Robeco: Wie investieren bei Deflation, Inflation und Stagflation?

Analyse

Wenn die Inflation steigt, werfen Aktien und Multi-Asset-Portfolios üblicherweise weniger Rendite ab – insbesondere, wenn zugleich die Wirtschaft stagniert („Stagflation“).

30.08.2022 | 08:31 Uhr

Hingegen sind faktorbasierte Renditen relativ unabhängig vom jeweils herrschenden Inflationsumfeld, weshalb sie sich eignen, um die Renditen von Assetklassen über die verschiedenen Inflationsphasen hinweg zu diversifizieren.

In aller Kürze

  • Wir haben die verschiedenen Inflationsbedingungen im Zeitraum von 146 Jahren eingehend analysiert
  • Die Renditen von Aktien und Anleihen sinken üblicherweise, wenn die Inflation steigt, insbesondere, wenn zugleich die Wirtschaft stagniert („Stagflation“)
  • Faktorbasierte Investments erzielen konsistente Renditen unabhängig von der Inflation und eignen sich daher zur Diversifizierung

Nach drei Jahrzehnten, in denen die Inflation praktisch nicht vorhanden war, ist sie zuletzt umso stärker wieder in den Fokus der Anleger gerückt. Weltweit sind die Preise über das übliche Maß hinaus nach oben gegangen. Grund dafür ist ein Cocktail aus verschiedenen Faktoren, darunter die Wiedereröffnung der Wirtschaft nach der Coronapandemie, die erheblichen Lieferkettenstörungen, die stark steigenden Rohstoffpreise (insbesondere bei Gas und Öl) und der russische Einmarsch in der Ukraine.

Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, zu untersuchen, wie sich die Risikoprämien in den verschiedenen Inflationsphasen typischerweise verhalten – also beispielsweise in inflationären und deflationären Zeiten. Wir haben in unserer Studie1 die Performance von Assetklassen und von Faktoren anhand einer breit angelegten Stichprobe untersucht, die bis ins Jahr 1875 zurückreicht und somit viele und verschiedene Inflationsumfelder betrachtet.

Verhalten von Assetklassen unter verschiedenen Inflationsbedingungen

Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Inflation im Zeitverlauf schwankt und sich Phasen der Deflation, einer moderaten Inflation und einer erhöhten Inflation abwechseln. Zusätzlich gibt es Phasen, in denen eine hohe Inflation auf eine Rezession trifft („Stagflation“). Abbildung 1 zeigt den Inflationszyklus über unseren 146-jährigen Stichprobenzeitraum, wobei die grauen Balken eine Rezession anzeigen.

Abbildung 1 | Inflationszyklen über einen Zeitraum von 146 Jahren, Januar 1875 bis Dezember 2021

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Quelle: Die Grafik zeigt die Inflationszyklen von Januar 1875 bis Dezember 2021. Zur Berechnung der Inflation wurden die jährlichen VPI-Daten für Frankreich, Deutschland, Japan, Großbritannien und die USA von Datastream und MacroHistory herangezogen.

Um die Auswirkungen der Inflation auf die Renditen von Assetklassen und Faktoren zu bewerten, haben wir vier wesentliche Inflationsumfelder unterschieden: Deflation (<0 %), niedrige Inflation (0-2 %), leicht überschießende Inflation (2-4 %) und hohe Inflation (>4 %). Tabelle 1 zeigt die durchschnittlichen Jahresrenditen der traditionellen Assetklassen in den verschiedenen Inflationsumfeldern während unseres Stichprobenzeitraums.

Tabelle 1 |Renditen der Assetklassen in verschiedenen Inflationsumfeldern, Januar 1875 bis Dezember 2021

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Quelle: Die Tabelle zeigt die Renditen der Assetklassen unter den verschiedenen Inflationsbedingungen von Januar 1875 bis Dezember 2021. Für Aktien haben wir die Renditedaten des MSCI World-Index (bzw. für frühere Zeiträume die globalen wertgewichteten Aktienmarktrenditen) verwendet, siehe Baltussen, Swinkels und Van Vliet (2022). Für Anleihen haben wir die Renditedaten aus dem Bloomberg Global Treasury-Index (bzw. für frühere Zeiträume die BIP-gewichteten Anleiherenditen für französische, deutsche, japanische, britische und US-Anleihen) verwendet, siehe Baltussen, Swinkels und Van Vliet (2022). Für liquide Mittel haben wir die Renditedaten für kurzfristige US-Treasuries aus der Kenneth French-Datenbibliothek (bzw. für frühere Zeiträume Daten von Jeremy Siegel) verwendet. Zur Berechnung der Inflation wurden die jährlichen VPI-Daten für Frankreich, Deutschland, Japan, Großbritannien und die USA von Datastream und MacroHistory herangezogen. Alle Renditen sind in US-Dollar angegeben.

In deflationären Phasen erzielten demnach Aktien deutlich unter dem Durchschnitt des Stichprobenzeitraums liegende Nominalrenditen, jedoch aufgrund der negativen Inflation überdurchschnittliche Realrenditen. Liquide Mittel erzielten in einem solchen Umfeld ähnliche Ergebnisse und ebenfalls überdurchschnittlichen Realrenditen. Indessen verzeichneten Anleihen in diesem Umfeld ebenfalls überdurchschnittliche Nominalrenditen und deutlich überdurchschnittliche Realrenditen.

In Zeiten hoher Inflation erzielten alle Assetklassen positive Renditen, die bei Aktien und Anleihen jedoch unterdurchschnittlich ausfielen. Wichtig dabei ist, dass die Realrenditen in allen Assetklassen negativ waren, da der gestiegene Inflationsdruck nicht kompensiert werden konnte.

Phasen mit niedriger oder leicht überschießender Inflation spiegeln ein „Goldlöckchen“-Umfeld wider, von dem Risikoassets typischerweise profitieren und das während mehr als der Hälfte des Stichprobenzeitraums vorherrschte. Erwartungsgemäß verzeichneten Aktien in diesen Zeiträumen die stärkste Performance und robuste Nominal- und Realrenditen. Anleihen schnitten ebenfalls recht gut ab, mit etwa durchschnittlichen Nominal- und soliden Realrenditen. Dagegen fielen die Nominalrenditen bei Barmitteln unterdurchschnittlich aus, die Realrenditen jedoch positiv.

Anschließend haben wir die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Inflationsphasen auf ein klassisches Multi-Asset-Portfolio untersucht, das zu 60 % aus Aktien und zu 40 % aus Anleihen besteht. Wie Abbildung 2 zeigt, haben wir festgestellt, dass Phasen mit niedriger oder leicht überschießender Inflation („Goldlöckchen“) für Multi-Asset-Anleger sowohl nominal als auch real betrachtet die renditestärksten Phasen sind.

Abbildung 2 | Nominal- und Realrenditen eines klassischen Multi-Asset-Portfolios unter den verschiedenen Inflationsbedingungen, Januar 1875 bis Dezember 2021.

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Quelle: Die Grafik zeigt die Nominal- und Realrenditen eines Multi-Asset-Portfolios unter den verschiedenen Inflationsbedingungen von Januar 1875 bis Dezember 2021. Für Aktien haben wir die Renditedaten des MSCI World-Index (bzw. für frühere Zeiträume die globalen wertgewichteten Aktienmarktrenditen) verwendet, siehe Baltussen, Swinkels und Van Vliet (2022). Für Anleihen haben wir die Renditedaten aus dem Bloomberg Global Treasury-Index (bzw. für frühere Zeiträume die BIP-gewichteten Anleiherenditen für französische, deutsche, japanische, britische und US-Anleihen) verwendet, siehe Baltussen, Swinkels und Van Vliet (2022). Ein klassisches Multi-Asset-Portfolio umfasst 60 % Aktien und 40 % Anleihen und wird monatlich neugewichtet. Zur Berechnung der Inflation wurden die jährlichen VPI-Daten für Frankreich, Deutschland, Japan, Großbritannien und die USA von Datastream und MacroHistory herangezogen. Alle Renditen sind in US-Dollar angegeben.

n deflationären Phasen erzielten Multi-Asset-Portfolios eher magere Nominalrenditen, jedoch erheblich bessere Realrenditen. Indessen erwirtschafteten Multi-Asset-Strategien bei hoher Inflation solide Nominalrenditen, jedoch negative Realrenditen aufgrund der hohen Teuerungsraten.

Welche Auswirkungen hat das Inflationsumfeld auf Faktorprämien?

Die gleichen Analysen haben wir für Aktien- und Anleihen-Faktorprämien durchgeführt. Dies wird in den Abbildungen 3 und 4 veranschaulicht, wo die Faktorrenditen die Unterschiede in der Wertentwicklung zwischen einem Long-Portfolio (mit dem höchsten Faktorengagement) und einem Short-Portfolio (mit dem niedrigsten Faktorengagement) darstellen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Performance von Faktoren anders als die Performance von Assetklassen interessanterweise nicht wesentlich vom Inflationsniveau abhängt.

Abbildung 3 zeigt, dass ein Multi-Faktor-Aktienportfolio unter allen vier Inflationsbedingungen üblicherweise eine recht stabile Performance erzielt. Betrachtet man die einzelnen Faktoren, so stellt man in den verschiedenen Inflationsumfeldern indessen etwas stärkere Renditeschwankungen fest, jedoch nie eine Rendite, die übermäßig von den langfristigen Durchschnittswerten abweicht.

Abbildung 3 | Aktienfaktorprämien in verschiedenen Inflationsumfeldern von Januar 1875 bis Dezember 2021

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Quelle: Die Tabelle zeigt die Renditen der Aktienfaktoren unter den verschiedenen Inflationsbedingungen von Januar 1875 bis Dezember 2021. Für die Aktienfaktoren haben wir Daten aus der Kenneth French-Datenbibliothek sowie die Daten und Methodik von Baltussen, Van Vliet und Van Vliet (2022)2 verwendet. Die Anleihefaktor-Renditen basieren auf den Renditespreads zwischen den Faktorportfolios für US-Aktien im obersten und im untersten Quintil. Zur Berechnung der Inflation wurden die jährlichen VPI-Daten für Frankreich, Deutschland, Japan, Großbritannien und die USA von Datastream und MacroHistory herangezogen. Alle Renditen sind in US-Dollar angegeben.

Bei den Anleihefaktoren ergab sich ein ähnliches Bild, da sie in allen vier Inflationsumfeldern positive Renditen erzielten (Abbildung 4). Zugleich erzielte das Multi-Faktor-Anleiheportfolio in allen Phasen durchweg gute Ergebnisse. Auf Ebene der Einzelfaktoren waren die Renditeschwankungen in den verschiedenen Inflationsumfeldern höher, was auf eine gute Diversifizierung eines Multi-Faktor-Anleiheportfolios hinweist.

Abbildung 4 | Anleihefaktorprämien unter den verschiedenen Inflationsbedingungen, Januar 1875 bis Dezember 2021



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Quelle: Die Tabelle zeigt die Renditen der Anleihefaktoren unter den verschiedenen Inflationsbedingungen von Januar 1875 bis Dezember 2021. Für die Anleihefaktoren haben wir die Daten von Baltussen, Martens und Penninga (2022)3 und die Methodik des letzteren verwendet. Die Anleihefaktor-Renditen basieren auf den Renditespreads zwischen den Faktorportfolios im obersten und im untersten Quintil. Zur Berechnung der Inflation wurden die jährlichen VPI-Daten für Frankreich, Deutschland, Japan, Großbritannien und die USA von Datastream und MacroHistory herangezogen. Alle Renditen sind in US-Dollar angegeben.

Assetklassen geraten bei Stagflation üblicherweise unter Druck, während Faktoren für gewisse Stabilität sorgen

Wenngleich die Ergebnisse in den einzelnen Inflationsszenarien unterschiedlich ausfallen, sind sie besonders bemerkenswert in Phasen, in denen eine hohe Inflation auf eine Rezession trifft („Stagflation“). Deshalb haben wir untersucht, wie sich eine Stagflation auf die Renditen der Assetklassen und die Faktorprämien auswirkt. Dabei haben wir festgestellt, dass Aktien in Stagflationsphasen mit einer Nominalrendite von -7,1 % und einer Realrendite von -16,6 % besonders schlecht abschneiden. Dies deutet darauf hin, dass Aktien in solchen Phasen kaum für ein robustes Portfolio sorgen können.

Anleihen erzielten in einem solchen Umfeld etwas bessere Ergebnisse, da die Assetklasse üblicherweise von sinkenden Zinsen profitiert. Während der stagflationären Phasen erzielten Anleihen eine Nominalrendite von 5,1 %, jedoch bedingt durch die hohe Inflation eine deutlich negative Realrendite von -4,4 %. Insgesamt schnitt ein klassisches Multi-Asset-Portfolio in diesem Szenario mit Nominal- und Realrenditen von -2,2 % bzw. -11,7 % eher schwach ab.

Bei Faktorprämien ergibt sich ein anderes Bild. Multi-Faktor-Aktien- und Multi-Faktor-Anleiheportfolios erzielten in diesem Umfeld ein Plus von 5,4 % bzw. 4,7 %. Darüber hinaus verbuchten sämtliche Aktien- und Anleihefaktoren während einer Stagflation solide Ergebnisse – mit Ausnahme des Momentum-Faktors für Anleihen, der während dieser Phase ins Minus rutschte. Zusammenfassend entwickelten sich Aktien- und Anleihefaktoren auch in Zeiten der Stagflation stabil, weshalb sie in diesen Phasen eine gewisse Absicherung vor Renditerückgängen in den Assetklassen boten.

Fazit

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Renditen von Assetklassen in verschiedenen Inflationsumfeldern stark variieren. Ein Umfeld mit Deflation oder moderater Inflation führt bei Aktien und Anleihen insgesamt zu positiven Nominal- und Realrenditen, während die Realrenditen in Phasen mit erhöhter Inflation, und insbesondere bei einer Stagflation, erheblich sinken.

Hingegen entwickeln sich Faktorprämien für Aktien und Anleihen im Allgemeinen über alle Inflationsphasen hinweg robust, wobei die Renditen unter den verschiedenen Inflationsbedingungen nur marginal variieren. Auch wenn dies wenig spektakulär scheinen mag, bedeutet es doch, dass Faktoranleger in einem inflationären Umfeld durchschnittlich weniger stark unter Druck geraten. Wir kommen daher zu dem Schluss, dass Faktoren dazu beitragen können, die Verluste in inflationären Zeiten zu beschränken – auch wenn sie das Portfolio nicht perfekt gegen die hohe Inflation abzusichern vermögen.

Ganzes Research-Papier lesen

1 Baltussen, G., Swinkels, L. und Van Vliet, P., Juni 2022, „Investing in Deflation, Inflation, and Stagflation Regimes“, SSRN-Arbeitspapier.
2 Baltussen, G., Van Vliet, B. und Van Vliet, P., März 2022, „The cross-section of stock returns before 1926 (and beyond)“, SSRN-Arbeitspapier.
3 Baltussen, G., Martens, M. und Penninga, O., Januar 2022, „Factor Investing in Sovereign Bond Markets: Deep Sample Evidence“, Journal of Portfolio Management.


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