Der TT Contrarian Global ist geprägt durch die seit Jahren bewährte antizyklische Anlagephilosophie von Peter E. Huber. Wie die überzeugten Antzykliker auf den Krieg in der Ukraine reagieren, diskutierten wir mit David Meyer, Co-Fondsmanager des Huber Portfolio und TT Contrarian Global.
02.03.2022 | 12:50 Uhr von «Jörn Kränicke»
Herr Meyer, Sie haben in ihren Fonds auch Titel wie Gazprom oder Nornickel. Haben Sie aufgrund der aktuellen Ereignisse verkauft oder halten Sie die Titel weiter?
David Meyer: Aktuell halten wir nur noch drei Prozent in Russland. Wir hatten in unseren Fonds die Quote an russischen Aktien bereits im Januar deutlich reduziert, als der aktuelle Konflikt spürbar an Fahrt gewann und sehen aktuell keinen weiteren Handlungsbedarf.
Kann man abschätzen, was der Krieg und die Sanktionen mittelfristig für Auswirkungen auf Russlands Börse hat?
DM: Die jetzt verhängten Sanktionen sind sehr schmerzhaft für Russland und seine Börse und können auch zu einem weiteren deutlichen Wertverfall der dortigen Notierungen, vor allem auch des Rubel führen. Fakt ist aber auch, dass russische Rohstoffe stark nachgefragt sind und weiterhin Abnehmer finden werden. Dazu sind russische Unternehmen aktuell extrem attraktiv bewertet und Anleger haben bereits eine weitere Eskalation mit gravierenden längerfristigen Folgen eingepreist.
Müsste man jetzt als Antizykliker russische Aktien kaufen – falls es möglich ist?
DM: Die große Verunsicherung der Marktteilnehmer und die Folgen der Sanktionen treiben viele Anleger panikartig aus russischen Aktien – unabhängig von deren zu Grunde liegenden Unternehmenswerten. Stark emotionale Märkte erzeugen immer Irrationalitäten, die auch Chancen bieten. Allerdings würden wir Zukäufe in Russland nur sehr behutsam und in mehreren Schritten vornehmen, denn die Kurse können noch deutlich weiter fallen. Aktuell ist es außerdem schwierig, überhaupt Positionen aufzubauen. Zum einen sind die Spreads für russische Titel an den westlichen Börsen extrem, die russische Börse ist regelmäßig vom Handel ausgesetzt und diverse Sanktionen erschweren den Handel zusätzlich. Zum anderen haben mehrere Banken uns signalisiert, dass sie aktuell gar keine Trades in Rubel annehmen, da die zentralen Clearingstellen die Geschäfte nicht abwickeln können. Es kann also durchaus sein, dass die aktuell optisch „günstigen“ Kurse für Anleger außer Reichweite bleiben.
Können Shiller-KGV und das Kurs-Buchwert-Verhältnis in Krisenzeiten wie derzeit in die Irre führen?
DM: Eine große akademische Evidenz belegt klar die Aussagekraft von Bewertungskennzahlen für den langfristigen Anlageerfolg. Natürlich liefern Bewertungskennzahlen immer nur einen stark komprimierten Eindruck von der Attraktivität eines Investments und günstige Investments können immer noch günstiger werden. Auch Strukturbrüche – wie aktuell in Russland - können die Aussagekraft mindern und nicht jedes Kurs-Gewinn-Verhältnis erlaubt sinnvolle Aussagen. So sehen bspw. klassische Kurs-Gewinn-Verhältnisse in Krisenphasen auf Grund niedriger oder negativer Gewinne in der Regel unattraktiv aus, obwohl Krisenperioden wie 2003 oder 2009 die besten Einstiegsgelegenheiten boten. Das von uns verwendete, um den Konjunkturzyklus bereinigte Shiller-KGV hat hier deutlich mehr Prognosekraft. Unsere empirischen Untersuchungen über mehr als 100 Jahre zeigen, dass gerade Extrembewertungen in Phasen hoher Unsicherheit interessante Einstiegsgelegenheiten anzeigten. Wenn man sich von Bewertungskennzahlen leiten lässt, breit diversifiziert und in Krisen besonnen statt emotional reagiert, fährt man unserer Meinung nach langfristig am besten.
Im TT Contrarian Global ist China die größte Länderposition. Inwieweit beziehen sie dort politische Risiken in ihre Überlegungen mit ein?
