Europa leidet unter politischer Unsicherheit. Robert Lind, politischer Volkswirt bei Capital Group, ist sich jedoch sicher, dass international ausgerichtete Unternehmen aus Europa profitieren werden – vorausgesetzt die Weltwirtschaft bleibt stabil.
15.01.2019 | 13:45 Uhr
Das Umfeld in Europa ist kompliziert: Die Verhandlungen über den Brexit
befinden sich in der entscheidenden Phase, vor dem offiziellen Austrittsdatum
im März 2019 kann jedoch noch viel passieren und die italienischen
Staatsfinanzen geben Anlass zur Sorge. Zudem haben nationalistische und
populistische Bewegungen das Potenzial überall in Europa bei den Europawahlen
im Mai 2019 an Macht zu gewinnen. Zugleich hat die Europäische Zentralbank
(EZB) ihr Quantitative Easing Ende 2018 beendet. „Bei den Zinsen gehen wir
davon aus, dass diese bis Sommer 2019 unverändert bleiben“, so Lind. „Wenn sich
Wachstum und Inflation wie erwartet entwickeln, dürfte die EZB die Zinsen aber
Ende 2019 leicht anheben.“ Im Gegensatz dazu würde die Bank of England die
Zinsen wohl gerne anheben, hat diesen Schritt aber bislang aufgrund der
Unsicherheit rund um den Brexit gemieden. Hier dürfte erst eine Entscheidung
fallen, wenn die zukünftigen Beziehungen zur Europäischen Union klarer werden.
Trotz der politischen Unsicherheit und ihrer großen Bedeutung für die Stimmung ist Lind sicher: „Wenn die Weltwirtschaft stabil bleibt, dürften viele international ausgerichtete europäische Unternehmen davon profitieren. Vor allem europäischen Banken und zyklischen Industrieunternehmen kämen optimistischere Weltwirtschaftserwartungen entgegen.“ Derzeit prognostiziert der Internationale Währungsfonds für 2019 ein recht ordentliches Weltwirtschaftswachstum von 3,7 Prozent.
Positiv ist auch, dass europäische Aktien in vielen Sektoren niedriger bewertet sind als US-amerikanische Titel. „In Europa ist die politische Risikoprämie höher als in den USA, doch es gibt auch Chancen“, sagt Lind. Gute Beispiele für günstig bewertete europäische Unternehmen sind der Flugzeughersteller Airbus und sowie der deutsche Sportartikelhersteller Adidas, die gegenüber ihren amerikanischen Pendants Boeing und Nike niedrigere Bewertungen besitzen. „Die Unternehmen haben stabile Finanzen und gute Langfristperspektiven“, erläutert der Experte. „Ihre niedrige Bewertung hat viel mit dem Land, in welchem sie ihren Sitz haben, zu tun.“ Trotzdem bleibt es dem Volkswirt zufolge wichtig selektiv zu sein, um erfolgreiche Titel in Europa zu identifizieren.
Weitere aktuelle Einschätzungen zum Ausblick 2019 finden Sie im Paper „Outlook: Langfristige Markt- und Wirtschaftsperspektiven“.
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