Capital Group: Vier Botschaften der Finanzzyklen

Capital Group: Vier Botschaften der Finanzzyklen
Finanzzyklen

Während sich die Wirtschaft weltweit von der Corona-Pandemie erholt, suchen Investoren nach Indikatoren für Wachstums- und Inflationsaussichten. Dabei könnten auch Finanzzyklen helfen, die einen langfristigen Ausblick bieten.

30.06.2021 | 10:21 Uhr

Diese dauern oft viel länger als der Konjunkturzyklus, der ein weitaus gängigerer Indikator ist und sich auf Schwankungen der Wirtschaftsleistung konzentriert. ,,Es gibt vier verschiedene Phasen des Finanzzyklus, die dem Trend der Verschuldung in einer Volkswirtschaft entsprechen,“ sagt Jens Søndergaard, Currency Analyst bei Capital Group.

„Spitzen im Finanzzyklus können eine Frühwarnung vor Finanzkrisen darstellen. Der letzte Höhepunkt des US-Finanzzyklus ging im Jahr 2006 der globalen Finanzkrise voraus.“ Darüber hinaus würden Wendepunkte in Finanzzyklen oft mit wechselnden Geschicken der Aktien- und Anleihenmärkte zusammenfallen. Søndergaard leitet vier Dinge aus der aktuellen Situation der Finanzzyklen ab:

1. Der US-Finanzzyklus demonstriert Stärke

„Die USA stechen heraus, da sie sowohl bei der Kreditkomponente des Finanzzyklus als auch bei der Immobilienkomponente eine Beschleunigung vorweisen können,“ so Søndergaard. „Das ist ein gutes Vorzeichen für das US-Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren.“ Besonders der Anstieg von Immobilienpreisen habe dem Finanzzyklus neuen Auftrieb gegeben, demnach seien die Preise im vierten Quartal 2020 um fast zehn Prozent gestiegen und hätten damit das Wachstum im Vorfeld der globalen Finanzkrise übertroffen. Die private Kreditvergabe sei ebenfalls ausgeweitet worden als die Fed die Zinssätze auf quasi null setzte und, im Rahmen der Corona-Pandemie, Liquidität in den Markt pumpte. Dadurch habe die Privatverschuldung 160 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht – ein Jahr zuvor lag diese noch bei 148 Prozent.

„Trotz der jüngsten Beschleunigung der Immobilienpreise und des Kreditwachstums bleibt der US-Finanzzyklus spätzyklisch,“ sagt Søndergaard. „Meine Prognose ist, dass der Zyklus Ende 2023 oder Anfang 2024 seinen Höhepunkt erreicht.“

2. Der Dollar könnte stärker werden, der Euro schwächer

„Devisenbewegungen spiegeln die tatsächliche Stärke der Währungen wider,“ so Søndergaard. Die relative Stärke der US-Wirtschaft deute darauf hin, dass sich diese deutlich vom Rest der Welt abhebe. Auch der europäische Zyklus weise eine starke Dynamik auf, doch Søndergaard prognostiziert „einen höheren und späteren Höhepunkt des US-Zyklus angesichts des US-Immobilienbooms.“

Dies könnte sich positiv auf den US-Dollar und negativ auf den Euro auswirken, die Erwartung eines vergleichsweise stärkeren US-Wachstums könne die Realzinsen in den USA nach oben treiben, was die Dollarstärke unterstützen könnte. Um mit dem US-Dollar mitzuhalten, müsste im gesamten Euroraum ein größeres Immobilien- und Kreditwachstum wahrnehmbar sein, als es aktuell der Fall sei. Da Deutschland die größte Volkswirtschaft im Euroraum ist, könnte dies von der Bereitschaft der deutschen Haushalte und Unternehmen abhängen, mehr Schulden aufzunehmen.

3. Divergenz innerhalb der EU könnte zum Problem für die EZB werden

„Ich bezweifele, dass wir eine starke Beschleunigung des deutschen Finanzzyklus erleben werden,“ analysiert Søndergaard. „Aktuell wird der Zyklus von einem boomenden Immobilienmarkt angetrieben, er wird aber meiner Meinung nach 2022 seinen Höhepunkt erreichen und in eine Übergangsphase eintreten.“ Dies läge besonders daran, dass die Prognosen für das Nominalhaushaltseinkommen nicht stark genug seien, um Immobilienpreissteigerungen aufrechtzuerhalten. Auch die expansive und stimulierende Fiskalpolitik der EZB sei nicht stark genug, um eine nachhaltige Reflation in Deutschland zu erzeugen.

„In Italien bewegt sich der Finanzzyklus nach oben,“ erläutert Søndergaard. „Aber auch diese Dynamik wird wahrscheinlich nicht stark genug sein, um einen Rollover des deutschen Zyklus auszugleichen.“ Wenn sich diese Divergenz fortsetze, werde sie den Entscheidungsträgern der EZB Kopfzerbrechen bereiten, behauptet Søndergaard. Sie würden vor dem politischen Dilemma stehen, ob sie die Zinssätze so festlegen sollen, dass sie den makroökonomischen Bedingungen im Kern der Eurozone entsprechen – oder in der Peripherie.

4. Chinas Finanzzyklus erreicht seinen Höhepunkt

„Chinas Finanzzyklus scheint seit dem Tiefpunkt im Rahmen der Finanzkrise seinen Höhepunkt zu erreichen,“ sagt Søndergaard. „Der lange Anstieg spiegelte die massive Fremdkapitalaufnahme durch chinesische Haushalte und Unternehmen wider und erhielt einen weiteren Schub durch die staatlichen Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie.“ Nun würden die Behörden in China versuchen, das Wachstum von Krediten und Immobilienpreisen zu steuern, um sicherzugehen, dass sich die Wirtschaft verlangsamt.

Dies könnte sich als Gegenwind für das globale Wachstum und die Rohstoffpreise erweisen und potenziell negative Auswirkungen auf die Währungen der Schwellenländer haben. Viele Schwellenländer befänden sich erst am Anfang ihres Finanzzyklus: „Ein Stolpern Chinas könnte sie von den späteren Phasen des Zyklus, die ein stärkeres Wirtschaftswachstum signalisieren, zurückhalten,“ so Søndergaard.

Diesen Beitrag teilen: