Capital Group: Geht die Ära des leichten Geldes zu Ende?

Capital Group: Geht die Ära des leichten Geldes zu Ende?
Zinsen

Seit über 40 Jahren bewegen sich die Zinssätze nach unten. Das verlieh den Anlegern kräftigen Rückenwind für einen der spektakulärsten Bullenmärkte der Geschichte. Was aber passiert, wenn die Zinsen plötzlich steigen, weil die Inflation so hoch ist wie seit den 1980er nicht mehr? Das werden wir gleich erfahren.

03.05.2022 | 10:12 Uhr

Nachdem die US-Notenbank und viele andere Zentralbanken auf der ganzen Welt angekündigt haben, die Zinssätze zu erhöhen und die Konjunkturprogramme zurückzufahren, stehen die Anleger vor einer entscheidenden Frage: Geht die Ära des leichten Geldes zu Ende? Wie so oft an den Finanzmärkten ist die Antwort kein einfaches Ja oder Nein.

„Vermutlich bedeutet dies das Ende des billigen Geldes, aber ich glaube nicht, dass es das Ende des leichten Geldes ist", sagt David Hoag, ein eifriger Beobachter der Fed und Portfoliomanager. „Die Zentralbanken werden tun, was sie tun müssen, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen, aber ich glaube nicht, dass sie allzu weit gehen können, ohne dass die Realwirtschaft Schaden nimmt.“

Im freien Fall: In der Ära des leichten Geldes sind die Zinssätze stark gesunken

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Die Fed etwa dürfte den Leitzins nicht einmal annäherungsweise auf den langfristigen historischen Durchschnitt von knapp unter 5,0 % anheben, so Hoag. Der Leitzins der Fed – an dem sich die Tagesgeldausleihungen unter den US-Banken orientieren und der viele andere Formen der Kreditaufnahme beeinflusst – bewegt sich nach der Zinserhöhung im letzten Monat derzeit in einer Spanne zwischen 0,25 % und 0,50 %.

Hoag erwartet, dass die Zinserhöhung der Fed bei etwa 2,0 % enden wird. „Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu heute“, räumt er ein, „aber im historischen Vergleich immer noch sehr niedrig. Alles, was darüber hinausgeht, birgt meiner Meinung nach die Gefahr, dass die USA in eine Rezession abrutschen.“

Der Markt erwartet derzeit aufgrund der restriktiven Äußerungen der US-Notenbanker in den letzten Wochen einen höheren Wert. Der Futures-Markt hat einen Zinssatz von 3,0 % bis März 2023 eingepreist. Darin enthalten ist eine Anhebung um 50 Basispunkte bei der nächsten zweitägigen Fed-Sitzung am 3. Mai.

Die Aussichten auf eine Zinserhöhung der Fed sind dramatisch gestiegen

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In den vergangenen 14 Jahren hat die Fed ihren Leitzins in beispielloser Manier auf nahezu Null gesenkt – zunächst als Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007–2009 und dann zur Stützung der US-Wirtschaft während der COVID-19-Krise. Die massiven Anleihekaufprogramme trugen auch dazu bei, die langfristigen Zinssätze künstlich niedrig zu halten.

„Man kann Geld nicht ewig bei einem Zinssatz von Null halten“, sagt Darrell Spence, Volkswirt der Capital Group. „Wir sehen das Ende der aktuellen Phase der Nullzinsen und des Aufblähens der Zentralbankbilanzen. Ich bin allerdings nicht sicher, dass wir nicht wieder an diesen Punkt zurückkehren werden.“

Den leichten Weg nehmen

Die Fed, die Europäische Zentralbank und andere Zentralbanken haben den „leichten Weg“ zur Bewältigung schwerer Finanzkrisen eingeschlagen, erklärt Spence, und es wäre naiv zu glauben, dass sie ihn bei der nächsten Krise nicht nutzen werden.

„Ich bin sicher, dass es bei einem Rückblick auf diese Zeit zahlreiche Argumente dafür geben wird, dass dies keine gute Idee war“, fügt er hinzu. „Im Moment ist es jedoch schwierig zu sagen, was wir sonst hätten tun können oder was wir in Zukunft anders machen könnten. Wenn man mit dieser Art von Geldpolitik den Geist aus der Flasche lässt, ist es schwer, ihn wieder hineinzubekommen.“

In der Zwischenzeit sollten sich die Anleger auf weitere Volatilität einstellen, da die hohe Inflation, die restriktivere Geldpolitik und der Krieg in der Ukraine die Märkte weiterhin belasten. In Europa ist das Rezessionsrisiko aufgrund der größeren Nähe zum Krieg und der Abhängigkeit von russischer Energie höher, sagt Spence. Aber auch die US-Wirtschaft verliert unter dem Druck der unterbrochenen Lieferketten und der höheren Verbraucherpreise an Fahrt.

