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Interview

Konjunktur, Kapitalmärkte und Inflation: Ein Ausblick mit Carsten Mumm

Die Corona-Rezession ist weitestgehend überwunden. Wir haben mit Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei Donner & Reuschel, über die Chancen und Risiken des vierten Quartals gesprochen und ihn gefragt wie es im Handelskonflikt zwischen China und den USA weitergeht.

09.09.2021 | 12:15 Uhr von «Isabell Walter»

Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Erholung der weltweiten Märkte ein?

Carsten Mumm: Grundsätzlich befinden wir uns weiterhin auf einem sehr dynamischen globalen Wachstumskurs. Die Erholung nach der Corona-Rezession dauert an, das dürfte sich auch im kommenden Jahr fortsetzen. Das sieht man unter anderem an den IWF-Erwartungen, die mit einem globalen Wirtschaftswachstum von sechs Prozent in diesem Jahr und 4,9 Prozent im kommenden Jahr rechnen. Beides sind überdurchschnittlich hohe Werte.

Die Märkte im Einzelnen: Wie sieht es in China aus?


Konjunkturell ist die Erholung in China am weitesten fortgeschritten. Das liegt daran, dass China nach der Corona-Rezession 2020 am schnellsten auf den Wachstumspfad zurückgekehrt ist. Der Staat hat in den vergangenen Wochen und Monaten bereits erste konjunkturelle Unterstützungen herausgenommen, um Preisblasen zu vermeiden. Die Wachstumsdynamik geht deshalb ein wenig zurück, insgesamt befindet sich der Markt aber weiterhin im Wachstum.

Wie steht es im Vergleich dazu um die USA?

Hier sieht es ganz ähnlich aus, allerdings haben die USA etwas später auf den Wachstumspfad zurückgefunden als China - aber immer noch früher als Europa. Auch in den USA liegt das dynamischste Wachstum bereits hinter uns. Durch die Fiskalpakete unterstützt, bewegen wir uns auch weiterhin auf einem sehr hohen Niveau.

Europa hinkt also etwas hinterher?

Ja, Europa ist die rote Laterne. Aber seit Mitte des zweiten Quartals befindet sich der Markt in einem breiten Aufschwung. Das bedeutet, dass mit Aufhebung der Lockdowns nicht mehr nur die Industrie sondern auch die Dienstleistungssektoren wieder auf Wachstumskurs sind.

Und die Schwellenländer?

Das hängt sehr individuell von den einzelnen Volkswirtschaften und verschiedenen Faktoren wie den dort geltenden Corona-Restriktionen, oder den Rohstoffvorkommen ab. Insgesamt hat die Coronavirus-Pandemie aber zu einer Divergenz geführt. Eigentlich sollten die Schwellenländer an weiter fortgeschrittene Volkswirtschaften herangeführt werden, aber die Rezession hat sie wieder deutlich zurückgeworfen und den Abstand vergrößert. Das wird besonders bei den Low-Income-Volkswirtschaften deutlich. Die Anzahl der Menschen, die dort unterhalb der Armutsgrenze leben, hat in den vergangenen Jahren stetig abgenommen. Durch Corona ist diese Zahl aber wieder deutlich gestiegen.

Gerade in den USA und China hat man den Eindruck, dass sich die Erholung der Konjunkturdaten bereits wieder etwas abkühlt. Geht es noch weiter nach oben, oder ist die Wachstumsspitze schon erreicht?

Wir haben die Wachstumsspitze definitiv schon erreicht. Das klingt aber dramatischer als es ist. In den Quartalen nach der Rezession haben wir ein massives Wachstum gesehen und da ist es normal, dass die Spitze erreicht wird. Es ist auch gut, dass diese außergewöhnlich hohe Dynamik abnimmt, da eine Volkswirtschaft das über einen längeren Zeitraum gar nicht tragen kann, ohne dass beispielsweise ein massiver Preisdruck entsteht. Wichtig ist jetzt aber, dass das Wachstum nicht wieder in sich zusammenfällt, sondern wir eine gewisse Dynamik beibehalten wird.

