"Quartalsausblick" für das 2. Quartal 2012

Rentenmärkte: Dank der umfangreichen Liquiditätsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB) beruhigte sich die Lage am europäischen Rentenmarkt im ersten Quartal etwas.

19.04.2012 | 13:15 Uhr

Insbesondere italienische Staatsanleihen wurden von Investoren stark nachgefragt: Dementsprechend wies der JPMorgan-Rentenindex für italienische Staatsanleihen einen Wertzuwachs von 11,4 % in den ersten drei Monaten 2012 aus – demgegenüber für spanische Anleihen nur ein Plus von 1,3 % und für Bundesanleihen sogar nur eine „schwarze Null“. Die Nachfrage nach italienischen und spanischen Staatsanleihen kam vor allem von Banken aus beiden Ländern, die sich Geld zu voraussichtlich 1,0 % p. a. für die nächsten drei Jahre bei der EZB besorgt hatten, um es in höher rentierende Staatsanleihen in ihren Heimatmärkten zu investieren.
Im März trübte sich das Bild am europäischen Rentenmarkt jedoch sukzessive wieder ein. Zuvor hatte Spaniens Regierung bekanntgegeben, dass sie ihre Sparziele für 2011 und 2012 dramatisch verfehlt hat bzw. verfehlen wird: Im vergangenen Jahr lag das Haushaltsdefizit mit 8,5 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) deutlich über dem Zielwert von 6,0 %. Und in diesem Jahr plant die spanische Regierung nur noch ein Haushaltsdefizit von 5,3 % des BIP zu erreichen, während ursprünglich ein Defizitziel von 4,4 % mit der Europäischen Kommission vereinbart worden war. Die Verfehlungen Spaniens weckten die Ängste der Investoren, dass die Staatsschuldenkrise in Europa erneut eskalieren könnte.
Neben den Einsparungen der Staaten braucht die Eurozone ein hohes nominales Wirtschaftswachstum, um die Verschuldung nachhaltig abbauen zu können. Vor diesem Hintergrund sind Strukturreformen in vielen Euro-Mitgliedsländern von ebenso großer Bedeutung wie eine anhaltend hohe Inflation. Die geldpolitischen Schritte der EZB in den vergangenen Monaten zeigen, dass die Stabilität der Eurozone deutlich stärker in den Fokus der Notenbanker gerückt ist als die Inflation. Wenn sich die Staatsschuldenkrise in der Eurozone im zweiten Quartal weiter verschärfen sollte, dürfte die EZB sehr wahrscheinlich versuchen, die Lage mit neuen Liquiditätsprogrammen zu stabilisieren.
In diesem von Unsicherheit geprägten Umfeld gewannen Bundesanleihen gegen Ende März als sicherer Anlagehafen wieder an Attraktivität, und ihre Renditen gingen deutlich zurück. Das Renditeniveau zehnjähriger Bundesanleihen koppelte sich gegen Quartalsende zunehmend von den Fundamentaldaten ab. Wenn solide Konjunkturdaten das Szenario einer anhaltend sich erholenden Weltwirtschaft bestätigen und sich die Ängste vor einer erneut eskalierenden Staatsschuldenkrise in Europa als übertrieben erweisen sollten, drohen im zweiten Quartal dramatische Kursverluste bei Bundesanleihen.

