Metzler: Begrenzte Zinsrisiken in den USA

Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, erwartet, dass die US-Notenbank die Leitzinsen zunächst nicht erhöht. Die Fed werde sich vorwiegend auf die langfristigen Inflationserwartungen der Finanzmarktteilnehmer stützten.

10.04.2015 | 16:52 Uhr

Walk meint, dass die Fed erst eine Normalisierung der Inflationserwartungen abwartet, ehe sie die Leitzinsen erhöht. Auch dürfte die EZB ihren Kurs nicht korrigieren und das Wertpapierkaufprogramm mindestens bis zum Ende des Jahres fortführen. In China sieht Walk kurzfristig weiterhin eine Wirtschaftsschwäche, die weitere geld- und fiskalpolitische Maßnahmen auslösen könnte. Dagegen kann er in Russland erste Anzeichen einer Stabilisierung erkennen. 

USA: Inflationserwartungen mahnen zur Vorsicht 

Für die US-Notenbank (Fed) spielen erfahrungsgemäß die langfristigen Inflationserwartungen eine große Rolle bei der Ausrichtung der Geldpolitik. Interessanterweise reagiert die Fed jedoch hauptsächlich auf die Inflationserwartungen der Finanzmarktteilnehmer und weniger auf die Inflationserwartungen der privaten Haushalte und der Volkswirte. 

So zeigt ein Blick auf die langfristigen Inflationserwartungen, dass die Fed oft mit unorthodoxen geldpolitischen Maßnahmen auf deren Rückgang reagierte. Derzeit signalisieren die Inflationserwartungen, dass die Finanzmarktteilnehmer der Fed eine zu restriktive Geldpolitik unterstellen, um damit mittelfristig das implizite Inflationsziel erreichen zu können. Vor diesem Hintergrund dürfte die Fed erst eine Normalisierung der Inflationserwartungen abwarten, bis sie eine Leitzinserhöhung vornimmt. Sollten die Inflationserwartungen bis Jahresende auf dem gegenwärtigen Niveau verharren, könnte die Fed sogar auf eine Leitzinserhöhung verzichten. 

Immerhin dürften sich die realwirtschaftlichen Daten nach dem Kälteeinbruch im März wieder merklich verbessert haben: Einzelhandelsumsätze (Dienstag), Industrieproduktion (Mittwoch) sowie Philadelphia Fed Index (Donnerstag). So zeigen beispielsweise die internen Kredit- und Debitkartenabrechnungen der Bank of America, dass die Konsumausgaben in den gesamten USA im März deutlich gestiegen sind – vor allem aber in den Regionen, die stark vom Kälteeinbruch betroffen waren. Auch dürfte der frühzyklische Immobilienmarkt positive Signale für die US-Konjunktur senden: NAHB-Index (Mittwoch) sowie Neubaubeginne und -genehmigungen (Donnerstag). 

Bisher reagierten die langfristigen Inflationserwartungen weder auf die Veröffentlichungen der Inflationszahlen (Freitag) noch auf die überraschende Stabilität der Kerninflation in den vergangenen Monaten. Vor diesem Hintergrund ist es zwar für den März nicht sehr wahrscheinlich, aber nicht auszuschließen, dass eine Inflationsüberraschung plötzlich die langfristigen Inflationserwartungen in Bewegung bringt und die Fed unter Handlungsdruck setzt. Die langfristigen Inflationserwartungen können jederzeit eine schnelle Anpassung vollziehen, da die Swaps täglich gehandelt werden.   

Europa: EZB vorerst ohne Kurskorrektur 

Das Wertpapierkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt zu spät und ist viel zu groß ausgefallen, wie die verzerrten Kurse am Rentenmarkt eindrücklich zeigen. Die EZB (Mi) dürfte trotzdem keine Kurskorrektur vornehmen und das Wertpapierkaufprogramm mindestens bis Jahresende in der gegenwärtigen Form fortführen, da in der Eurozone die langfristigen Inflationserwartungen sich bisher allenfalls stabilisiert, sich aber noch nicht wieder normalisiert haben. 

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