Welche Unsicherheiten sehen Sie für Q4?

Die steigenden Corona-Fallzahlen wirken sich negativ auf die Stimmung in den Unternehmen, aus. Das zeigt sich beispielsweise auch am ifo-Geschäftsklimaindex, der wegen der unsicheren Aussichten etwas nachgibt. Aufgrund steigender Infektionszahlen wächst die Befürchtung, dass es wieder zu Restriktionen kommen könnte. Grundsätzlich gehe ich aber davon aus, dass die Beschränkungen nicht mehr so gravierend werden, wie zuletzt.

Welche Herausforderungen erwarten uns neben der Corona-Pandemie?

Neben dem Corona-Virus ziehen sich vor allem die Lieferengpässe und die damit einhergehenden steigenden Produktionskosten durch die Unternehmens-Befragungen. Das trifft insbesondere die Industrie, die von den Corona-Restriktionen ansonsten weitgehend unberührt bleibt. Wir sehen schon jetzt, dass die Produktion trotz sehr hoher Nachfrage gedämpft ist.

Gibt es auch politische Risiken?


Ein potenzielles geopolitisches Risiko ist eine mögliche Eskalation im Streit zwischen den USA und China. Dieses Thema ist wegen der Coronavirus-Pandemie in den letzten 18 Monaten stark in den Hintergrund gerückt, ist aber brisant wie eh und je. Ein weiterer möglicher Risikofaktor liegt in potenziellen Fehlern der Geld- und Fiskalpolitik. In den vergangenen Monaten standen wir in einer außerordentlich hohen Abhängigkeit von der Unterstützung seitens der Fiskalpolitik. So wurde das massive Wachstum erst möglich gemacht. Der Weg aus dieser Unterstützung muss sehr vorsichtig vorgenommen werden.

Sie haben die Lieferengpässe und steigende Kosten angesprochen. Welche Konsequenzen hat das für die Unternehmen?

Die Unternehmen konnten die gestiegenen Kosten weitgehend an die Endverbraucher durchreichen. Das hat einerseits die Inflation geschürt, aber andererseits dafür gesorgt, dass die Margen der Unternehmen relativ stabil geblieben sind.

Birgt das keine Risiken?

Die Margen zu halten, indem man die steigenden Kosten an die Endverbraucher weitergibt, kann nicht ewig so weitergeführt werden. Irgendwann wird bei den Verbrauchern die Grenze erreicht sein und die Nachfrage sinken. Das äußert sich teilweise bereits jetzt und zeigt sich in Verbraucherumfragen. Rekorde, wie wir sie im zweiten Quartal gesehen haben, sind im dritten und vierten Quartal meines Erachtens nicht mehr zu erwarten. Dadurch trüben sich die Geschäftsaussichten ein Stück weit ein. Zum Jahresende wird es deshalb sicherlich Umsatz- und Gewinnwarnungen geben.

Welche Branchen trifft das besonders?

Allen voran ist weiterhin die Industrie stark von den Lieferengpässen betroffen. Hier werden wir in den Unternehmensergebnissen am ehesten negative Auswirkungen durch steigende Kosten bemerken.

Neben den negativen Impulsen, gibt es aber auch Chancen: Beispielsweise werden die Zahlungen aus dem Wiederaufbaufonds der EU aufgenommen. Welche Faktoren stimmen Sie für die kommenden Monate außerdem optimistisch?

Grundsätzlich sind Geld- und Fiskalpolitik weiter expansiv ausgerichtet und unterstützen in den kommenden Monaten die wirtschaftliche Entwicklung. Außerdem erleben wir derzeit einen breiten, zyklischen und konjunkturellen Aufschwung, der zusätzlich unterstützt. Das wird wahrscheinlich auch im nächsten Jahr noch so sein. Zudem ist die im letzten Jahr befürchtete Insolvenzwelle ausgeblieben, was für eine stabile Entwicklung am Arbeitsmarkt sorgt. Welchen Punkt ich außerdem nennen möchte, sind die anstehenden Wahlen. Hierzulande steht die Wahl schon vor der Tür, in Frankreich werden im Frühjahr das Parlament und der Präsident gewählt und in den USA erwarten uns im Herbst nächsten Jahres die Mid-Term-Elections. Solche Zeiten sind einerseits sehr spannend, aber andererseits erhoffe ich mir daraus Impulse für die Volkswirtschaften für die kommenden Jahre. Neben Corona gibt es schließlich auch noch andere Themen wie den Klimawandel, die Digitalisierung oder auch den demografischen Wandel, die einer Weichenstellung bedürfen.

Ein Thema, das neben Corona ebenfalls etwas in den Hintergrund gerückt ist: Die Beziehungen zwischen den USA und China sind schon lange angeschlagen. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

An der Beziehung hat sich seit den rund 18 Monaten Corona-Pandemie nahezu nichts verändert - was äußerst bemerkenswert ist. So hat US-Präsident Joe Biden seit seinem Amtsantritt an vielen Stellen einen anderen Weg eingeschlagen als sein Vorgänger Donald Trump, aber am Konflikt mit China hat er bislang nichts verändert. In den vergangenen Wochen und Monaten gab es zwar auf oberster Diplomatenebene immer wieder Annäherungsversuche, doch die Gespräche haben nicht gefruchtet. Der Handelskonflikt ist aber nur ein vergleichsweise kleiner Bereich eines viel größeren Konfliktfelds. Es geht um den Wettlauf zwischen zwei Großmächten um die wirtschaftliche, technologische und sicherlich irgendwann auch militärische Vormachtstellung in der Welt. Die USA versuchen alles, um China aufzuhalten oder zumindest auszubremsen, während China alles versucht, um den Abstand zu den USA zu verkleinern. Da China mit Abstand am besten durch die Corona-Pandemie gekommen ist, konnte hier einiges aufgeholt werden. Damit wird das Ganze auch zu einem Systemwettbewerb. China hat hier ganz klar vom schnellen und rigorosen Handeln sowie langfristig umgesetzten Plänen der Regierung profitiert. Da könnte sich die Frage stellen, ob dieses System den demokratisch und marktwirtschaftlich orientierten Industrienationen im Westen überlegen ist.

Ganz aktuell: Welche Risiken sehen Sie in einer globalen Rückzugsbewegung des Westens aus Afghanistan? Können Länder wie China oder Russland davon profitieren?

Vorrangig sehe ich hier vor allem politische, gesellschaftliche und geostrategische Konsequenzen. Mit dem Abzug der Besatzungsmächte werden aber sicherlich auch die Nachbarstaaten versuchen an Einfluss zu gewinnen. Insgesamt ist relativ sicher, dass die Region deutlich instabiler werden wird. Und dauerhafte Krisenherde sind global gesehen immer problematisch. Gerade für exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland sind stabile Verhältnisse sehr wichtig.

Und wirtschaftliche Risiken?

Ich sehe weniger wirtschaftliche Risiken als vor allem vertane Chancen. Afghanistan ist ein sehr rohstoffreiches Land, vor allem was Rohstoffe betrifft, die wir für kommende Herausforderungen wie die Klimawende benötigen. Unter anderem gibt es in Afghanistan seltene Erden, Kupfer oder auch Lithium. Sollte China seinen Einfluss auf Afghanistan erhöhen, wird dieses Potenzial wohl ausgeschöpft werden.

Im Januar lag die Inflation in den USA noch bei 1,4 Prozent. Dieser Wert zog zuletzt deutlich an. Im Juli erreichte die Teuerung 5,4 Prozent. Können Sie diese Steigerung einordnen?

