss.
Die gute Nachricht für die jungen Chinesen lautet: Grämt Euch nicht. Der Spieß wird sich in nicht allzu ferner Zukunft umdrehen. Es wird nämlich nicht mehr lange dauern, bis Chinas Wirtschaft mit denselben Problemen zu kämpfen haben wird wie Deutschland. Der Arbeitskräftemangel wird schon in wenigen Jahren zum größten Problem im Reich der Mitte. Denn die chinesische Bevölkerung schrumpft seit diesem Jahr zum ersten Mal seit Jahrzehnten. Die Auswirkungen der Ein-Kind-Politik werden in den kommenden Jahren unumkehrbar auf dem Arbeitsmarkt zu spüren sein. Nach Angaben des Beratungsunternehmens Terry Group wird China bis zum nächsten Jahrzehnt durchschnittlich sieben Millionen Erwachsene im erwerbsfähigen Alter pro Jahr verlieren. Bis zum Jahr 2050 wird sich das Schrumpfungstempo auf bis zu zwölf Millionen pro Jahr beschleunigen. Immer mehr Menschen, die in den Ruhestand gehen, werden gleichzeitig zu Konsumenten. Nicht nur im Einzelhandel und in den Reisebüros, sondern auch in Pflegeinrichtungen und Krankenhäusern. Heute sind 14 Prozent der chinesischen Bevölkerung 65 oder älter. Im Jahr 2050 wird rund jeder dritte Chinese dieses Alter erreicht haben. Auf die Jungen kommt also noch genug Arbeit zu.
Die zugleich damit verbundene schlechte Nachricht lautet: Gelingt es chinesischen Forschern nicht, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, wird die Bevölkerung Chinas bis zum Ende dieses Jahrhunderts um die Hälfte schrumpfen. Demografie ist unerbittlich. Das ist für uns alle keine besonders gute Perspektive. Mit Blick auf China aber auch eine besonders gefährliche. Denn erstens sollte sich hier niemand dem Irrglauben hingeben, dass China nach seinem Turbo-Aufstieg in den vergangenen vier Jahrzehnten nun für immer und ewig die Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft spielen wird. Sich wirtschaftlich von dem Land abhängig zu machen, ist nicht nur politisch gefährlich, sondern auch wirtschaftlich hoch riskant.
Zweitens birgt eine dauerhafte konjunkturelle Schwäche der chinesischen Wirtschaft die Gefahr, dass die KP nach Innen an Halt verliert. Bisher lautet das Versprechen der Partei ans Volk: Wir sichern unsere Macht und kontrollieren Euch. Dafür geht es Euch wirtschaftlich immer besser. Kann die Partei dieses Versprechen nicht mehr erfüllen, könnte Xi Jinping auf die Idee kommen, die nationale Karte, die er vorbereitend für den Ernstfall schon seit Jahren spielt, als letzten Trumpf auszureizen. Sprich: Er könnte einen militärischen Konflikt vom Zaum brechen, um das Volk hinter sich zu einen.
Dies vor Augen, sollten wir der chinesischen Notenbank jetzt die Daumen drücken, damit ihr Zauberstab mit Zinssenkungen und der Vergabe billiger Kredite an die Wirtschaft Wunder wirkt und die chinesische Wirtschaft wenigstens kurzfristig wieder auf Trab bringt. Noch hat die Zentralbank Pfeile im Köcher. Bis zu 2,5 Prozent hat sie noch Luft bis zum Nullzins. Dann muss man weitersehen und hoffen. Worauf auch immer.
Am Dienstag findet im niedersächsischen Lehrte der sogenannte TenneT Netz-Gipfel statt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist zu Gast und wird sich offiziell über den Fortschritt beim Netzausbau und über die mit dem Ausbau und den Klimazielen einhergehenden Herausforderungen informieren lassen. Wem der Name TenneT nichts sagt, dem sei hiermit mitgeteilt, dass das Unternehmen in Kooperation mit Hitachi Energy, General Electric und Siemens Energy Europas derzeit größtes Energiewende-Infrastruktur-Projekt wuppt. Es geht darum, Offshore-Windenergie in der Größenordnung von 28 Großkraftwerken in der deutschen und der niederländischen Nordsee aufs europäische Festland zu leiten. Das ist im Rahmen der europäischen Energiewende ein Schlüsselprojekt.
Am Mittwoch beginnt die Videospielmesse Gamescom. Dass sogar Wirtschaftsminister Habeck vor Ort sein wird, ist kein Zufall. Die Fach- und Publikumsmesse für interaktive Unterhaltungselektronik und Computerspiele ist schon lange keine exklusive Veranstaltung mehr für Nerds, Teenager-Zocker und Game-Junkies. Die Messe ist der Treffpunkt für eine Branche, die mittlerweile bedeutsamer ist als die mächtige US-Filmindustrie. Das Thema KI sorgt noch einmal zusätzlich für Perspektiven. Vielleicht trifft man in Köln am Mittwoch bereits den Entwickler der Matrix, in der wir demnächst verschwinden. Wer weiß.
Am Donnerstag gibt die Zentralbank der Russischen Föderation die Höhe der Zentralbankreserven bekannt. Die Reserven an ausländischen Währungen und Gold waren vor dem Einmarsch in die Ukraine stark angestiegen und danach schnell um rund 100 Milliarden US-Dollar geschrumpft. Erstaunlicherweise hat die Zentralbank seit Oktober vergangenen Jahres wieder mehr Devisen auf ihren Konten horten können. Trotz der westlichen Wirtschaftssanktionen.
Am Freitag veröffentlicht das Statistische Bundesamt die aktuellen Zahlen zur Maastricht-Defizitquote Deutschlands im ersten Halbjahr 2023. Vermutlich wird Deutschland die Drei-Prozent-Marke knapp reißen. Was aber de facto keine Aussagekraft hat. Denn mittlerweile ist so viel Schuldenlast in irgendwelche Sondertöpfe ausgelagert, die nicht in die Berechnung mit einfließen, dass kaum noch jemand einen Überblick hat. Aber was soll´s? So lange der Mallorca-Urlaub noch drin ist, ist doch alles gut. Oder?
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