Capital Group: Warum Investoren auf Finanzzyklen achten sollten

Um zu erkennen, wo eine Volkswirtschaft im Konjunkturzyklus steht, werden oft Inflations- und Wachstumsdaten analysiert. Kredit- und Hauspreisentwicklungen sowie Finanzzyklen werden hingegen weniger beachtet. Dabei können diese Werte für Investoren wichtige Hinweise auf die mögliche Assetpreisentwicklung liefern.

08.05.2017 | 15:40 Uhr

Der Finanzzyklus bildet die Entwicklung von Hauspreisen und privater Verschuldung in einer Volkswirtschaft ab.

Das Konzept ist eine Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen Hauspreisen, dem Wachstum des privaten Kreditvolumens und dem Wirtschaftswachstum zu erfassen. Konzept und Methodik wurden von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) entwickelt.

Basis ist eine einfache Beobachtung: Hauspreise und privates Kreditvolumen verändern sich nur langsam, wobei sich die Entwicklungen gegenseitig verstärken.

Wichtig ist, dass der Finanzzyklus ein kreditorientiertes Konzept ist und sich daher sehr stark vom Konjunkturzyklus unterscheidet (bei dem die gesamtwirtschaftliche Produktion betrachtet wird). Finanzzyklen sind daher im Schnitt mindestens doppelt so lang wie ein typischer Konjunkturzyklus.

Inspiriert durch die bahnbrechenden Arbeiten der BIZ fiel mir auf, wie groß der praktische Nutzen von Finanzzyklen ist. Ich halte sie für ein aussagekräftiges Instrument, mit dem Investoren den Ausblick für die Konjunktur und verschiedene Assetklassen abschätzen können. 

Entscheidend ist die Neuverschuldung (und nicht der Schuldenstand)

Eines ist wichtig: Beim Finanzzyklus zählt nicht die absolute Verschuldung. Ob sie steigt oder fällt, ist eher bedeutungslos. Entscheidend ist die Veränderung der Verschuldung: Nimmt die Verschulung zu – oder nimmt sie ab?

Investoren sollten die Diskussion über die genauen Gründe für den Zusammenhang zwischen Schulden, Hauspreisen und Realwirtschaft der Wissenschaft überlassen. Von praktischer Relevanz ist aber, dass Wendepunkte des Finanzzyklus sehr selten sind und dass sie oft mit Trendwenden am Aktien- oder Anleihenmarkt einhergehen.

Ein Finanzzyklus hat vier klar voneinander abgegrenzte Phasen. In jeder Phase gibt es eine andere Kombination aus der Steigung des Zyklus (positiv oder negativ) und Veränderung der Steigung (zunehmend oder abnehmend).

Wir haben die Assetklassenerträge in 17 unterschiedlichen Zyklen betrachtet und eine 40-jährige Datenhistorie analysiert. Demnach entwickeln sich Anleihen gegenüber Aktien meist besser, wenn sich der Zyklus nahe seinem Höchststand befindet (Phasen 1 und 4). Die Aktienerträge sind hingegen meist an den Tiefpunkten am höchsten (Phasen 2 und 3).

  • Phase 1 steht für den beginnenden Rückgang nach einem Höchststand: Das Kreditwachstum geht deutlich zurück, die Hauspreise fallen stark.

  • Phase 2 ist die zweite Phase des Abschwungs, wenn der Zyklus auf seinen Tiefpunkt zusteuert. Der Schuldenabbau geht weiter, doch gibt es Anzeichen für sein bevorstehendes Ende. Mit anderen Worten: Hauspreise und Kreditvolumen fallen weiter, allerdings immer weniger stark.

  • Phase 3 beginnt, wenn der Zyklus einen Wendepunkt erreicht und wieder steigt, da Hauspreisentwicklung und Kreditwachstum wieder positiv werden.

  • Phase 4 führt uns zum Höchststand des Zyklus. Manchmal lässt die Dynamik nach und scheint auf einen Wendepunkt zuzusteuern, doch dann baut sich oft wieder neues Momentum auf, und wir kehren zu Phase 3 zurück. Nicht selten alternieren Zyklen zwischen den Phasen 3 und 4.

    Wenn die Vergangenheit ein Maßstab ist, funktioniert unser Analyserahmen (der von den Volkswirten der BIZ begründet wurde) am besten in den USA und anderen Ländern mit einer großen Binnenwirtschaft und bedeutenden Bankensektoren.

    Im Gegensatz dazu gibt es Länder, in denen der Zusammenhang zwischen Wende- punkten und Assetpreisen manchmal schwächer ist. So hängen die Aktienkurse vieler führender deutscher Unternehmen weniger stark von der Binnenkonjunktur und stärker von der Entwicklung in den Emerging Markets ab, in die viel exportiert wird. 

Entscheidend ist die Neuverschuldung (und nicht der Schuldenstand)

Eines ist wichtig: Beim Finanzzyklus zählt nicht die absolute Verschuldung. Ob sie steigt oder fällt, ist eher bedeutungslos. Entscheidend ist die Veränderung der Verschuldung: Nimmt die Verschulung zu – oder nimmt sie ab?

Investoren sollten die Diskussion über die genauen Gründe für den Zusammenhang zwischen Schulden, Hauspreisen und Realwirtschaft der Wissenschaft überlassen. Von praktischer Relevanz ist aber, dass Wendepunkte des Finanzzyklus sehr selten sind und dass sie oft mit Trendwenden am Aktien- oder Anleihenmarkt einhergehen.

Ein Finanzzyklus hat vier klar voneinander abgegrenzte Phasen. In jeder Phase gibt es eine andere Kombination aus der Steigung des Zyklus (positiv oder negativ) und Veränderung der Steigung (zunehmend oder abnehmend).

Wir haben die Assetklassenerträge in 17 unterschiedlichen Zyklen betrachtet und eine 40-jährige Datenhistorie analysiert. Demnach entwickeln sich Anleihen gegenüber Aktien meist besser, wenn sich der Zyklus nahe seinem Höchststand befindet (Phasen 1 und 4). Die Aktienerträge sind hingegen meist an den Tiefpunkten am höchsten (Phasen 2 und 3).

  • Phase 1 steht für den beginnenden Rückgang nach einem Höchststand: Das Kreditwachstum geht deutlich zurück, die Hauspreise fallen stark.

  • Phase 2 ist die zweite Phase des Abschwungs, wenn der Zyklus auf seinen Tiefpunkt zusteuert. Der Schuldenabbau geht weiter, doch gibt es Anzeichen für sein bevorstehendes Ende. Mit anderen Worten: Hauspreise und Kreditvolumen fallen weiter, allerdings immer weniger stark.

  • Phase 3 beginnt, wenn der Zyklus einen Wendepunkt erreicht und wieder steigt, da Hauspreisentwicklung und Kreditwachstum wieder positiv werden.

  • Phase 4 führt uns zum Höchststand des Zyklus. Manchmal lässt die Dynamik nach und scheint auf einen Wendepunkt zuzusteuern, doch dann baut sich oft wieder neues Momentum auf, und wir kehren zu Phase 3 zurück. Nicht selten alternieren Zyklen zwischen den Phasen 3 und 4.

    Wenn die Vergangenheit ein Maßstab ist, funktioniert unser Analyserahmen (der von den Volkswirten der BIZ begründet wurde) am besten in den USA und anderen Ländern mit einer großen Binnenwirtschaft und bedeutenden Bankensektoren.

    Im Gegensatz dazu gibt es Länder, in denen der Zusammenhang zwischen Wende- punkten und Assetpreisen manchmal schwächer ist. So hängen die Aktienkurse vieler führender deutscher Unternehmen weniger stark von der Binnenkonjunktur und stärker von der Entwicklung in den Emerging Markets ab, in die viel exportiert wird.

In den USA scheint der Gipfel 2019 bevorzustehen

Betrachten wir den US-Finanzzyklus genauer: 2011 begann Phase 2; Ende 2013 war der Tiefpunkt erreicht. Eine einfache Interpretation für die aktuelle Position der USA lautet:

Die Hauspreiskorrektur liegt hinter uns, der Schuldenabbau ist vorbei und der Zyklus beschleunigt sich wieder, sodass das BIP schneller steigt und die Inflation ebenfalls zunimmt. Offensichtlich ist dies ein optimistischer Ausblick im Vergleich zur Idee der langfristigen Stagnation, von der in den letzten Jahren oft die Rede war (insbesondere vor den US-Präsidentschaftswahlen).

Unsere aktuelle Prognose für den US-Finanzzyklus spricht für ein differenzierteres Bild. Der Aufschwung des Zyklus könnte noch mindestens ein Jahr anhalten, bevor ein neuer Abwärtstrend beginnt. Die Entschleunigung könnte also schon bald deutlich zunehmen. Warum?

Eine Möglichkeit ist, dass der Schuldenabbau in den USA niemals wirklich vorbei war, wir also nur eine Pause erlebt haben. Die US-Haushalte könnten einfach weiter Schulden abbauen, wenn die Fed die Zinsen stark erhöht und die Dynamik am Wohnimmobilienmarkt dann nachlässt. 

In den USA scheint der Gipfel 2019 bevorzustehen

Betrachten wir den US-Finanzzyklus genauer: 2011 begann Phase 2; Ende 2013 war der Tiefpunkt erreicht. Eine einfache Interpretation für die aktuelle Position der USA lautet:

Die Hauspreiskorrektur liegt hinter uns, der Schuldenabbau ist vorbei und der Zyklus beschleunigt sich wieder, sodass das BIP schneller steigt und die Inflation ebenfalls zunimmt. Offensichtlich ist dies ein optimistischer Ausblick im Vergleich zur Idee der langfristigen Stagnation, von der in den letzten Jahren oft die Rede war (insbesondere vor den US-Präsidentschaftswahlen).

Unsere aktuelle Prognose für den US-Finanzzyklus spricht für ein differenzierteres Bild. Der Aufschwung des Zyklus könnte noch mindestens ein Jahr anhalten, bevor ein neuer Abwärtstrend beginnt. Die Entschleunigung könnte also schon bald deutlich zunehmen. Warum?

Eine Möglichkeit ist, dass der Schuldenabbau in den USA niemals wirklich vorbei war, wir also nur eine Pause erlebt haben. Die US-Haushalte könnten einfach weiter Schulden abbauen, wenn die Fed die Zinsen stark erhöht und die Dynamik am Wohnimmobilienmarkt dann nachlässt. 

Der wenig dynamische Zyklus im Euroraum gibt Anlass zur Hoffnung

Erstmals seit der Euro-Einführung 1999 sind die Finanzzyklen Deutschlands und einiger Peripherieländer konvergiert. Dies könnte eine sehr wichtige Entwicklung sein, spricht sie doch für weniger Probleme durch asynchrone Konjunkturen.

Seit vielen Jahren boomte Deutschland, wenn an der Peripherie Schulden abgebaut wurden – und umgekehrt. Für Geld- und Fiskalpolitiker war dies ein Problem. Der Europäischen Zentralbank fiel es äußerst schwer, einen Zins zu finden, der sowohl für Deutschland als auch für die Peripherieländer angemessen war.

Vor der internationalen Finanzkrise waren die Zinsen für das langsam wachsende Deutschland zu hoch, aber für die schnell wachsenden Länder an der Peripherie zu niedrig. Das führte dort zu einer enormen Kreditmengenexpansion. Die Folge dieses Kreditbooms war die Banken- und Staatsschuldenkrise des letzten Jahrzehnts.

Letztlich sprechen unsere aktuellen Finanzzyklusprognosen für ein mäßigeres Wachs- tum im Euroraum. Aber vielleicht ist das der kurzfristige Preis für eine synchronere Entwicklung, zumal sie langfristig zu einem nachhaltigeren Wachstum im gesamten Euroraum führen dürfte. 

Aufschwung in China könnte Aktien nützen, aber noch ist es nicht so weit 

Allgemein glaubt man, dass die Verschuldung Chinas in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Die Logik ist einfach: Die Schuldenstandsquote, also der Quotient aus Schulden und BIP, nimmt zu. Der Finanzzyklus zeichnet allerdings ein ganz anderes Bild. Er erreichte seinen Höchststand bereits 2013.

Chinas Wohnimmobilienmarkt wächst seit 2012 schwächer. Diese Entschleunigung hat den Anstieg der Schuldenstandsquote mehr als ausgeglichen. Den Behörden scheint es zu gelingen, einen allmählichen Rückgang des Finanzzyklus in die Wege zu leiten. Das ist eine beachtliche Leistung. Als wir 2014 den Finanzzyklus für China konstruierten, drohte eine hässliche Bankenkrise.

Drei Jahre später wissen wir, dass es nicht dazu kam. Die Regierung hat das Problem auch dadurch gelöst, dass sie eine höhere Verschuldung zuließ. Dennoch sind die Risiken für die Volkswirtschaft und die Währung nicht verschwunden.

Der Finanzzyklus kann nur stetiger werden, wenn sich die Schuldenstandsquote stabilisiert und am Ende zurückgeht. Leider wurden in den letzten Jahren beschleunigt Schulden aufgebaut. Bei der Schuldenstandsquote steht die Wende also erst noch bevor. Am Wohnimmobilienmarkt liegt sie bereits hinter uns – ein Hinweis auf einen Abschwung des chinesischen Finanzzyklus.

Wann wird der chinesische Finanzzyklus seinen Tiefpunkt erreicht haben? Leider scheint dieser Zeitpunkt außerhalb unseres aktuellen Prognosehorizonts zu liegen. In früheren Zyklen war Phase 2 für Aktien meist gut, sodass wir die Entwicklung genau im Auge behalten. Ein Übergang von Phase 1 zu Phase 2 könnte äußerst positiv für viele Emerging-Market-Länder sein, deren Schicksal eng mit dem chinesischen verknüpft ist – aber auch für die Weltwirtschaft insgesamt. 

China macht es für die Fed 2017 nicht einfacher

In letzter Zeit hat die Fed die Weltwirtschaft bei ihren Zinsentscheidungen genau im Blick gehabt. Der Zeitpunkt eines Rückgangs des chinesischen Finanzzyklus könnte den Offenmarktausschussmitgliedern der Fed daher eine Atempause verschaffen – selbst wenn die Binnenwirtschaft für Zinserhöhungen spricht. Eine deutlich straffere US-Geldpolitik in einer Zeit, in der sich der Finanzzyklus Chinas im Abschwung befindet, könnte die Weltwirtschaft verunsichern. Schließlich ist China eine der wichtigsten Volkswirtschaften.

Interessante Signale in einer unsicheren Welt

Als ich 2013 meine Analysen zum Finanzzyklus erstmals vorstellte, betonte ich, dass sich die USA im Übergang zu Phase 3 befanden, die oft mit sehr hohen Aktienerträgen in Verbindung gebracht wird.

In den drei Jahren danach, bis zum 31. Dezember 2016, legte der US-Aktienmarkt etwa 20% zu, sodass man doppelt so viel verdiente wie mit amerikanischen Anleihen. Bei einem Finanzzyklus in Phase 4 ist der Aktienmarktausblick aber vielleicht nicht ganz so gut.

In Zeiten einer instabilen Weltwirtschaft mit einem unsicheren Ausblick für Wirtschaft und Politik liefern Finanzzyklen besonders interessante Informationen. Mein Umgang mit Finanzzyklen ist pragmatisch. Wir sollten die Daten für sich selbst sprechen lassen

– und akzeptieren, dass wir die Zukunft nicht kennen und keine Prognose jederzeit richtig ist.

Dennoch fielen frühere Wendepunkte von Finanzzyklen oft mit einer Rotation zwischen Aktien und Anleihen zusammen. Wer langfristige aktive Entscheidungen zur Asset- Allokation nach Ländern oder Regionen treffen will, sollte dies nicht ignorieren. 

 

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