Aktienmärkte
Die internationalen Aktienmärkte begannen das Jahr 2012 mit einem freundlichen ersten Quartal und verzeichneten in vielen Regionen zweistellige Kursgewinne. Interessanterweise zeigen die Fondsstatistiken, dass die meisten Privatanleger in den USA und in Europa die vermeintlich guten Kurse zu Verkäufen nutzten und sich per saldo vom Aktienmarkt verabschiedeten.
Dies zeigt, dass sich das Verhalten von Privatanlegern grundsätzlich verändert hat. Früher tendierten Privatanleger bei Kursgewinnen dazu, Aktien aufzubauen und somit den Aufwärtstrend zu verstärken. Die Kursgewinne an den Börsen im ersten Quartal waren vor diesem Hintergrund hauptsächlich getrieben durch die Aktienrückkäufe der Unternehmen, wodurch die Verkäufe der Privatanleger mehr als ausgeglichen wurden. Hinzu kam eine neue Anlegergruppe – wenn auch bisher nur in einem sehr geringen Umfang: Immer mehr Zentralbanken legen ihre Devisenreserven am Aktienmarkt an, so zum Beispiel die israelische Notenbank mit einem Kaufprogramm für US-Aktien.    
Die Zurückhaltung der Privatanleger ist ein Signal dafür, dass die Aktienmärkte nicht überhitzt sind und durchaus noch moderates Kurspotenzial fürs zweite Quartal bieten. So sehen wir die leichte globale Konjunkturerholung als nach wie vor intakt an und erwarten, dass die wichtigsten Zentralbanken die Märkte weiterhin großzügig mit Liquidität versorgen werden.
Der weltweite Aufschwung und der Aufwärtstrend an den internationalen Aktienmärkten könnten jedoch durch eine sich wieder verschärfende europäische Staatsschuldenkrise erneut in Gefahr geraten. Insbesondere würde in diesem Fall die Kombination aus schärferen Einsparungen der Staaten und einer zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken in vielen Euro-Mitgliedsländern die Rezessionstendenzen verstärken. Die Europäische Zentralbank müsste dann durch neue umfangreiche Liquiditätsprogramme versuchen, die Abwärtsspirale aufzuhalten.
Derzeit signalisieren die Frühindikatoren weiterhin, dass sich die Weltwirtschaft leicht erholen wird, und bestätigen damit eher das moderat positive  Bild. Aufgrund der Kursrally seit Jahresanfang hat die Bewertung vieler Börsen etwas an Attraktivität verloren, was die Kurschancen bei einer weltweit sich fortsetzenden Konjunkturerholung begrenzen dürfte. Die Aktienmärkte in der Eurozone und in Osteuropa haben derzeit die attraktivste Bewertung, während der US-Aktienmarkt schon als teuer eingestuft werden muss

Konjunktur Eurozone
Die Wirtschaft in der Eurozone war im ersten Quartal durch eine starke Divergenz gekennzeichnet: Die deutsche Wirtschaft glänzte mit guten Konjunkturdaten, während die Länder in der Peripherie der Eurozone mit schweren rezessiven Tendenzen zu kämpfen hatten. Nichtsdestotrotz verbesserten sich die Wachstumsperspektiven für die Eurozone aufgrund der Liquiditätsmaßnahmen der EZB im Quartalsverlauf. Die Bereitschaft der Geschäftsbanken, wieder Kredite zu vergeben, ist nach der Aufnahme von einer Billion EUR bei den beiden 3-Jahres-Tendern im Dezember und im Februar zuletzt wieder gewachsen – dies ergab eine Sonderumfrage der EZB. Damit sind die Chancen für eine Konjunkturerholung im Jahresverlauf gestiegen; ab dem zweiten Quartal erscheint sogar ein Wirtschaftswachstum bis zu 0,2 % möglich.
Zwar sorgten die Liquiditätsmaßnahmen der EZB auch für eine Beruhigung bei der europäischen Staatsschuldenkrise, gegen Quartalsende kamen jedoch spanische Anleihen verstärkt unter Druck. Spanien kämpft unter anderem auch aufgrund der schwierigen konjunkturellen Lage damit, die Sparziele zu erreichen. Grundsätzlich konnte Spanien in den vergangenen Jahren aufgrund umfassender Strukturreformen große Fortschritte bei der Wettbewerbsfähigkeit erzielen. So verzeichneten spanische Exporte in den vergangenen vier Jahren einen Anstieg von insgesamt etwa 12 %. Im Vergleich dazu lag das Exportwachstum in Deutschland über diesen Zeitraum bei etwa 7 %.
Neben dem Wirtschaftswachstum hat jedoch die Zinslast einen maßgeblichen Einfluss auf die Schuldendynamik eines Staates. Vor diesem Hintergrund besteht immer das Risiko einer selbsterfüllenden Prophezeiung am Rentenmarkt. Sollte sich die Lage am spanischen Rentenmarkt im Verlauf des zweiten Quartals nicht beruhigen, könnte Spanien gezwungen sein, den europäischen Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen. Spanien muss in diesem Jahr noch etwa 60 bis 70 Mrd. EUR an Anleihen platzieren.
Mittelfristig wird die Eurozone die Staatsschuldenkrise nur dann überwinden können, wenn das Wirtschaftswachstum wieder anspringt, die Inflation über einen längeren Zeitraum über dem Inflationsziel der EZB von 2 % liegt und die Zinsen niedrig gehalten werden. Daher dürfte die Geldpolitik der EZB lange Zeit sehr expansiv ausgerichtet bleiben. Wir können uns sogar einen unveränderten Leitzins von 1,0 % bis Ende 2013 vorstellen. Für die deutsche Wirtschaft würde das Zinsniveau über einen längeren Zeitraum viel zu niedrig bleiben und zunehmend zu Überhitzungstendenzen in der Binnenwirtschaft führen. So scheint sich vor dem Hintergrund der niedrigen Arbeitslosigkeit eine zunehmende Lohndynamik in Deutschland zu entwickeln.

Konjunktur USA
Auf den ersten Blick setzte die US-Wirtschaft ihre Erholungstendenzen im vierten Quartal 2011 in den ersten drei Monaten 2012 fort. Aufgrund des ungewöhnlich milden Wetters im ersten Quartal könnten die Daten jedoch verzerrt sein, weil in der saisonalen Bereinigung der Zahlen standardmäßig von einer deutlich zurückgehenden Wirtschaftstätigkeit in den normalerweise kalten Wintermonaten ausgegangen wird. Aber auch unter Berücksichtigung der saisonalen Effekte spricht die Datenlage unseres Erachtens dafür, dass sich das Wirtschaftswachstum seit Jahresanfang moderat beschleunigt hat.
Nach Einschätzung des US-Notenbank¬präsidenten Bernanke könnte das Wachstumstempo jedoch nicht ausreichen, die Zahl der Arbeitslosen anhaltend zu senken. Schätzungen der US-Notenbank zufolge beruht der Anstieg der Arbeitslosigkeit seit Ausbruch der Krise hauptsächlich auf zyklischen Faktoren, während die strukturelle Arbeitslosigkeit in dieser Zeit nur geringfügig zugenommen hat.
Eine stärkere gesamtwirtschaftliche Nachfragedynamik würde demnach eine sinkende Arbeitslosenquote ermöglichen, ohne dass gleichzeitig die Löhne signifikant steigen müssten. Vor diesem Hintergrund besteht unverändert eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen weiteren geldpolitischen Stimulus. Die Fed dürfte sich dabei auf den Kauf von Hypothekenanleihen konzentrieren, um den sich am Immobilienmarkt abzeichnenden Aufschwung zu verstärken.
Derzeit diskutieren die Zentralbanker, den Kauf der Hypothekenanleihen nicht durch „frisch gedrucktes Geld“ zu finanzieren, sondern durch den Verkauf von Staatsanleihen. Die Fed müsste damit ihre Bilanz nicht weiter aufblähen. Die Argumentation von Fed-Präsident Bernanke nähert sich dabei immer mehr der Position einiger Volkswirte an, wonach die US-amerikanische Zentralbank statt eines Inflationsziels das zu erreichende Niveau der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage vorgeben sollte – zum Beispiel einen Wachstumspfad für das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 5 % pro Jahr. Wenn die Ziel¬vorgabe in einem Jahr verfehlt werden sollte, müsste die Fed die Geldpolitik so ausrichten, dass die Abweichung in den kommenden Jahren wieder aufgeholt werden könnte. Damit würde sich auch nach einer schweren Wirtschaftskrise eine höhere Inflation über mehrere Jahre hinweg rechtfertigen lassen.
Sicherlich dürfte die US-Notenbank auf absehbare Zeit zwar kein offizielles Ziel für einen Wachstumspfad der nominalen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage vorgeben, die Argumentation dürfte jedoch weiter in diese Richtung gehen – als Rechtfertigung für weitere expansive geldpolitische Schritte.

