Während die Börse aktuell damit rechnet, dass die Fed die Zinsen senkt, steigen die Renditen von langlaufenden US-Staatsanleihen. Jens Ehrhardt, der Grandseigneur unter den deutschen Vermögensverwaltern, sieht die Lage an den Finanzmärkten kritisch.
17.09.2025 | 09:40 Uhr von «Tobias Aigner»
TiAM FundResearch: Herr Ehrhardt, Fed-Chef Jerome Powell hat sich Trumps Forderungen, die Zinsen zu senken, bislang erfolgreich widersetzt. Das könnte sich bald ändern. Die große Mehrheit der Börsianer rechnet mittlerweile damit, dass die Fed die Leitzinsen wahrscheinlich schon auf der kommenden Sitzung am 17. September senkt. Sie auch?
Jens Ehrhardt: Eigentlich muss die Fed die Zinsen senken. Erstens, weil die ganze Welt das tut und zweitens, weil sich die US-Konjunktur spürbar eintrübt. Das US-Verbrauchertrauen ist zurückgegangen. Vom Arbeitsmarkt kommen auch schwache Signale, diese kann die Fed auf Dauer nicht ignorieren. Allerdings befindet sie sich auch in einem Dilemma. Denn wenn sie die Zinsen am 17. September senkt, könnte das die Inflation anheizen. Die Situation ist zurzeit besonders kompliziert, da durch die Zölle ein zusätzlicher Inflationsschub zu erwarten ist, aber niemand weiß, wie stark er ausfällt und wie lange er letztendlich anhält.
Im Mai 2026 läuft die Amtszeit von Powell ohnehin aus. Wahrscheinlich wird Trump dann eine seiner Marionetten an die Fed-Spitze setzen. Was macht das mit den Finanzmärkten?
Das ist ein ganz wichtiges Thema. Und eins, das immer noch unterschätzt wird, weil alle sehr kurzfristig denken. Ja, Trump wird einen Fed-Chef wählen, der ihm hörig ist und der eine lockere Geldpolitik verfolgt. Und was das mit den Bondmärkten macht, ist natürlich die große Frage. Wenn die Fed lockert, sollten die Bond-Preise ja eigentlich steigen. Aber wenn das Vertrauen erodiert, kann es auch ganz anders kommen. Die Renditen von langlaufenden US-Staatsanleihen haben auch wieder angezogen. Das ist ein beunruhigendes Signal.
Und wie würden sinkende Zinsen auf US-Aktien wirken? Treiben sie die Wall Street auf neue Rekordstände?
Darauf würde ich erst mal nicht wetten. Während der beiden letzten großen Zinssenkungsphasen ab 2000 und 2008 sind die Aktienkurse zunächst gefallen. Denn auch wenn sich Zinssenkungen positiv auf die Konjunktur und auf die Gewinne der Unternehmen auswirken, gibt es in der Regel einen Time-Lag zwischen Zinssenkung und Börsenanstieg. Und der lag in den vergangenen 100 Jahren bei etwa sechs Monaten. Außerdem sind US-Aktien inzwischen eigentlich zu teuer, um bei Zinssenkungen noch große Sprünge zu machen.
Woran machen Sie das fest?
Mehr als ein Viertel der Aktien aus dem S&P 500 haben heute ein KGV von über 50. Und selbst die Nicht-Wachstumswerte sind mit einem durchschnittlichen KGV von mehr als 19 alles andere als billig. Der historische Durchschnitt für das KGV einer S&P-500-Aktie liegt nämlich nur bei 15.
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