Vor dem Hintergrund der Verschärfung der Bedrohungslage für die physische und IT-Integrität werden die Investitionen in die Gefahrenabwehr tendenziell steigen und das Anlagethema "Sicherheit" begünstigen.
04.04.2022 | 08:58 Uhr
Thematische Anlagestrategien haben in den vergangenen fünf Jahren einen nie zuvor gesehenen Boom erlebt, der die beiden vorangehenden Hochphasen des Interesse an Themenfonds um die Jahrtausendwende und vor der grossen Finanzkrise vor etwa elf Jahren weit in den Schatten steht.
Einer der grossen Favoriten – neben Clean Energy und Internetunternehmen – war
auch das Anlagethema „Sicherheit“. Angetrieben von einer rapiden Zunahme von
Bedrohungslagen für die physische und IT-technische Unversehrtheit, stieg auch
das Interesse an Unternehmen, die Lösungen für diese Herausforderungen
anbieten. Das Anlagethema führte über einige Jahre eher ein Schattendasein, da
man „Sicherheit“ mit negativen Gefühlen konnotierte und mental eher verdrängte,
als es zum Investmentthema zu machen. Wir machten die Erfahrung, dass das
Interesse seitens der Investoren mit jedem terroristischen Angriff auf unsere
westliche Lebensweise und mit jedem größeren Cyberangriff verstärkte. Die
Gefahrenabwehr rückte verstärkt in den Blickpunkt, und zwar bei Unternehmen,
Privathaushalten und Regierungen gleichermassen.
Der Charme dieses Anlagethemas ist rasch auf den Punkt gebracht: Einerseits handelt es sich auf Grund der zuvor genannten Entwicklungen um ein wahrliches Wachstumsthema, da Ausgaben für die Abwehr von Cyber- und physischen Gefahren zuvor eine untergeordnete Rolle in den Budgets der Unternehmenswelt spielten. Mithin ein gewisser Nachholbedarf besteht (und noch besteht). Andererseits sind die Auswirkungen eines Angriffs auf Infrastruktur oder IT-Systeme so prohibitiv teuer oder sogar existenzgefährdend, dass der Schutz der Integrität beinahe jede Ausgabe rechtfertigt. Dem entsprechend gut sind die Preissetzungsmacht und die Stabilität der Erträge der Sicherheitsunternehmen. Was wiederum zu Bewertungsaufschlägen und guten Aktienperformances im Anlagethema führte. So weit, so nachvollziehbar.
Bisher profitierte das Thema „Sicherheit“ von einem gewissen Mass an Unsicherheit, die allerdings als „beherrschbar“ angesehen wurde. Denn man begegnet den Bedrohungen mit effektiven Sicherheitslösungen. In der jüngsten Zeit kommen allerdings Dimensionen von Unsicherheit ins Spiel – aus verschiedenen Richtungen – die einen tieferen Blick auf die Auswirkungen für das Anlagethema notwendig machen. Einige davon möchte ich hier kurz skizzieren.
Unsicherheitsfaktor 1: Die seit einem guten halben Jahr zu beobachtende Rotation von Wachstumswerten hin zu Value, einhergehend mit einer generellen Bewegung der Anleiherenditen nach oben. Traditionell hat das Sicherheitsthema eine Exposition zu Innovation und Technologie – da auch die Bedrohungen sich immer weiter entwickeln. Besonders der Bereich der Cybersicherheit zeigt hierbei die höchsten Wachstumsraten. Im Zuge des Favoritenwechsels der Anleger hin zu Value-Werten kamen Unternehmen unter Abgabedruck, die mit „Growth“ assoziiert werden, mithin auch aus dem hier besprochenen Anlagethema. Die Korrektur war, nicht zuletzt auf Grund der vergleichsweise stabilen Geschäftsmodelle, relativ weniger aufgeprägt als bei vielen aggressiveren Tech-Segmenten, man konnte in diesem Thema jedoch keine Mehrperformance gegenüber dem breiten Aktienmarkt erzielen. Diese Korrektur hat die Bewertungen deutlich nach unten gebracht, zumal die Ertragsaussichten sich nicht verschlechtert haben.
Unsicherheitsfaktor 2: Der seit einigen Wochen bestehende
kriegerische Konflikt in der Ukraine hat die Verunsicherung über unsere
Sicherheitslage massiv nach oben getrieben. Es besteht die Sorge, dass der
Westen als Antwort auf die verhängten wirtschaftlichen Sanktionen verstärkt mit
Cyberangriffen aus Russland überzogen wird, teilweise um ökonomischen Schaden
anzurichten und teilweise um die Stabilität der öffentlichen Meinung zu
untergraben. Andererseits schätzt man mittlerweile das Risiko einer Ausweitung
des militärischen Konflikts auf den Westen höher ein als jemals zuvor seit dem
Fall des Eisernen Vorhangs.
Wie entwickelt sich das Anlagethema in diesem Umfeld weiter?
Profitiert das Thema von der gestiegenen Unsicherheit und der Notwendigkeit,
sich vor Angriffen zu schützen? Hier gibt es aus unserer Sicht zwei Antworten.
Zum Einen vertreten wir die Auffassung, dass wie schon zuvor Rüstungsgüter und
„military contracting“ aus ethischen Überlegungen kein Bestandteil einer auf
Lösungen ausgerichteten Sicherheits-Anlagestrategie sein dürfen, selbst wenn
diese Fragen mittlerweile schon auf Ebene der Assetmanagement-Vereinigungen
diskutiert werden. Zum Anderen sehen wir, dass das Thema Sicherheit auch ohne
die Hinzunahme von Rüstung einen Rückenwind erfährt. Die Bedrohungen sind nach
wie vor vielfältig und kommen keineswegs nur aus Russland. Die Investitionen in
die Gefahrenabwehr werden tendenziell noch ansteigen, gang unabhängig von der
künftigen Entwicklung der Weltkonjunktur. Damit ist das Thema so relevant wie zuvor.
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