Konjunktur Asien
Das vergangene Jahr zeigte einmal mehr, dass die japanische Wirtschaft sehr stark von der Wechselkursentwicklung abhängig ist. Insbesondere die Aufwertung des japanischen Yen gegenüber dem koreanischen Won um in der Spitze mehr als 10 % im Jahresverlauf 2011 bedeutete einen signifikanten Wettbewerbsnachteil gegenüber dem wichtigen Konkurrenten aus Südkorea. Dementsprechend trug der Außenhandel maßgeblich zum Rückgang der Wirtschaftsleistung im vierten Quartal 2011 bei.
Seit Jahresanfang verzeichnete der japanische Yen jedoch eine signifikante Gegenbewegung und verlor etwa 10 % gegenüber dem koreanischen Won und nur etwas weniger gegenüber dem US-Dollar. Als eine Folge dessen verbesserte sich die Stimmungslage in der japanischen Industrie. Der Anstieg des monatlichen Reuters-Tankan-Index von -11 im Februar auf +2 im März war sogar der stärkste monatliche Anstieg seit zweieinhalb Jahren.
Die Abschwächung des japanischen Yen ist unter anderem auch eine Folge der aktiveren Geldpolitik der Bank von Japan. So verkündete die Bank von Japan am 14. Februar ein formelles Inflationsziel von 1 % und beschloss neue Liquiditätsmaßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Im August 2011 waren am Rentenmarkt noch Erwartungen einer moderaten Deflation von -0,5 % pro Jahr für die nächsten sieben Jahre eingepreist, derzeit liegen die Inflationserwartungen mit +0,2 % pro Jahr für die nächsten sieben Jahre schon wieder im positiven Bereich. Interessanterweise haben die Inflationserwartungen einen Vorlauf von etwa sechs Monaten vor der tatsächlichen Inflationsentwicklung. Japan könnte es vor diesem Hintergrund tatsächlich schaffen, die Deflation in diesem Jahr zu überwinden.Die Anzeichen für eine Wachstumsverlangsamung in China verstärkten sich im ersten Quartal. So sank der chinesische Einkaufsmanagerindex von 49,6 im Februar auf 48,1 im März, der chinesische Automobilverband musste die Absatzprognose deutlich reduzieren und die Eisenerznachfrage aus China ging laut Veröffentlichung des Rohstoffkonzerns BHP Billiton zuletzt merklich zurück. Die chinesische Regierung reagierte auf die konjunkturellen Schwächetendenzen mit einer Revision des Wachstumsziels für 2012 auf 7,5 %.
Zwar könnten die Abschwungstendenzen ohne antizyklische Maßnahmen der Regierung in einer schweren Rezession münden, die eingeleiteten geld- und fiskalpolitischen Schritte dürften aber einen starken Rückgang der Wachstumsrate verhindern. So wurde der Mindestreservesatz in mehreren Schritten gesenkt und ein staatliches Kreditprogramm für kleinere und mittlere Unternehmen initiiert.
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass China trotz aller strukturellen Probleme erhebliches Wachstumspotenzial hat: Das Pro-Kopf-Einkommen war im vergangenen Jahr mit 8.400 USD immer noch deutlich niedriger als das in den USA von 48.000 USD. China liegt damit im Einkommensvergleich weltweit nur an 90. Stelle.

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