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Europäische Zentralbank muss auf die Konjunkturrisiken reagieren

01.06.2012 | 14:50 Uhr

Eurozone: „Grexit“ wird immer wahrscheinlicher

Griechenland dürfte mit aller Wahrscheinlichkeit noch in diesem Jahr die Eurozone verlassen. Wenn die linksradikale Syriza die Wahl am 17. Juni gewinnen sollte, dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) die Finanzierung der griechischen Banken einstellen und Griechenland damit zu einem „freiwilligen“ Austritt aus der Eurozone zwingen. Ohne EZB-Hilfen kann das griechische Bankensystem im Euroraum nicht überleben. Für den Fall, dass die reformfreundlichen Kräfte die Wahl gewinnen sollten, bräuchte Griechenland ein drittes Rettungspaket, weil das Land die Vorgaben aus dem zweiten Rettungspaket nicht erfüllt hat. Die Bereitschaft der Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion (EWU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF), ein drittes Rettungspaket für Griechenland zu schnüren, dürfte jedoch nur sehr schwach ausgeprägt sein. Auch unter diesen Voraussetzungen dürfte die EZB die Finanzierung des griechischen Bankensystems einstellen.

Was wären die Folgen eines griechischen Austritts? Einerseits könnte sich die Lage wieder von alleine beruhigen, da der Problemfall Griechenland die Eurozone nicht mehr belasten würde. Allerdings halten wir die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Szenario eintreten wird, für eher gering. Wahrscheinlicher sind unseres Erachtens Ansteckungseffekte auf andere Mitgliedsländer in der Eurozone. Die Sparer in den anderen EWU-Mitgliedsländern könnten auch einen Austritt ihres Landes aus der EWU befürchten und versuchen, ihre Ersparnisse von den Banken abzuziehen und in Sicherheit zu bringen. Die EZB müsste in diesem Fall mit umfangreichen Liquiditätsschritten das Bankensystem in der Eurozone stabilisieren – und vielleicht sogar bei der Kreditvergabe an die Banken temporär auf Sicherheiten verzichten. Darüber hinaus dürften Banken aus Ländern an der Peripherie der Eurozone mit Geldern aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) rekapitalisiert werden. Auch dürften Eurobonds in einer mit dem Maastricht-Vertrag in Einklang stehenden Form und eine europäische Einlagensicherungsfazilität auf EU-Ebene beschlossen werden. Die Eurobonds und die europäische Einlagensicherungsfazilität wären notwendig, um die Währungsrisikoprämie in der Eurozone zu eliminieren. Wegen der heftigen Marktturbulenzen in den vergangenen Wochen könnten Politiker schon an diesem Wochenende erste Absichtserklärungen in Richtung einer Fiskalunion und von Eurobonds öffentlich machen.

EZB und Bank of England unter Handlungsdruck
Schon am Mittwoch dürfte die EZB auf die Konjunkturrisiken reagieren und den Leitzins um 25 Bp auf 0,75 % senken. Vor allem die schwachen Zahlen der Einkaufsmanagerindizes in der Industrie von 45,1 im Mai und von – aller Voraussicht nach – 46,5 im Dienstleistungssektor (Dienstag) signalisieren Handlungsbedarf. Auch die Bank of England (Donnerstag) könnte nach dem zuletzt auf 45,9 heftig einbrechenden Einkaufsmanagerindex unter Druck geraten, die Konjunktur durch weitere Schritte zu stabilisieren.

In Deutschland gab es in den vergangenen Monaten eine starke Divergenz zwischen den schwachen Einkaufsmanagerindizes und dem starken ifo-Index. Die Auftragseingänge (Dienstag) und die Zahlen zur Industrieproduktion (Mittwoch) für den April werden Aufschluss darüber geben, welcher der beiden Indikatoren den Konjunkturverlauf besser abbildet.

US-Konjunktur: Stabiler Verlauf zu erwarten
Für die USA rechnen wir mit einer stabil verlaufenden Konjunktur und mit einem Wachstum des Bruttoinlands¬produktes von 1,5 bis 2,0 %. Vor diesem Hintergrund erwarten wir moderat positive Aussagen zur Konjunkturentwicklung im Beige Book (Mittwoch) sowie einen stabilen ISM-Index für den Dienstleistungssektor.

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