DM: Wir sehen die politischen Risiken, aber auch die sich bietenden Chancen. Im Endeffekt will China seine führende Rolle in der Welt politisch und wirtschaftlich festigen und ausbauen. Außerdem will die chinesische Regierung den Wohlstand der eigenen Bevölkerung fördern, um sozialen Frieden zu gewährleisten. Dafür braucht man leistungsfähige Unternehmen und einen halbwegs offenen, großen Kapitalmarkt für mehr Unabhängigkeit vom Westen. Insofern erscheint uns der aktuelle Bewertungsabschlag chinesischer Unternehmen zu ihren westlichen Peers überzogen und ermöglicht uns attraktives Wachstumspotential günstig einzukaufen.
Sie sind insgesamt für Asien inklusive Japan optimistisch. Warum?
DM: Asien ist für uns der Wachstumsmarkt der Zukunft, ohne dass man für dieses Wachstum hohe Bewertungen zahlen muss. Und Japan hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt, ohne dass dies bei den Anlegern angekommen ist. Immer noch herrscht die Meinung vor, dass sich Japan nach den glorreichen 80er Jahren nie wieder erholt hat, hoch verschuldet und überaltert ist und nicht wächst. Dabei haben japanische Unternehmen das letzte Jahrzehnt zu tiefgreifenden Änderungen ihrer Geschäftsmodelle genutzt, Verflechtungen abgebaut, Kosten gesenkt und ihre Profitabilität gesteigert. Und die Unternehmensgewinne in Japan sind stärker gewachsen als in den USA! Das der japanische Aktienmarkt zurückgeblieben ist, erklärt sich lediglich aus der weiter vergrößerten Bewertungsdivergenz zwischen teuren US-Aktien und attraktiven japanischen Aktien. Diese Bewertungsausweitung kann sich nicht ewig fortsetzen und hieraus resultiert in Japan beachtliches Kurspotential.
Haben Sie aufgrund der veränderten Lage Umschichtungen vorgenommen?
DM: Wir haben die Korrekturen letzte Woche genutzt, um unsere Aktienquote antizyklisch zu erhöhen, über selektive Zukäufe oder Eindeckung von Absicherungen. So haben wir bspw. in unserem TT Contrarian Global (ISIN DE000A3CRQ67) die Aktienquote von ca. 70 Prozent auf 84 Prozent erhöht. Wir denken, dass das Anlageumfeld weiter nervös bleiben wird, nicht nur wegen der Situation in der Ukraine, sondern vor allem auch wegen der galoppierenden Inflation und der Zinswende der Notenbanken. Wir sehen solche Marktverwerfungen jedoch immer auch als Chance und werden Korrekturen nutzen, um attraktive Unternehmen günstiger einzukaufen.
US-Aktien sind zwar seit vielen Jahren überbewertet, trotzdem erzielten sie höhere Renditen. Und auch jetzt in der Krise behaupten sie sich besser. Im TT Contrarian Global ist die USA nur mit gut neun Prozent gewichtet. Sind Sie damit nicht deutlich unterinvestiert?
DM: Ja, wir meiden den US-Markt bewusst und positionieren uns hier klar anders als das Gros der Anleger. Seit der Finanzkrise in 2009 haben die NASDAQ und der S&P 500 1.300 Prozent bzw. 844 Prozent zugelegt, während europäische oder japanische Aktien gerade einmal 343 Prozent bzw. 239 Prozent gewannen. Die US-Kurse haben dabei deutlich stärker zugelegt als die bereits durch aggressive Buybacks aufgeblähten Unternehmensgewinne. Hohe Mittelzuflüsse dank hohem Gewicht in zahlreichen Indices und ETFs haben die Kurse zusätzlich befeuert. Als Folge explodierten die US-Bewertungen auf Shiller-KGVs von 34,2. US-Aktien werden damit über 60% höher bewertet als im historischen Mittel. Diese Kombination aus Überbewertung, langfristiger Outperformance und positivem Anleger-Sentiment birgt beträchtliches Enttäuschungspotential.
Hat die EU-Taxonomie angesichts der in Deutschland nun deutlich steigenden Rüstungsausgaben eine Zukunft oder ist nun einfach alles Grün (Gas, Rüstung, Atom)?
