Fünf Gründe, warum Zölle die US-Wirtschaft bisher nicht aus der Spur gebracht haben

Fünf Gründe, warum Zölle die US-Wirtschaft bisher nicht aus der Spur gebracht haben
Wirtschaft

Die jüngsten Handelsmaßnahmen haben zwar Spuren hinterlassen, die Widerstandskraft der US-Wirtschaft ist jedoch größer als vielfach erwartet.

24.10.2025 | 06:00 Uhr

Zu diesem Schluss kommt Arne Tölsner, Head of Client Group DACH bei Capital Group: „Zölle sind kein Nullsummenspiel, aber sie wirken oft langsamer und diffuser als Schlagzeilen suggerieren.“ Tölsner nennt fünf Gründe, warum die US-Wirtschaft den Zöllen bislang Paroli bieten konnte:

  1. Die effektive Belastung ist niedriger als der nominelle Satz
    Nach Tölsners Einschätzung würden Unternehmen im Schnitt derzeit rund elf Prozent auf Importe zahlen, obwohl die nominellen Abgaben höher ausfielen. Firmen hätten Zeit gewonnen durch Vorzieheffekte, Umleitungen von Lieferketten und administrative Ausnahmen. „Viele haben Puffer aufgebaut und Kosten verschoben“, erklärt Tölsner.
  2. Die makroökonomischen Effekte entsprechen in etwa der Faustregel
    Tölsner verweist auf den Erfahrungswert, wonach ein Prozentpunkt zusätzlicher Zölle die Teuerung um etwa zehn Basispunkte nach oben treibt und das Wachstum um rund fünf Basispunkte senkt. „Übertragen auf das aktuelle Niveau ergibt sich ein moderater Schub für die Inflation und ein leichter Gegenwind für das Bruttoinlandsprodukt“, so Tölsner. „Das ist spürbar, aber kein Wachstumsstopp.“
  3. Der Preisdruck kommt zeitversetzt an
    Da die tatsächliche Belastung schrittweise gestiegen sei und Lagerbestände erst nach und nach zu neuen Preisen ersetzt würden, zeigten sich die Folgen peu à peu. Der Warenimport mache außerdem nur einen begrenzten Anteil der Wirtschaftsleistung aus, was extreme Ausschläge abfedere. „Die Effekte laufen noch durch die Wertschöpfungsketten“, sagt Tölsner.
  4. Verhandlungen und Politik bleiben ein laufender Prozess
    Tölsner betont, dass Gespräche über Handelsabkommen wieder an Bedeutung gewinnen würden, etwa bei der anstehenden Neuverhandlung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens USMCA sowie bei regionalen Maßnahmen einzelner Partner. „Handelspolitik bleibt ein wiederkehrendes Thema, aber mit weniger Überraschungseffekten als zum Start der Maßnahmen“, betont der Experte.
  5. Globalisierung wandelt sich, sie endet nicht
    Trotz Unsicherheit laufe der grenzüberschreitende Austausch weiter. Muster änderten sich, Wertschöpfung verlagere sich näher an Absatzmärkte, doch der globale Handel bleibe aktiv. „Wir sehen eine neue Architektur mit regionalen Blöcken und multilokalen Modellen“, so Tölsner.

Fazit
„Das aktuelle Umfeld spricht für selektives aktives Investieren mit Fokus auf Unternehmen, die Lieferketten flexibel steuern, Preissetzungskraft besitzen und in verschiedenen Regionen Umsätze erzielen“, resümiert Tölsner. Entscheidend sei Anpassungsfähigkeit statt Wetten auf binäre Szenarien.

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