Pictet AM: Anleiheanlegerinnen und -anleger müssen den Volatilitätszyklus verstehen

Pictet AM: Anleiheanlegerinnen und -anleger müssen den Volatilitätszyklus verstehen
Anleihen

Die Anleihemärkte sind zunehmend volatil geworden, ein Trend, der sich weiter fortsetzen dürfte. Darauf müssen sich Anlegerinnen und Anleger einstellen.

25.04.2022 | 09:41 Uhr

Der jüngste Anstieg der Anleiherenditen hat bei den Anleiheanlegerinnen und -anlegern für Aufregung gesorgt. Die Verluste bei einem Anleihe-Referenzindex ausgehend von seinen Höchstständen 2021 übertreffen schon jetzt ihren Drawdown von fast 11% während der globalen Finanzkrise 2008. Darüber hinaus verschwindet diese Art von Volatilität nicht, im Gegenteil – sie ist in den letzten Wochen stark angestiegen. Investorinnen und Investoren müssen sich umstellen und einen anderen, aktiveren Ansatz für festverzinsliche Anlagen wählen.

Die Ära der unkonventionellen Geldpolitik, die die Renditen auf ein aussergewöhnlich niedriges Niveau drückte, geht zu Ende, ausgerechnet jetzt, wo die Inflation überall auf der Welt nach oben getrieben wird. Das deutet darauf hin, dass Anleihen nicht mehr der einst sichere Hafen für Anlegerinnen und Anleger sind. Besonders hoch sind die Risiken für diejenigen, die Wertpapiere mit längerer Laufzeit halten – die klassische Anlage für institutionelle Investorinnen und Investoren mit langfristigen Verbindlichkeiten, wie Pensionskassen.

Die Ursprünge dieser Problematik liegen 30 Jahre zurück. In dieser Zeit wurde die Finanzrepression immer stärker, die Zentralbanken hielten die Zinssätze bewusst unter der Inflationsrate. In der Folge wurden nicht nur die Renditen künstlich niedrig gehalten, sondern auch das Auf und Ab der Kredit- und Konjunkturzyklen war deutlich weniger ausgeprägt.

Als 2006 der damalige britische Premierminister Gordon Brown behauptete, er habe dem „Boom and Bust“-Zyklus ein Ende gesetzt, hatte er Recht – bis zu einem gewissen Punkt. Eine Nebenwirkung der Glättung dieser Zyklen durch eine sehr interventionistische Politik waren regelmässige starke Volatilitätsschübe. Dazu gehörten der Börsencrash 1987, die Wirtschafts- und Immobilienkrise in Japan, das Platzen der Technologieblase, die Staatsschuldenkrise, Grexit, Covid-19. Alle diese Episoden hatten gemeinsam, dass die Zentralbanken einschritten, um die Märkte zu „retten“. Die Folge waren Volatilitätszyklen, ausgelöst durch den Herdentrieb der Investoren und anschliessende Verknappung und Neubewertung am Markt.

Ein weiterer Nebeneffekt der Finanzrepression ist, dass die traditionellen Kreditmärkte stärker mit Aktien korrelieren und dadurch die Fehlermarge der Anlegerinnen und Anleger sinkt. Die künftigen Renditemerkmale von Anleihen werden daher nicht so günstig sein wie in den letzten vierzig Jahren. Hinzu kommen regelmässige Volatilitätsspitzen, sodass sich die Investorinnen und Investoren auf schwierige Zeiten gefasst machen müssen.

Wie sollten Anlegerinnen und Anleger angesichts dieser dramatischen Veränderungen bei der Auswahl von Anleihen und dem Portfolioaufbau vorgehen? In seinem Buch „Winning the Loser’s Game“ (1998) nutzte Charles Ellis die Analogie zum Sport, um aus dieser Perspektive an das Thema Geldanlage heranzugehen. Erfolgreiche Profisportler, so seine Argumentation, werden nur von Sportlern besiegt, die bessere Fähigkeiten haben. Im Gegensatz dazu werden Amateursportler durch schlechtes Spiel besiegt, wie z.B. falsche Aufschläge beim Tennis. Übertragen auf Geldanlagen sind Investorinnen und Investoren, die es schaffen, Fehler zu vermeiden – z.B. Renditen hinterherzujagen – und gleichzeitig sich bietende Chancen zu nutzen, in der Regel erfolgreich.

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Das gilt besonders jetzt. Es gibt unfassbar viele Anleiheanlegerinnen und -anleger, nicht zuletzt, weil die Zahl der verfügbaren passiven Produkte immer grösser wird. Das hat die Volatilität erhöht, da immer mehr Investoren gleichzeitig in den Markt einsteigen und wieder aussteigen, insbesondere börsengehandelte Fonds. In der Zwischenzeit hat sich die Kreditqualität von Unternehmen, die Anleihen emittieren, enorm verschlechtert. Infolgedessen sind die Risiken für die Investorinnen und Investoren deutlich gestiegen.

Der Gedanke, nicht mehr Renditen hinterherzujagen, dürfte Anlegerinnen und Anleger zunächst fremd sein. Das Risiko zu reduzieren, wenn die Bewertungen überzogen sind, und Chancen zu ergreifen, um Risiken einzugehen, während andere Investorinnen und Investoren ängstlich sind, ist in der Tat konträr. Doch diese völlig andere, wertorientierte Denkweise und objektive Einschätzung der Lage der Kreditmärkte bildet das stärkste Fundament, um diesen Volatilitätszyklen zu begegnen.

Die Covid-19-Pandemie und die Ereignisse im März 2020 sind Paradebeispiele. Viele High-Yield-Anleiheanlegerinnen und -anleger erlitten auf dem Höhepunkt der Krise erhebliche Verluste. Doch für diejenigen, die zuvor Massnahmen zur Risikominimierung ergriffen hatten und daher gut positioniert waren, das angebotene Wertpotenzial zu nutzen, standen viele hochwertige Anleihen zur Verfügung, die einige Prozentpunkte unter ihrem Nennwert notierten.

Interessanterweise erscheinen Investment-Grade-Anleihen heute besonders riskant. Das liegt daran, dass in diesem Teil des Marktes Entscheidungen über die Asset-Allocation mit sehr geringer Fehlermarge und relativ hohem generationsbezogenen Risiko, wie oben skizziert, getroffen werden. Im Gegensatz dazu sind die risikobereinigten Aussichten für die neuen Stars am Markt für Hochzinsanleihen – Unternehmen mit einem Rating unter Investment-Grade, deren finanzielle Aussichten sich mit der Zeit verbessern – weitaus positiver.

Angesichts des Verhaltens der Märkte in der letzten Zeit ist es unvermeidlich, dass es noch viele weitere intensive Volatilitätsschübe am Anleihemarkt geben wird, begleitet von starken Rückgängen vom höchsten zum tiefsten Punkt. Es ist bemerkenswert, dass die Volatilität von Anleihen zugenommen hat, obwohl es bei der Volatilität an den Aktienmärkten keine Ausschläge gab. Das ist sehr ungewöhnlich und nur wenige Anleiheanlegerinnen und -anleger dürften darauf vorbereitet gewesen sein (siehe Abb. 1).

Wir können zwar verschiedene potenzielle Risiken aufzählen, aber wir können nicht den einen ausschlaggebenden Katalysator benennen. Was wir jedoch tun können, ist, uns so zu positionieren, dass wir diese Ereignisse zu unserem Vorteil nutzen können, sobald sie eintreten. Das bedeutet, dass wir verstehen müssen, wo in der Vermögensallokation "Fair-Value" zustande kommt, und wir dann versuchen müssen, uns in puncto Gesamtrendite ein möglichst grosses Stück vom Kuchen zu sichern – aber ohne zu gierig zu sein und unnötig Renditen hinterherzujagen.


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