DM: Wir denken, dass der Kampf gegen den Klimawandel sehr wichtig ist, aber die Regulierungswut in Europa diesem Ziel einen Bärendienst erweist. Uns erscheinen die bisherigen Regulierungsschritte bestenfalls unausgegoren und wir verstehen auch nicht, wieso man den Klimawandel unbedingt am Finanzmarkt bekämpfen will, da macht man erneut den Bock zum Gärtner. Aber stattdessen den Konsumenten direkt mit seiner Lebensweise und deren Folgen für unseren Planeten zu konfrontieren und ehrlich über die Kosten eines nötigen Handelns aufzuklären, ist leider politisch unangenehm. Also überträgt die Politik die Verantwortung den Finanzmärkten, denkt sich aber hinter verschlossenen Türen aus, wie das Ergebnis dann auszusehen hat. In unseren Augen ist das kein sehr vielversprechender Lösungsweg, leider! Und die „grüne Revolution“ ist nur ein politisches Ziel von vielen, wenngleich ein drängendes. Aber es geht den Menschen eben auch um Wohlstand und aktuell besonders um Sicherheit. Daher spielt Rüstung in Zukunft wohl wieder eine größere Rolle, nachdem sie insbesondere in Europa Jahrzehnte lang vernachlässigt wurde. Die unterschiedlichen politischen Ziele gilt es gegeneinander abzuwägen, es gibt leider nicht nur eine einfache Lösung und Kompromissbereitschaft muss endlich wieder eine Renaissance erleben.
Kommt es nun zu einer Stagflation und kann die EZB erst einmal die Zinsen nicht anheben?
DM: Die Inflationsraten werden sich wahrscheinlich wieder etwas „normalisieren“, aber v.a. aufgrund der Energiepreisdynamik und resultierenden Zweitrundeneffekten höher bleiben als im letzten Jahrzehnt. Dennoch werden die Notenbanken, allen voran die EZB die Zinsen so lange wie möglich niedrig halten, um die Schuldenstände der Regierungen beherrschbar zu halten. Wir müssen uns also auf viele Jahre „finanzieller Repression“ mit negativen Realzinsen einstellen, die an unseren Altersversorgungssystemen nicht spurlos vorbeigehen werden. Da die Notenbanken nur zögerlich reagieren werden, sehen wir die Gefahr für ein „Abwürgen“ der Konjunktur als eher gering, gehen also nicht zwingend von einer Wachstumsverlangsamung aus, auch dank weiter gegebenen Nachholeffekten nach der Pandemie und staatlichen Investitionsprogrammen. Stagflation ist also nicht unser Hauptszenario für die kommenden Jahre.
Welche Märkte/Branchen sind derzeit am interessantesten?
DM: Wie beschrieben finden wir asiatische Aktien dank ihrer Kombination aus Wachstumspotential und günstiger Bewertung hochattraktiv. Ebenso favorisieren wir Rohstoff- und Energietitel, da sie günstig bewertet sind, die Rohstoffpreisanstieg noch nicht vollumfänglich nachvollzogen haben und eine gewisse Absicherung gegen Inflation bieten. Zudem wurde in der Branche in den letzten Jahren wenig investiert, obwohl Rohstoffe gerade für die Energiewende und die Infrastrukturprogramme stark benötigt werden. Wir könnten also vor einem neuen „Superzyklus“ für Rohstoffaktien stehen.
Auch wenn André Kostolanys Spruch – "kaufen, wenn die Kanonen donnern" – derzeit deplatziert ist. Gilt er im Moment auch oder sollten Anleger besser in sichere Häfen wie Bundesanleihen oder Gold flüchten?
DM: Albert Einstein soll gesagt haben, es ist Wahnsinn immer das Gleiche zu tun aber andere Ergebnisse zu erwarten. An den Finanzmärkten ist es sehr ähnlich. Wenn in allen Nachrichten zu lesen ist, was jetzt alles Schlimmes passieren wird und alle Anleger typisch menschlich reagieren und in Panik verfallen, fühlt es sich natürlich am sichersten an, es ihnen gleich zu tun. Damit wird man aber langfristig nie gute Anlageergebnisse erzielen! Die besten Entscheidungen sind immer auch die schwierigsten, denn sie werden üblicherweise gegen den herrschenden Konsens getroffen. Genau hier liegt aber der Mehrwert unserer antizyklischen Anlagephilosophie: wir machen nicht das Gleiche wie alle anderen und produzieren deshalb auch andere, nachgewiesenermaßen sehr gute Ergebnisse für unsere Kunden. Wir wissen auch nicht, wann die Märkte ihren Tiefpunkt erreichen, aber erste antizyklische Positionen bieten sich u.E. bereits an. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom!
Zur Person:
David Meyer stieß zu Beginn des Jahres 2014 zur Taunus Trust GmbH. Als Peter E. Hubers rechte Hand im antizyklischen Fondsmanagement ist er Co-Fondsmanager des Huber Portfolio SICAV und des TT Contrarian Global. Neben der Asset Allokation liegt einer seiner Schwerpunkte als CFA Charterholder in der Analyse von Einzelunternehmen. Herr Meyer ist Partner der Taunus Trust Group AG.
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