Für die Kapitalmärkte ist das aktuell eines der wichtigsten und bewegendsten Themen. Bei den zuletzt sehr hohen Teuerungsraten spielen unter anderem Einmaleffekte eine Rolle. Allen voran sind hier preisliche Effekte zu nennen: Als Vergleich wird ja immer der Vorjahreszeitraum herangezogen und im Sommer 2020 waren die Preise durch die Corona-Pandemie am Tiefpunkt. Gerade bei den Rohölpreisen der Nordseesorte Brent ist das gut zu sehen. Im Frühjahr 2020 lag der Preis je Barrel bei 20 bis 25 US-Dollar, heute liegt er bei rund 70 US-Dollar. Solche Effekte nivellieren sich aber in den kommenden Monaten aus. Was in den USA aber vor allem zu einer derart hohen Inflation geführt hat, sind die enormen Steigerungen der Produktionskosten, die sich nahezu eins zu eins auf die Verbraucherpreise durchschlagen. Gründe dafür sind neben Einmaleffekten auch beispielsweise geopolitische Themen wie Handelskonflikte, steigende Löhne, der Umbau von Lieferketten, oder auch Investitionen, um den Klimawandel aufzuhalten. Der wichtigste deflationäre Effekt war in den letzten Jahren Preissenkungen durch die Globalisierung. Und dieser Effekt läuft damit aus. Dass die steigende Inflation nur ein kurzes Strohfeuer ist, wie die Notenbanken sagen, glaube ich deshalb nicht. Ich denke, diese strukturellen Kostenerhöhungen in vielen Bereichen der Produktion werden uns auch noch die kommenden Jahre begleiten. Konkret sehe ich in den USA für die kommenden Jahre durchschnittliche Inflationsraten zwischen drei und fünf Prozent.

Vor dem Hintergrund der steigenden Inflation nimmt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Notenbank Fed den Leitzins schon im kommenden Jahr erhöhen könnte, zu. Was würde das bedeuten?

Generell ist eine Erhöhung des Leitzins ein gutes Zeichen. Dieser wird schließlich nur erhöht, wenn die Wirtschaft brummt. In der Historie sind die Aktienmärkte am Anfang eines Zinserhöhungszyklus gemeinsam mit dem Leitzins gestiegen. Von einer Zinserhöhung ist die Fed aber noch weit entfernt. Erstmal geht es darum, die Geldpolitik etwas weniger expansiv auszurichten. Dazu sollen die 120 Milliarden US-Dollar, die derzeit monatlich investiert werden, reduziert werden. Mit diesem sogenannten Tapering dürfte die Fed im Q4 2021 oder im Q1 2022 beginnen. Bis diese Wertpapierkäufe ausgelaufen sind, wird es einige Monate dauern. Bevor das aber nicht passiert ist, wird die Fed den Leitzins nicht anfassen. Das dürfte aber frühestens gegen Ende nächsten Jahres der Fall sein.

Wie ordnen Sie die jüngsten Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell in Jackson Hole zum Thema Tapering ein?

Bei seiner Rede wurde deutlich, dass die Fed sehr bemüht ist, hier keine Fehler zu machen. Dass schon bei der kommenden Zinssitzung im September ein Zeitplan für das Tapering vorgelegt wird, ist also unwahrscheinlich. Powell will zunächst die kommenden Konjunkturdaten abwarten und auf Basis dieser Daten eine möglichst sichere Entscheidung treffen.

Hierzulande hat die Inflation ebenfalls ein Rekordniveau erreicht. Im Juli lag die Teuerung bei 3,8 Prozent, im August bei 3,9 Prozent. Höher war die Inflation zuletzt im Dezember 1993. Haben sich hier ähnliche Effekte ausgewirkt wie in den USA?

Vor allem die Basiseffekte wie die Preissteigerungen waren in Deutschland grundsätzlich gleich wie in den USA. Hierzulande gab es aber auch ein paar Sondereffekte. Das war einerseits die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer nach der Absenkung im Juli 2020. Andererseits war das die CO2-Abgabe, die zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist. Beide Effekte spielen bei Inflationsberechnungen ab Januar 2022 keine Rolle mehr, da sie sich ausnivellieren. Da ich aber, gerade was die Preissteigerungen angeht, eine ähnliche Entwicklung wie in den USA erwarte, rechne ich in den kommenden Monaten und Jahren auch hierzulande mit steigenden Inflationsraten.

Dieser Artikel erschien zuerst am 08.09.2021 auf boerse-online.de

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