Capital Group: Ein guter Zeitpunkt für Lokalwährungsanleihen

In diesem Interview spricht Kirstie Spence, Portfoliomanagerin der Capital Group für Emerging-Market-Anleihen, über ihren Ausblick für die Assetklasse und ihre Einschätzung des Lokalwährungsanleihenmarktes.

14.03.2018 | 09:24 Uhr

Ist jetzt ein guter Zeitpunkt für Emerging-Market-Anleihen?

Die Zeiten sind vorbei, in denen man Emerging-Market-Anleihen einfach nur kaufte oder verkaufte. Der Markt hat sich entwickelt. Heute kann man ein Portfolio zusammenstellen, das auf verschiedenste weltweite Entwicklungen, aber auch auf binnenwirtschaftliche oder einzelwertspezifische Faktoren angemessen reagiert. Bei der Capital Group stehen uns so viele Märkte zur Verfügung, dass wir letztlich jede beliebige Makroeinschätzung umsetzen und das Portfolio entsprechend positionieren können. Es gibt Zeiten, in denen die Korrelationen zwischen den einzelnen Märkten hoch sind und man kaum noch Unterschiede sieht. Meist können wir aber differenzieren – zwischen Ländern mit fundamentalen Problemen und solchen, die bei einem Ausverkauf nur mitgezogen werden.

Wo sehen Sie an den Emerging Markets Mehrwertchancen?

Die gute Weltwirtschaft – stabiles Wachstum bei niedriger Inflation – und bessere Fundamentaldaten haben Emerging-Market-Anleihen in den letzten zwei Jahren genützt. US-dollardenominierte Titel scheinen jetzt zwar ein wenig teuer, doch bei Lokalwährungsanleihen sehen wir aus mehreren Gründen noch Chancen.

Da ist zum einen die Zinsdifferenz: In manchen Industrieländern sind die Renditen noch immer negativ. In  den Emerging Markets sind aber 5 % bis 6 % üblich. Zum anderen ist die Geldpolitik in den Industrieländern noch immer verzerrt. In den Emerging Markets sehen die Zinsstrukturkurven aber so aus, wie man es gewohnt ist – meist mit positiver Steigung und Realrenditen über null. Die Geldpolitik ist dabei durchaus vorausschauend; die Notenbanken wollen die Inflation senken oder kontrollieren. Schließlich sind einige Emerging-Market-Währungen so niedrig bewertet wie seit mehreren Jahren nicht mehr, und allein das macht sie schon attraktiv. Unser Modell für den fundamentalen Gleichgewichtswechselkurs, das sogenannte FEVER-Modell, zeigt, dass die meisten Emerging-Market- Währungen weitgehend fair oder sogar leicht unterbewertet sind.

Wie sind Sie in Lokalwährungsanleihen positioniert?

Noch vor nicht allzulanger Zeit hatten wir bei Lokalwährungsanleihen auf eine lange Duration gesetzt, weil die Zinsstrukturkurven eine recht starke positive Steigung hatten. Grundsätzlich gilt das noch immer, aber es gibt auch zwei neue Entwicklungen: In vielen Ländern – Mexiko ist ein gutes Beispiel – sind die Zinsstrukturkurven 2017 wesentlich flacher geworden. Daher haben wir das Durationsrisiko etwas verringert, insbesondere auch wegen des Ausverkaufs der Währung.

An vielen neuen Märkten haben sich unterdessen gerade erst die Renditenniveaus etabliert, nicht selten nach Währungsabwertungen. Dies war etwa in einigen afrikanischen Ländern der Fall. Alles in allem hüte ich mich hier vor einer zu langen Duration, da die Zinsstrukturkurven flach oder gar invertiert sind.

Was halten Sie zurzeit von dollardeno- minierten Anleihen?

Für US-Dollar-Anleihen aus den Emerging Markets bin ich weniger optimistisch. Nach zahlreichen Herabstufungen sind die Titel des EMBIGD[1] Investmentgrade-Assetklasse mehr. Insbesondere die Kreditqualität größerer Investmentgrade-Emittenten dürfte sich weiter verschlechtern. Und doch sind die Spreads von Fremdwährungsanleihen auf ihren Nachkrisendurchschnitt zurückgegangen.

Dennoch gibt es noch einzelne günstig bewertete Titel – insbesondere im Nahen Osten, etwa aus dem Irak und aus Bahrain. Hier werden neue Anleihen begeben, und im Fünfjahressegment lässt sich durchaus ein ordentlicher Zinsaufschlag verbuchen. Man ist also nicht gezwungen, neben Kreditrisiken auch Durationsrisiken einzugehen.

