• DAX----
  • ES50----
  • US30----
  • EUR/USD----
  • BRENT----
  • GOLD----

Warum viele DAX-Konzerne beim ESG-Risikomanagement noch hinterherhinken

Noch nicht alle DAX-Unternehmen haben ESG-Risiken ine Risikomanagement integriert.
Dax

Fast alle DAX-Unternehmen setzen inzwischen auf die doppelte Wesentlichkeitsanalyse. Doch eine neue Studie zeigt: Viele Konzerne erkennen ESG-Risiken zwar auf dem Papier – integrieren sie aber noch nicht konsequent ins Risikomanagement. Wo die größten Lücken liegen und warum das zum Problem werden kann.

18.12.2025 | 08:00 Uhr

Fast alle DAX-Unternehmen haben sie eingeführt – doch nur wenige nutzen ihr volles Potenzial: Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse (DMA) gilt als Herzstück der neuen ESG-Berichterstattung nach CSRD. Eine aktuelle Studie des Global ESG Monitor (GEM) zeigt jedoch, dass zwischen Anspruch und Realität noch eine erhebliche Lücke klafft.

Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD: Quantensprung mit Einschränkungen 

87 Prozent der Unternehmen aus der DAX-Familie haben inzwischen eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt – ein Plus von 37 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Damit ist die DMA faktisch zum Standard geworden. Für viele Unternehmen markiert sie einen Wendepunkt: Mehr als die Hälfte hat dadurch zusätzliche Risiken und Auswirkungen identifiziert, die zuvor nicht im Fokus standen. Gleichzeitig hat knapp ein Viertel der Unternehmen Themen bewusst gestrichen – ein Zeichen strategischer Priorisierung statt bloßer Materialsammlung. 

Die Analyse von insgesamt 151 börsennotierten Unternehmen aus der DAX-Familie zeigt: Die DMA verändert das Risikobewusstsein spürbar. Sie zwingt Unternehmen, Nachhaltigkeit nicht nur aus der Impact-Perspektive, sondern auch aus der finanziellen Risikosicht zu betrachten – genau das verlangt die EU-Regulatorik. 

Chemiesektor im Realitätscheck: Umweltverschmutzung als blinder Fleck? Doch wie belastbar sind die Ergebnisse? 

Der Global ESG Monitor hat die unternehmenseigenen Bewertungen mit externen Stakeholder-Perspektiven abgeglichen – unter anderem anhand einer Datenbank, die von Banken und Versicherern zur Bewertung naturbezogener Risiken genutzt wird. Besonders deutlich werden die Diskrepanzen im Chemiesektor: Während externe Datenquellen 21 wesentliche Pollution-Risiken identifizieren, stuft etwa die Hälfte der Chemieunternehmen Umweltverschmutzung nicht als wesentlich ein. Warum diese Risiken intern nicht höher gewichtet werden, bleibt aus dem Reporting oft unklar. Ariane Hofstetter, Co-Founderin des Global ESG Monitor, sieht darin eine verpasste Chance: „Wer solche Diskrepanzen früh erkennt, kann sie im Bericht einordnen, im Dialog mit Stakeholdern klären oder die eigene Bewertung noch einmal kritisch prüfen.“ 

Langfristige Naturrisiken treffen auf kurzfristige Steuerungssysteme 

Ein strukturelles Problem liegt in den Zeithorizonten. Rund 60 Prozent der naturbezogenen Risiken wirken mittel- bis langfristig – klassische Risikomanagementsysteme sind jedoch meist auf kurzfristige finanzielle Effekte ausgerichtet. Hinzu kommen indirekte Wirkungsketten über Lieferanten, Regulierung oder Marktveränderungen. Die Integration dieser Risiken erfordert ein Umdenken: Statt paralleler Systeme braucht es Frühindikatoren, die langfristige ESG-Risiken in kurzfristig steuerbare Signale übersetzen. Genau hier tun sich viele Unternehmen schwer. 

Integration ins Risikomanagement: Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander 

Mehr als die Hälfte der DAX-Unternehmen gibt an, Nachhaltigkeitsrisiken vollständig ins Risikomanagement integriert zu haben. Doch nur 36 Prozent belegen dies durch konsistente Darstellungen in Nachhaltigkeitsbericht und Risikobericht. Für externe Stakeholder wird das schnell zum Problem: Wenn etwa Wasserknappheit im Sustainability Statement auftaucht, Produktionsausfälle jedoch isoliert im Risikobericht behandelt werden, bleiben Zusammenhänge und Kaskadeneffekte verborgen. Die Studie beziffert diese Diskrepanz auf 23 Prozentpunkte – ein klares Signal für ein sogenanntes „Integration Gap“. 

Drei Reifestufen der Wesentlichkeitsanalyse 

Aus den Ergebnissen leitet der Global ESG Monitor drei Entwicklungsstufen ab: 

  • Adopted: 87 Prozent haben eine DMA durchgeführt. 
  • Complete: Externe Validierung deckt sektorspezifische Lücken auf. 
  • Integrated: Nur 36 Prozent integrieren ESG-Risiken nachvollziehbar ins Risikomanagement. 

Die Mehrheit der Unternehmen befindet sich noch auf der ersten Stufe. Der Weg von der regulatorischen Pflichterfüllung zur strategischen Steuerung ist also noch weit. 

Fazit: 

Von der Pflicht zur Führungsaufgabe Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist gekommen, um zu bleiben. Doch die Studie macht deutlich: Erst die konsequente Integration ins Risikomanagement entscheidet über ihren Mehrwert. Für Vorstände und Aufsichtsräte wird ESG damit endgültig zur Führungsaufgabe – nicht nur aus regulatorischer Sicht, sondern als zentraler Bestandteil unternehmerischer Resilienz. (jk)

Diesen Beitrag teilen: