Metzler: Zentralbanken dominieren das Marktgeschehen

In einer perfekten Welt würden die Maßnahmen der Zentralbanken nur eine geringe Rolle für die Finanzmarktteilnehmer spielen, und nur die Fachleute würden den Namen ihres Zentralbankpräsidenten kennen.

11.07.2014 | 16:47 Uhr

Die herausragende Rolle der Zentralbanken im aktuellen Umfeld zeigt, wie weit entfernt die Weltwirtschaft immer noch vom Normal-zustand ist. In der kommenden Woche werden EZB-Präsident Draghi (Montag), Gouverneur Carney von der Bank von England (Dienstag) und die Fed-Präsidentin Yellen (Dienstag) ihren Parlamenten Rede und Antwort stehen. Es sind kaum Überraschungen zu erwarten, da die US-Notenbank schon mehr oder weniger den Weg vorgegeben hat: Das Wertpapierkaufprogramm wird im Oktober beendet, und der Leitzins wird im zweiten oder dritten Quartal 2015 zum ersten Mal seit langer Zeit erhöht. Die aktuelle Datenlage gibt darüber hinaus der Fed keinen Anlass, vom vorgegebenen Weg abzuweichen. Auch die EZB wird für die nächsten Monate zunächst eine abwartende Haltung einnehmen, um die Auswirkungen der im Juni beschlossenen Schritte einschätzen zu können. Interessant könnte allenfalls die Rede von Gouverneur Carney sein, der zuletzt durch einen verbalen Zickzackkurs für Aufsehen sorgte. Derzeit erwarten die meisten Finanzmarktteilnehmer eine erste Leitzinserhöhung der Bank von England im November 2014. Auch die Bank von Japan (Dienstag) dürfte erst einmal abwarten, da sich die japanische Wirtschaft nach der Mehrwertsteuererhöhung im April wieder langsam erholt. 

Europäische Banken sorgen für Unsicherheit an den Finanzmärkten 

Die zuletzt spürbar gestiegene Volatilität an den internationalen Kapitalmärkten wurde unter anderem durch mehrere Ereignisse im Bankensektor ausgelöst. Rekordhohe Strafzahlungen für illegale Geldtransaktionen wie im Falle der französischen Großbank BNP Paribas oder die zeitweise Schließung bulgarischer Finanzinstitute wurden im Wesentlichen noch als unternehmensspezifische Ereignisse gesehen. Die Situation der österreichischen Hypo Alpe Adria sowie jüngst der Banco Espirito Santo aus Portugal gerieten jedoch sehr deutlich in den Fokus vieler Marktteilnehmer, da sich in beiden Fällen systemische Auswirkungen nicht ausschließen lassen. 

Vor dem Hintergrund der bereits 2009 in Schieflage geratenen und dann verstaatlichten Hypo Alpe Adria wurde in den vergangenen Tagen in Österreich ein Sondergesetz beschlossen, das nach Unterzeichnung durch den österreichischen Bundespräsidenten in Kraft tritt und eine Beteiligung der Gläubiger von nachrangigen Anleihen bei den Rettungskosten des Finanzinstituts vorsieht. Damit wendet Österreich zunächst nur die spätestens ab Januar 2016 geltende europaweite Regelung zur Abwicklung von Banken („Bail-in“) vorzeitig an – grundsätzlich ist dabei geplant, dass sowohl Aktionäre als auch Gläubiger an den Rettungskosten beteiligt werden. Die Besonderheit im Falle der Hypo Alpe Adria liegt jedoch darin, dass die jetzt betroffenen Anleihen zusätzlich mit einer Garantie des Landes Kärnten ausgestattet waren. Mithilfe des Sondergesetzes wurde diese Landesgarantie gelöscht. Die internationalen Ratingagenturen haben auf dieses durchaus diskussionswürdige Vorgehen bereits reagiert und die österreichischen Banken auf die Beobachtungsliste für eine mögliche Herabstufung gesetzt. Denn bislang war in den Bonitätsnoten zumeist noch eine gewisse staatliche Unterstützung einkalkuliert. 

In Portugal sind in den vergangenen Tagen sowohl Staatsanleihen als auch Unternehmensanleihen aus dem Nichtfinanz- und dem Finanzsektor massiv unter Druck geraten. Auslöser waren die Nachrichten über finanzielle Schwierigkeiten der familiengeführten Unternehmensgruppe Espirito Santo International SA, die unter anderem größter Anteilseigner bei dem nach Bilanzsumme drittgrößten portugiesischen Kreditinstitut Banco Espirito Santo ist. Investoren sind stark verunsichert – insbesondere aufgrund der komplexen Unternehmensstruktur der gesamten Gruppe mit diversen finanziellen und rechtlichen Verflechtungen sowie der mangelnden Transparenz und lückenhaften Kommunikation. Ein überraschend hohes finanzielles Engagement des portugiesischen

Telekommuikationsunternehmens Portugal Telecom in Geldmarktpapieren der Espirito Santo International SA hat zudem gezeigt, dass sich die negativen Auswirkungen durchaus systemisch bemerkbar machen können. In den nächsten Tagen dürften Restrukturierungsvorschläge für die Unternehmensgruppe Espirito Santo International SA und die beteiligten Töchterunternehmen vorgelegt und diskutiert werden. Im schlimmsten Fall könnte Portugal gezwungen sein, mit staatlichen Hilfsmaßnahmen einzuschreiten – mit entsprechend negativen Folgen für die eigene Bonität. 

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