Bei Dollaranleihen finde ich einen “Barbell-Ansatz“ [2] interessant. So kann ich bei kürzeren Laufzeiten höhere Spreadrisiken eingehen und zugleich bei möglicherweise sichereren Titeln (etwa aus Mexiko) auf eine höhere Duration setzen.

Wie schätzen Sie die Risiken der Assetklasse ein?

Anfang 2017 und ganz sicher 2016 gab es meiner Ansicht nach eine Reihe wichtiger Extremrisiken, etwa den Brexit, die Wahlen in Frankreich, die chinesische Konjunktur, die Politik  von Präsident Trump und die Art und Weise, wie die Fed die amerikanische Geldpolitik gestrafft hat. All dies  hatte Auswirkungen auf die Emerging Markets – weniger aufgrund seiner fundamentalen Relevanz, sondern weil die Märkte Unsicherheit generell nicht mögen. Fast alle diese Unsicherheiten haben sich aber jetzt verflüchtigt. Die Risiken durch Wahlen – beispielsweise in den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Argentinien – sind weitgehend verschwunden. Die Fed hat sehr klar gesagt, welche Geldpolitik sie anstrebt (was in den Kursen weitgehend berücksichtigt ist), und die chinesische Konjunktur scheint ausreichend stimuliert worden zu sein, damit die Wirtschaft weiter moderat wächst. Die Extremrisiken haben sich meist nicht bewahrheitet, und das Makroumfeld ist wirklich gut. Jetzt haben wir es eher mit länderspezifischen und binnenwirtschaftlichen Risiken zu tun.

Noch immer sind viele Emerging Markets hoch verschuldet. Halten Sie das für ein Risiko?

Im Großen und Ganzen steigt die Verschuldung der Schwellenländer mit zunehmendem Entwicklungsstand. Wenn Volkswirtschaften strukturelle Fortschritte machen, nehmen meist  die Schulden zu, weil mehr Kredite aufgenommen werden. Zu einem Problem wird das erst, wenn ein bestimmter Grenzwert überschritten wird. In den Industrieländern lag die kritische Schwelle meist bei etwa 100% des Bruttoinlandsprodukts, aber die Emerging Markets sind noch weit davon entfernt. Schulden können aber zu einem Problem werden, wenn sie kurzfristig, in Fremdwährungen denominiert oder in bestimmten Teilen der Wirtschaft konzentriert sind. Gestiegen sind aber nicht nur die Schulden der Schwellenländer, sondern auch ihre Laufzeiten. In einigen Ländern ging die Auslandsverschuldung zugunsten von Inlandsschulden zurück, und nicht selten kam es zu einer stärkeren Streuung der Gläubigerländer und der Wirtschaftsbereiche, die das Fremdkapital aufnehmen (wie Haushalte und Unternehmen). So richtig es ist, die Gesamtverschuldung im Blick zu behalten, so unwahrscheinlich ist meiner Ansicht nach in nächster Zeit eine Finanzkrise.

Wie gehen Sie mit Ausverkäufen am Markt und möglichen Dominoeffekten um?

Heute gibt es nicht mehr die ausgeprägten Dominoeffekte von früher, die zur Tequilakrise 1994, zur Russlandkrise 1998 oder zum Zahlungsausfall Argentiniens im Jahr 2001 führten. All dies hatte mit festen Wechselkursen zu tun. Als die Währungen dann endlich abwerteten, kam es quasi über Nacht zu massiven Schuldenkrisen. In diesem Monat kam es in Venezuela zu einem Zahlungsausfall, der kaum auf andere Länder übergriff. 

Noch immer passiert es aber, dass Stimmungskrisen auf andere Länder übergreifen, etwa beim Taper Tantrum im Jahr 2013. Viele Investoren positionieren sich dann passend zur erwarteten Notenbankpolitik. Ich halte es hingegen für sinnvoller, mögliche geldpolitische Szenarien zu betrachten und dann zu berechnen, wie sich mein Portfolio jeweils entwickelt. Mein Ziel ist ein Portfolio, das sich bei unterschiedlichen Entwicklungen recht stabil hält.

Weil die Capital Group eine längerfristige Perspektive einnehmen kann, können wir volatile Marktphasen recht gut überstehen. Mit unserer ausgeprägten Researchkompetenz wollen wir Anleihen identifizieren, die sich bei nachlassender Volatilität wieder erholen. Beim Taper Tantrum habe ich jedes einzelne Land betrachtet, um mir ein Bild davon zu machen, ob es seine Schulden zurückzahlen kann, ein Inflationsschock in Sicht ist, der die inländischen Renditen stark beeinflussen kann, und ob inländische oder ausländische Investoren die Reißleine ziehen würden.

Den vollständigen Beitrag inklusive der Enschätzung zu einzelnen Schwellenländern können Sie hier downloaden.

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