Capital Group: Vier Trends könnten eine Renaissance der Industriewerte entfachen

Capital Group: Vier Trends könnten eine Renaissance der Industriewerte entfachen
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Während der digitale Sektor in der Pandemie florierte, steckten Unternehmen, die reale Güter produzieren, in einer veritablen Krise. Gründe waren: Lockdowns, drastisch steigende Kosten und Lieferkettenprobleme.

07.03.2023 | 08:47 Uhr

Aus Sicht von Julie Dickson, Investment Director bei Capital Group, hat sich die Situation jedoch grundlegend geändert. „Heute bieten Industriewerte Anlegern spannende Gelegenheiten – auch vor dem Hintergrund einer möglichen Rezession“, erläutert die Expertin. Sie sieht vier langfristige Trends, die die Volkswirtschaften und Märkte der Welt neu prägen und dadurch gut positionierten Industrieunternehmen Chancen eröffnen könnten.

Trend Nr. 1: Energiewende in den USA

2022 hätten erneuerbare Energien in den USA Kohle als Energiequelle übertroffen, wobei Wind, Sonne und Wasserkraft 22 Prozent des Stroms des Landes erzeugen würden, so Dickson. Mit dem Inflation Reduction Act von 2022 und dem 2021 verabschiedeten Infrastructure and Investment Jobs Act habe die US-Regierung steuerliche Anreize und Subventionen in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar für die Infrastruktur und den Ausbau einer Industrie für erneuerbare Energien in den USA bereitgestellt. Die Finanzmittel flössen in die Modernisierung des Stromnetzes, den Bau von Hochspannungsleitungen und die Förderung seltener Mineralien, die zur Herstellung von Batterien für die Speicherung variabler Energiequellen benötigt werden. „Diese Schritte schaffen eine potenzielle Nachfrage für Hersteller von Elektrogeräten und Industriekonglomeraten, die eine breite Palette an Dienstleistungen anbieten, sowie für Entwickler von fortschrittlichen Batterieenergiespeichersystemen“, führt die Portfoliomanagerin aus.

„Hinzu kommt: Sobald die Infrastruktur für erneuerbare Energien voll ausgebaut ist, sind nur noch geringe Wartungskosten damit verbunden“, sagt Dickson. „Dies könnte zu einem faktischen Einbruch des Strompreises in den USA führen und einem breiten Spektrum von Herstellern einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffen.“ Die Folge könne ein gewaltiger Produktivitätssprung sein, was sich wiederum positiv auf das Wachstum des US-Bruttoinlandsprodukts auswirken würde. „Strom ist der Fixkostenfaktor Nummer eins in der Industrie, bei der Öl- und Gasförderung sowie im Metall- und Bergbau“, erklärt die Expertin. „Wenn Unternehmen potenziell 90 Prozent weniger Stromkosten zahlen, können sie massive Produktivitäts- und Margensteigerungen erzielen, die wiederum in höhere Löhne und höhere Kapitalinvestitionen einfließen können.“

Trend Nr. 2: Energiesicherheit in Europa

Der Krieg in der Ukraine und der faktische Stopp der russischen Öl- und Gaslieferungen nach Europa hätten die Region vor die Herausforderung gestellt, ihre Energieversorgung zu sichern. „Viele Länder haben inzwischen erkannt, dass ihre nationale Sicherheit von stabilen Energieströmen abhängt“, sagt Dickson. „Das wird gewaltige Auswirkungen auf den Energiesektor und die Industrieunternehmen haben, die für den Aufbau der Infrastruktur benötigt werden.“ Als Beispiel nennt Dickson unter anderem das Unternehmen Caterpillar, das beispielsweise Rohrverleger und andere Gerätschaften herstellt, die beim Transport von Erdgas von der Quelle bis zu einer Anlage und schließlich zur Verschiffung verwendet werden. Auch Produzenten von Flüssigerdgas könnten von dem grundlegenden Wandel in Europa profitieren, darunter insbesondere in den USA ansässige Unternehmen für Flüssigerdgas (LNG), die zu den Produzenten mit den weltweit niedrigsten Kosten gehören.

Trend Nr. 3: Neuordnung von Lieferketten

Gleichzeitig würden viele Unternehmen versuchen, die Sicherheit ihrer Lieferketten zu verbessern, indem sie diese wieder näher an ihre heimischen Standorte und an die Endmärkte zurückführen. Jahrzehntelange Globalisierung zur Maximierung der Effizienz und Minimierung der Kosten hätten dazu geführt, dass viele Unternehmen durch Corona-bedingte Lockdowns und zunehmende geopolitische Spannungen zwischen den USA und China mit gestörten Lieferketten zu kämpfen hätten. „Unternehmen wurden sich während der Pandemie der Bedeutung von stärker lokal angesiedelten Zulieferern bewusst und haben erkannt, wie klug es ist, zugunsten einer gewissen Redundanz auf maximale Effizienz zu verzichten“, sagt Dickson. „Viele Hersteller haben erkannt, dass sie eine bessere Resilienz benötigen, sprich, mehr Transparenz in ihrer Lieferkette, Flexibilität bei der Umstellung der Produktionsart und Fernüberwachung.“

Wenn Unternehmen neue Fabriken bauen, würden sie versuchen, einen Teil dieser Kosten durch den Einsatz der neuesten und effizientesten Technologie zu kompensieren. Unternehmen, die diese Technologie bereitstellen, dürften davon profitieren. Als Beispiel nennt Dickson das japanische Industrieunternehmen Keyence, das unter anderem Automatisierungssensoren, Bildverarbeitungssysteme und Messgeräte für eine Reihe von Fertigungsvorgänge produziert.

Trend Nr. 4: Steigende Verteidigungsausgaben

Geopolitische Spannungen hätten zudem zu einem Anstieg der Verteidigungsausgaben weltweit geführt. Einige bedeutende Industrieländer, darunter Deutschland, Japan und andere, hätten Pläne für eine deutliche Aufstockung ihrer Verteidigungsbudgets bekanntgegeben. Gut geführte Rüstungsunternehmen seien daher gefragt. Allerdings würden nicht alle Titel des Sektors gleichermaßen von diesem Trend profitieren. Es sei entscheidend, zu verstehen, welche Unternehmen über die effektivsten Innovationen verfügten und am besten positioniert seien, um ihre Geschäftspläne umzusetzen und Herausforderungen wie Lieferkettenprobleme zu bewältigen.

Fazit: Eine Flut steigender Investitionsausgaben könnte vielen „Schiffen“ neuen Auftrieb geben.

Julie Dickson ist überzeugt: Flexible Unternehmen aus den Bereichen Stromerzeugung, Metalle und Bergbau, Energie und Fertigung, die die richtigen Investitionen tätigen, könnten von einem nachhaltigen Wachstumszyklus profitieren. „Seit mehr als einem Jahrzehnt, in dem sich Anleger auf Technologie- und digitale Konsumgüterunternehmen konzentrierten, haben Unternehmen große Investitionsinitiativen oft als negativ angesehen. Aber ohne traditionelle Industrien kann man die New Economy nicht aufbauen“, betont die Expertin. „Viele unterschätzen vielleicht das Potenzial umfangreicher Investitionsausgaben, die heute getätigt werden, um für kommende Jahre ein Gewinnwachstum zu generieren.“

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