Capital Group: Kurzfristig mehr Wachstum, langfristig schwierige Lage

Kurzfristig dürfte das Wachstum der Weltwirtschaft zulegen und die Inflation steigen – so lässt sich das Fazit der globalen Anleiheexperten von Capital Group zusammenfassen.

16.08.2017 | 13:26 Uhr

Die Experten treffen sich dreimal jährlich zum Portfolio Strategy Group Forum von Capital Group und diskutieren ausführlich die Investmentaussichten unter Berücksichtigung der globalen Wirtschaftslage und der aktuellen Entwicklungen an den weltweiten Anleihemärkten. „Die wirtschaftliche Entwicklung ist berechenbarer geworden, insbesondere in den USA und in Europa. Wir bezweifeln aber, dass das zuletzt überdurchschnittliche Wachstum nachhaltig ist“, so die Anleihexperten. Ihrer Ansicht nach werden die langfristigen US-Renditen weniger stark steigen als die Leitzinsen. Bei kurzen Laufzeiten sei daher eine Positionierung mit unterdurchschnittlicher Duration ratsam.

Verbesserte Fundamentaldaten sorgen für positiveres Sentiment

Erfreulich sei besonders die leichte Verbesserung der wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Trotz sehr niedriger Marktvolatilität herrsche aber weiter Unsicherheit über die künftige Politik und Geldpolitik. „Wir halten daher eine konservative Portfoliopositionierung für sinnvoll, zumal die Volatilität auch wieder steigen kann“, so die Anleihespezialisten. In den aktuellen Marktbewertungen sieht das Anleiheteam aber auch Chancen: „Weil das Weltwirtschaftswachstum unserer Ansicht nach noch einige Zeit leicht über dem Langfristtrend liegen wird und wir mit einem allmählichen Inflationsanstieg rechnen, halten wir einige Märkte zurzeit für günstig und damit für interessant.“

In ihrer Analyse berücksichtigen die Investmentexperten die zentrale Bedeutung der USA für die Entwicklung der Weltwirtschaft: „Die Lage am US-Arbeitsmarkt verbessert sich weiter; die Beschäftigung nimmt zu, die Löhne steigen. Die Arbeitslosenquote liegt erstmals seit 2005 unter der natürlichen Arbeitslosenquote. Mehr Unternehmensinvestitionen – ein deutlicher Fortschritt gegenüber früheren Quartalen – und die Erholung der Industrie sprechen dafür, dass das amerikanische Wirtschaftswachstum zurzeit über dem etwa zweiprozentigen Trendwachstum der letzten Jahre liegt.“

Verbessert haben sich aus Sicht der Experten auch die Konjunkturaussichten außerhalb der USA, das gilt besonders für Europa. „Die Konjunktur ist wesentlich synchroner geworden, und die Daten übertreffen seit Monaten die Erwartungen: Sowohl in den Kernländern als auch an der Peripherie sind sie gut“. Auch das japanische Wirtschaftswachstum habe sich beschleunigt und liege jetzt über dem Langfristtrend. Die schwächere Kreditvergabe in China dürfte zwar Folgen für die Weltwirtschaft haben, doch sehen die Experten anders als im ersten Quartal 2016 keine Deflationsangst.

Ist das Wachstum nachhaltig?

Im Vergleich zu den ersten Monaten 2017 sei die Weltwirtschaft daher insgesamt etwas berechenbarer geworden. „Schon damals hielten wir einen Boom für unwahrscheinlich – und heute erst recht. Das Gleiche gilt für einen Abschwung. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass die Weltwirtschaft weiter moderat wächst und den Langfristtrend leicht übertrifft“, so die Experten. Obwohl die US-amerikanische Notenbank Fed die Zinsen weiter angehoben habe, blieben die Finanzbedingungen weiterhin locker, sodass die Wirtschaft wachsen könne.

Die Analysten bezweifeln aber, dass das Wachstum der Weltwirtschaft noch weiter zulegen kann. Zurzeit scheine die Geldpolitik eher dafür zu sorgen, dass Nachfrage vorgezogen werde, statt für nachhaltig höheres Wachstum zu sorgen. Sowohl die Kapitalrendite als auch das reale Trendwachstum seien niedrig. Damit beides erkennbar steige, seien eine höhere Produktivität und langfristig höhere Investitionen nötig. Im Augenblick geschehe aber nichts, was die noch immer vorhandenen Ungleichgewichte verringern könnte. Diese Ungleichgewichte, darunter auch die hohe Unternehmens- und Staatsverschuldung, seien eine Folge der niedrigen Zinsen. Die Weltwirtschaft sei dadurch anfällig für steigende Zinsen und exogene Schocks.

Neben einem BIP-Wachstum leicht über dem Langfristtrend erwarten die Experten auch eine höhere weltweite Inflation. Konkret gehen sie davon aus, dass die Inflation in den nächsten Monaten etwas steigt und sich in Richtung zwei Prozent bewegt.

Die Fed ist zu Zinserhöhungen entschlossen

Einige Risiken wie etwa der Populismus in Europa schienen zwar zurückgegangen zu sein, doch blieben Politik und Geldpolitik, einschließlich der Entwicklung der Notenbankbilanzen, unsicher. Auch die Verabschiedung spürbarer Wachstumsprogramme durch den US-Kongress sei wesentlich unwahrscheinlicher geworden. „Ausmaß und Reichweite möglicher Programme, wenn sie denn kommen, könnten sich in Grenzen halten“, so die Meinung des Forums.

Für die Quantitative Lockerung gebe es keinen Präzedenzfall. „Wir glauben, dass der Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik zwangsläufig für Unsicherheit sorgt“, so die Experten. „Unserer Ansicht nach könnte es den Notenbanken weltweit am Ende sehr schwer fallen, die bislang beispiellosen Maßnahmen zu beenden, sind sie doch in den letzten Jahren faktisch Normalität geworden.“

Das Forum glaubt zwar weiterhin, dass die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben, erwartet aber entgegen der Markteinschätzung in den nächsten Monaten mehr Zinserhöhungen, zumal es mit einer steigenden Inflation rechnet. 

Weitere aktuelle Einschätzungen von Capital Group, finden Sie im angehängten Paper „Portfolio Strategy Group: Kurzfristig mehr Wachstum, aber weitere Unsicherheit“.

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