Eine Rezession in den USA steht nach Ansicht von Spence nicht unmittelbar bevor, aber er schätzt die Wahrscheinlichkeit eines wirtschaftlichen Abschwungs bis 2023 auf 25 % bis 30 %, insbesondere wenn die Fed bis dahin eine ganze Reihe von Zinserhöhungen durchführt.

Was bedeutet ein Umfeld mit niedrigem Wachstum und steigenden Zinsen für Anlagen?

Erwägen Sie den Aufbau eines „Allwetter“-Portfolios

Ungeachtet der Bedenken der Anleger im Hinblick auf eine restriktivere Geldpolitik haben US-Aktien und -Anleihen frühere Phasen steigender Zinssätze gut überstanden. In 10 dieser Zeiträume seit 1964 erzielte der S&P 500 eine durchschnittliche Rendite von 7,7 %. Anleihen haben sich ebenfalls gut gehalten, wobei der Bloomberg Barclays U.S. Aggregate Index in sieben Zinserhöhungszyklen seit 1983 durchschnittlich um 3,9 % zurückging.

Die Anfangsphase der Anpassung kann hart sein, wie wir im ersten Quartal dieses Jahres gesehen haben, als der S&P 500 um 4,6 % fiel. Anleihen verzeichneten mit einem Rückgang von 5,9 % das schlechteste Quartal seit 20 Jahren. Über längere Zeiträume hinweg haben sich die Märkte jedoch tendenziell angepasst, und insbesondere Anleiheinvestoren haben von der Möglichkeit profitiert, ihr Kapital zu höheren Renditen zu reinvestieren.

US-Aktien haben sich in der Vergangenheit in Zeiten steigender Zinsen gut entwickelt

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Diese Daten stehen natürlich unter dem üblichen Vorbehalt, dass vergangene Ergebnisse keine Rückschlüsse auf zukünftige Erträge zulassen. Und in der Tat haben wir noch nie eine Periode erlebt, in der die Zentralbanken ihre massiv aufgeblähten Bilanzen – die viel größer waren als nach der globalen Finanzkrise – abgebaut und zugleich die Zinssätze von Null (oder im Falle der EZB sogar aus dem negativen Bereich) angehoben haben. Es kann eine Menge schief gehen.

Angesichts dieser Ungewissheit ist der Aufbau eines „Allwetter“-Portfolios umso wichtiger, sagt Portfoliomanagerin Diana Wagner.

Für aktive Anleger liegt der Schlüssel zur Bewältigung schwieriger Zeiten darin, attraktiv bewertete Unternehmen zu finden, die unabhängig vom wirtschaftlichen Umfeld Erträge und Gewinnwachstum erzielen können, erklärt Wagner.

„In diesem Umfeld werden Geschäftsmodelle, die nicht in der Lage sind, innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens Rentabilität zu erzielen, zunehmend kritischer gesehen“, sagt sie. Dies steht im Gegensatz zum letzten Jahr, als unrentable Tech-Unternehmen einen Aufschwung erlebten.

Das muss nicht heißen, dass sich Tech-Aktien nicht gut entwickeln können. Tatsächlich hat der Informationstechnologiesektor in den letzten vier Perioden mit steigenden Zinsen solide Renditen erzielt. Allerdings ist es wichtig, selektiv vorzugehen.

Welche Sektoren haben bei steigenden Zinssätzen am besten abgeschnitten?

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Wagner führt Microsoft, UnitedHealth und Marsh & McLennan als Beispiele an, die in der Vergangenheit „Allwetter“-Qualitäten bewiesen haben.

„In einem Markt, in dem Wachstum möglicherweise rar ist", fügt sie hinzu, "bevorzuge ich Unternehmen, die nachweislich in der Lage sind, ihr eigenes Wachstum zu realisieren – Unternehmen mit hoher Eigenkapitalrendite, niedrigen Rohstoffkosten und starker Preissetzungsmacht.“

Darüber hinaus sind die Bewertungen von größter Bedeutung.

„Ich denke, die Zeiten, in denen man nicht auf die Bewertungen geachtet hat, sind vorbei“, sagt Wagner.


David Hoag ist ein Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere mit 31 Jahren Anlageerfahrung. Er hat einen MBA-Abschluss von der University of Chicago und einen Bachelor-Abschluss vom Wheaton College.

Darrell Spence ist Volkswirt bei der Capital Group. Er hat 28 Jahre Investmenterfahrung, alle in unserem Unternehmen. Er hat einen Bachelor in Volkswirtschaft vom Occidental College. Außerdem ist er Chartered Financial Analyst® (CFA) und Mitglied der National Association for Business Economics. Spence arbeitet in Los Angeles.

Diana Wagner ist eine Aktienportfoliomanagerin mit 23 Jahren Anlageerfahrung. Sie besitzt einen MBA von der Columbia Business School und einen Bachelor-Abschluss in Kunstgeschichte von der Yale University.

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