Staatlich verordnete Geschäftsschließungen, säumige Mietzahler, drohende Insolvenzen: Der Lockdown und die Folgen geht auch an Offenen Immobilienfonds nicht spurlos vorbei. Die Rating-Agentur Scope hat die aktuelle Situation analysiert.
17.06.2020 | 14:12 Uhr von «Christian Bayer»
Insgesamt wurden von Scope 15 Offene Immobilienfonds untersucht, die zusammen
ein Vermögen von rund 100 Milliarden Euro verwalten. Nur drei Fonds konnten ihr
Rating behalten, während zwölf Fonds heruntergestuft wurden. Als Grund führt die
Rating-Agentur höhere Risiken und niedrigere Ertragsaussichten in einzelnen
Immobiliensegmenten wie beispielsweise Einzelhandel und Hotels an. Die
Gesamtbilanz fällt laut Scope allerdings nicht negativ aus: „Trotz der
Herabstufungen befinden sich die Ratings insgesamt nach wie vor auf einem
vergleichsweise hohen Niveau. Das durchschnittliche Rating der Fonds liegt bei
„a“ – was aus Anlegersicht eine gute risikoadjustierte Rendite erwarten lässt.“
Liquiditätsrisiken wie zur Zeit der Finanzkrise 2008/09 sehen die
Immobilien-Experten der Rating-Agentur nicht. Damals wurden 18 Offene
Immobilienfonds mit einem Vermögen von 26 Milliarden Euro aus
Liquiditätsgründen geschlossen und danach abgewickelt. Diesmal ist die
Situation eine andere. Denn der Gesetzgeber hatte vor sieben Jahren Fristen für
die Mindesthaltedauer und die Kündigung eingeführt. Laut Scope verfügen die
Fonds aktuell über liquide Mittel von durchschnittlich 20 Prozent des
Fondsvermögens. Zudem habe es mit Stand vom Ende Mai seit Beginn der
Corona-Krise keine außergewöhnlichen Mittelabflüsse gegeben. Vielmehr sei das
Gegenteil der Fall. „Über alle Fonds summieren sich die Netto-Mittelzuflüsse im
ersten Quartal 2020 sogar auf rund vier Milliarden Euro“, so die
Scope-Experten.
Den teilweise drastischen Kursverlusten bei anderen Anlageklassen im März
konnten sich die Offenen Immobilienfonds entziehen. Laut Scope blieb die
durchschnittliche Wertentwicklung im ersten Quartal positiv. Allerdings müssen
Investoren sich möglicherweise in diesem Jahr mit weniger Rendite begnügen. Die
Rating-Agentur erwartet eine Rendite im Bereich von 1,5-2,0 Prozent. Zum
Vergleich: 2019 lag die durchschnittliche Rendite der von Scope bewerteten Offenen
Immobilienfonds bei 3,1 Prozent. Anbieter zeigen sich für die aktuellen
Renditen noch optimistischer. In einer von Scope unter 24 Fondsanbietern
durchgeführten Umfrage rechneten zwei Drittel mit Renditen für 2020 zwischen
2,0-2,5 Prozent.
Unter den einzelnen Immobiliensegmenten gibt es nach Angabe der Rating-Agentur
große Unterschiede. Während der Lebensmitteleinzelhandel zu den Gewinnern
gehöre, leide der stationäre Textil-Einzelhandel sehr stark. Der Strukturwandel
hin zu E-Commerce würde sich beschleunigen und zu weiter sinkender
Flächennachfrage und niedrigeren Mieten führen. Massiv sei auch die Hotel- und
Tourismusbranche betroffen. In diesen Segmenten erwarten die Scope-Experten
keinen dauerhaften Rückgang, sondern für spätestens übernächstes Jahr eine
Normalisierung. Für Büro-Immobilien gibt es noch keine Entwarnung. „Die
Covid-19-Krise wird auch den Büroimmobilienmarkt negativ beeinflussen. Gründe
hierfür sind ein möglicher Personalabbau im Zuge der Rezession und aller
Voraussicht nach auch ein verstärkter Trend zum Home-Office“, so die Immobilien-Analysten.
Das Risiko steigender Leerstände beträfe vor allem weniger attraktiven Lagen.
Unter den bewerteten Offenen Immobilienfonds konnte der grundbesitz global sein Rating („a-“) behalten. Der LEADING CITIES INVEST und der WestInvest InterSelect haben ihr „a+“-Rating verteidigt. Diese beiden Fonds konnten beispielsweise mit einer überdurchschnittlichen Vermietungsquote von nahezu 98 Prozent punkten. Für Anbieter scheint der Markt der Offenen Immobilienfonds weiter attraktiv zu bleiben. Laut einer Scope-Befragung signalisierten drei Viertel der Anbieter in den nächsten drei Jahren neue Offene Immobilien-Publikumsfonds aufzulegen. Aus Sicht der Rating-Agentur ist die Corona-Krise für die neuen Produkte Chance und Risiko zugleich: „Auf der einen Seite bietet die Krise günstigere Ankaufs-Gelegenheiten zum Portfolioaufbau. Auf der anderen Seite können die jungen Fonds mögliche Opportunitäten nur nutzen, wenn sich ihre Mittelzuflüsse im Zuge der Krise nicht signifikant reduzieren.“
Die zehn besten Offenen Immobilienfonds in fünf Jahren
Quelle: BÖRSE ONLINE
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