Capital Group Ausblick: Besseres Umfeld für europäische Aktien zu erwarten

Aktienmarkt

Für das Jahr 2020 rechnen Carl Kawaja (Portfoliomanager), Robert Lind (Ökonom) und Jens Søndergaard (Währungsanalyst) von Capital Group mit einem stärkeren wirtschaftlichen Umfeld als im aktuellen Jahr – vorausgesetzt gewisse Bedingungen treten ein.

22.10.2019 | 10:11 Uhr

Im Jahr 2019 hätten insbesondere der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie die Unsicherheiten eines möglichen Brexits die europäische Wirtschaft eingetrübt. Vor allem erstgenannte Spannungen träfen das verarbeitende Gewerbe in Deutschland nach wie vor erheblich. Im zweiten Quartal sei die deutsche Wirtschaft bereits um 0,1 Prozent geschrumpft und wenn die Zahlen des dritten Quartals veröffentlicht werden, würde sie vermutlich weiter geschrumpft sein. Damit würde Deutschland – Europas größte Volkswirtschaft – unmittelbar auf eine Rezession zugehen, wenn man diese als zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum definiere. 

Eine Trendumkehr sei aber laut Lind möglich, wenn ein Friedensschluss im globalen Handelskonflikt gefunden würde, wenn die fiskalpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) Wirkung zeigten und wenn eine Resolution in Bezug auf den Brexit verabschiedet würde. Sein Ausblick dazu ist verhalten positiv: „Im Großen und Ganzen denke ich, dass die europäische Wirtschaft im Jahr 2020 allmählich Anzeichen einer Besserung zeigen sollte, da einige politische Risiken nachlassen und sich eine lockere Geld- und Fiskalpolitik durch das System zieht.“ Vertreter der EZB hätten bereits angekündigt, ein monatliches Anleihenkaufprogramm in Höhe von 20 Milliarden Euro auf den Weg bringen zu wollen, der Leitzins sei im September von -0,4 Prozent auf -0,5 Prozent gesenkt worden und die designierte EZB-Präsidentin Christine Legarde mache den Eindruck, die expansive Politik ihres Vorgängers, Mario Draghi, fortsetzen zu wollen.   

Zusätzlichen Rückenwind könnte die Wirtschaft laut Søndergaard durch Währungseffekte erhalten. Seit der Zinssenkung durch die EZB im September habe sich der Euro gegenüber dem US-Dollar weiter abgeschwächt und damit einen bereits seit Jahren anhaltenden Trend fortgesetzt. „Der Dollar ist gegenüber dem Euro deutlich überbewertet“, sagt Søndergaard. „Sobald sich dieser Trend umkehrt, könnte dies für einen guten Rückenwind für auf Euro lautende Vermögenswerte sorgen. Für die Jahre 2020 und 2021 rechne der Experte wegen des sich voraussichtlich verlangsamenden Wirtschaftswachstums ebenfalls mit einem sich abschwächenden US-Dollar. Allerdings deutet er auch darauf hin, dass Währungsbewegungen bekanntermaßen schwer vorherzusagen seien. Kurzfristig könnte der Euro weiter fallen, da sich die US-amerikanische und die europäische Wirtschaft auseinanderbewegten. In einer Welt mit negativen Zinssätzen, seien die relativen Anleiheflüsse und die relativen Wachstumserwartungen wichtige Treiber der Währungsbewegungen – das Verhältnis zwischen Zinssätzen und Währungen habe hingegen an Bedeutung verloren. „Die große Frage ist also, ob sich der Euro erholen kann, wenn sich die US-Wirtschaft abschwächt“, so Søndergaard. „Das bleibt abzuwarten.“  

Laut Kawaja sei Europa auch trotz wirtschaftlicher Gegenwinde oder vielleicht genau auf Grund dessen ein klassischer Aktienmarkt. Insbesondere die Fundamentaldaten seien für Anleger relevant, da nicht davon auszugehen sei, dass ein Wirtschaftswachstum die Aktienkurse anheben werde. „In diesem Umfeld der Unsicherheit finden sich auch Opportunitäten“, sagt Kawaja. „In Europa mangelt es nicht an Möglichkeiten – sowohl nach Wachstumsperspektiven als auch aus Bewertungssicht.“ Positiv bewertete Aktien fänden sich insbesondere in der Automobilbranche. Wachstumspotenziale bestünden bei Unternehmen, die für Disruptionen in ihren Branchen sorgen könnten. „Wichtig ist, dass europäische Aktien in diesem Jahr zwar hinter den US-Aktienmärkten zurückgeblieben sind, insgesamt jedoch durchaus solide waren“, sagt Kawaja. Obwohl das europäische Wirtschaftswachstum im Jahr 2019 bislang enttäuschend war, hätten die Anlageerträge einen deutlich anderen Kurs eingeschlagen „Das erinnert daran, dass Wirtschaft und Börse nicht immer auf einer Seite stehen und sich auch in schwierigen wirtschaftlichen Phasen, Renditen erzielen lassen.“

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