Haben die Finanzmärkte die Krise abgehakt? | |
01/2013 | |
Dr. Marco Bargel, Thilo Heidrich | |
Deutsche Postbank AG (Website) |
Der Euro zeigt Aufwärtstendenzen und die Krisenstaaten haben wieder etwas Luft zum Atmen. Das Risiko vor Rückschlägen ist jedoch nach wie vor hoch.
25.01.2013 | 09:16 Uhr
„Das Jahr 2013 steht bislang klar im Zeichen einer Entspannung an den Finanzmärkten“, erkennen Dr. Marco Bargel und Thilo Heidrich vom Research-Team der Postbank in ihrer aktuellen Studie „Haben die Finanzmärkte die Krise abgehakt?“. Sie werfen darin die Frage auf, ob die Finanzmärkte das lang ersehnte Ende der Verschuldungskrise in der Eurozone ausgerufen haben oder es sich nur um eine Momentaufnahme handelt, eine kurze Verschnaufpause, die schon bald von der nächsten Runde der Krise abgelöst werden könnte.
Der Euro wird wieder stärker
Eine Rückkehr des Vertrauens zeige sich insbesondere an der Entwicklung der Gemeinschaftswährung. Der Euro stieg in den vergangenen Wochen gegenüber den anderen großen Währungen im Wert. Mit derzeit mehr als 1,33 US-Dollar je Euro verzeichne die Währung den höchsten Stand seit Februar 2012. Aber auch gegenüber dem japanischen Yen und dem britischen Pfund setzte der Euro seinen Anstieg fort. „Hier dürften jedoch jeweils Sondereffekte die Aufwärtstendenz des Euro verstärkt haben“, sagen die Volkswirte. Denn in Japan arbeiteten Politik und Notenbank gezielt an einer Abschwächung des Yen, um japanische Exporte zu begünstigen. In Großbritannien sorge die höchst unsichere zukünftige Europapolitik des Landes nicht für verstärktes Vertrauen in das britische Pfund. „Den letzten Beweis dafür, dass es sich im Grundsatz um einen stärker werdenden Euro und nicht um eine kollektive Schwäche der übrigen Währungen handelt, liefert der Euro-Franken-Wechselkurs“, so Bargel und Heidrich. Im Zuge der Finanz- und später der Verschuldungskrise habe der Euro von 1,60 Schweizer Franken Ende 2008 bis auf 1,00 Schweizer Franken im Herbst 2011 abgewertet. Seit dem Jahreswechsel 2012/2013 hat allerdings eine Aufwertung von knapp drei Prozent stattgefunden. „Es scheint also, als ob die Anleger ganz allmählich die sicheren Häfen verlassen und zu neuen Ufern aufbrechen“, glauben die Autoren.
Krisenstaaten atmen etwas auf
Diese Tendenz sei auch bei deutschen Bundesanleihen zu erkennen: „Lag die Rendite deutscher Staatspapieren mit zehn Jahren Laufzeit um den Jahreswechsel noch bei etwa 1,3 Prozent, sind sie mittlerweile auf 1,6 Prozent gestiegen“, so Bargel und Heidrich. Anleger hätten stattdessen verstärkt Anleihen der Krisenstaaten gekauft, deren Renditen in der Folge kontinuierlich gesunken seien. „So beträgt der Spread zwischen spanischen und deutschen Papieren mit zehn Jahren Laufzeit aktuell gut 3,5 Prozent“, so die Experten. „Dies ist zwar einerseits im Vergleich zur Vorkrisenzeit immer noch ein hoher Wert, andererseits lag die Differenz Mitte 2012 noch bei knapp 6,5 Prozent.“ Den nachlassenden Druck der Finanzmärkte nutzten die Staaten, um sich günstiger zu refinanzieren. Auch die Aktienmärkte der Peripheriestaaten erfreuten sich einer Belebung. „Betrachtet man die Entwicklung seit Anfang des vierten Quartals 2012, schneiden die Leitindizes der sogenannten PIIGS-Staaten (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien; d. Red.) sogar besser ab als der DAX“, analysieren Bargel und Heidrich. Dies zeige, dass Anleger bereit seien, wieder verstärkt in Unternehmen aus den Krisenstaaten zu investieren.
Zahlungsbilanzdefizite gehen zurück
Bargel und Heidrich halten die Ankündigung von EZB-Präsident Mario Draghi aus dem Sommer 2012, ein neues Ankaufprogramms für Staatsanleihen ankurbeln zu wollen, für den wesentlichen Auslöser der sich aufhellenden Stimmung: „In Verbindung mit dem Rettungsfonds ESM, der Anfang Oktober in Kraft trat, stehen damit wirkungsvolle Instrumente zur Eindämmung der Staatsschuldenkrise im Euroraum zur Verfügung.“ Aber auch in fundamentalen Bereichen erkennen die Volkswirte klare Fortschritte. Die Zahlungsbilanzdefizite – die sogenannten Target2-Salden – seien beispielsweise von mehr als 750 Milliarden Euro in der Spitze auf gut 650 Milliarden Euro im Herbst 2012 geschrumpft: „In erster Linie spiegeln die rückläufigen Salden im Targe2-System eine Verbesserung der Leistungsbilanzsalden in den Peripheriestaaten der Eurozone wieder.“ Neben den infolge der Rezession gesunkenen Importen hätten insbesondere die zur Bekämpfung der Krise eingeleiteten Sparmaßnahmen sowie die angestoßenen Strukturreformen die Wettbewerbsfähigkeit der angeschlagenen Staaten verbessert.
Das Risiko bleibt hoch
„Bei allen Fortschritten im politischen und wirtschaftlichen Umfeld ist es für eine endgültige Entwarnung aber zu früh“, geben die Autoren zu bedenken. „Denn die Defizite der öffentlichen Haushalte sind in fast allen Staaten der Eurozone nach wie vor zu hoch.“ Gleichzeitig befänden sich auch die ausstehenden Staatsschulden in einigen Ländern auf einem Niveau, das auf Dauer kaum tragbar seien dürfte. Die wirtschaftliche Entwicklung werde das größte Risiko darstellen. „Sollten sich die rezessiven Tendenzen in den betroffenen Staaten noch für längere Zeit fortsetzen, wird es kaum möglich sein, die vereinbarten Defizitziele in den kommenden Jahren zu erreichen“, befürchten Bargel und Heidrich. „Der Gang weiterer Staaten zum ESM oder die Aufstockung bestehender Hilfsprogramme wäre in diesem Fall sehr wahrscheinlich.“
Diesen Beitrag teilen: