ODDO BHF: Mythos und Wirklichkeit

Die "Gloreichen Sieben" - Mythos und Wirklichkeit (Foto: Enrique auf Pixabay)
Technologieaktien

Taktgeber am Markt sind erneut die großen wachstumsstarken Large Caps, vor allem aus den USA, wo die sogenannten „Glorreichen Sieben“ – mit Ausnahme von Tesla – seit Anfang des Jahres für kräftige Kurszuwächse im S&P 500-Index sorgen.

21.03.2024 | 09:36 Uhr

US-amerikanische Technologieaktien liegen also auch weiterhin in Führung – seit Oktober 2023 haben sie den S&P 500 um ganze 7,4% übertroffen. Europäische Technologiewerte stehen dem in nichts nach und verzeichnen eine ähnliche Outperformance. Die Um-schichtung von defensiven Aktien in Technologiewerte hat sich beschleunigt, da die Anleger von einem Umfeld niedriger Inflation und moderaten Wachstums ausgehen. Die jüngste Rallye von wachstumsstarken Large Caps und Technologiewerten weckt Erinnerungen an das Jahr 1999. Damals war diese Art von Aktien auch sehr teuer. Gleichzeitig war ihr Rendite-Risiko-Profil aber wenig attraktiv. Ihren Vormarsch konnte das jedoch nicht stoppen: Der Nasdaq 100-Index stieg zwischen dem 1. Januar 1999 und seinem Höchststand im März 2000 um beeindruckende 126%. Erst eine Serie von Zinserhöhungen und schlechte Zahlen von Börsenschwergewichten wie Qualcomm zwangen den Markt schließlich in die Knie.

Die derzeitige Konstellation unterscheidet sich von der Situation des Jahres 1999, da die Bewertungsniveaus der Technologie-unternehmen durch ihre soliden wirtschaftlichen Fundamentaldaten gerechtfertigt sind

Die Parallele zu 1999 wirft die Frage auf, ob wir uns derzeit in einer ähnlichen Blase befinden. Bei einem näheren Blick zeigen sich wesentliche Unterschiede:

Mythos ‚teure Aktien‘

Die Bewertungen der meisten Technologieaktien sind aktuell mitnichten überzogen. Seit der Einführung von ChatGPT legte der S&P 500-Index, befeuert durch die Technologiewerte, 27% zu, während der gleichgewichtete Index nur um 11% anzog. Aber selbst wenn US-Tech-Aktien teuer sind, können die Kurse durchaus weiter steigen. Das geschätzte KGV des Sektors auf Sicht der nächsten 12 Monate beläuft sich derzeit auf 28,5 und ist somit von seinem im April 2000 verzeichneten Höchststand von 48,3 noch weit entfernt. Zwar sind die Anleiherenditen gestiegen, sie liegen aber noch immer deutlich unter den im Januar 2000 verzeichneten 6,8%. Entsprechend ist die Risikoprämie von Aktien erheblich großzügiger als auf dem Höhepunkt der Technologieblase. Obwohl die derzeitige Kursrallye nur von wenigen Aktien getrieben wird, bevorzugen die Investoren wachstumsstarke Unternehmen, die – anders als 1999 – ansehnliche Gewinnmargen erzielen und eine geringe Verschuldung aufweisen. Angesichts der hohen Qualität dieser Unternehmen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Trend fortsetzt. Die positiven Ausblicke von Unternehmenschefs etwa von Nvidia und Alphabet und die Stärkung des „Momentum-Faktors*“ durch den Faktor Qualität unterscheiden die derzeitige Periode ebenfalls vom Jahr 1999.

Mythos ‚Unwirtschaftlichkeit‘

Die meisten Technologiewerte wirtschaften mittler-weile rentabel. Paradebeispiel ist hier Nvidia. Der Umsatz des Unternehmens belief sich 2023 auf 61 Milliarden USD und ist damit doppelt so hoch wie 2022. Der Gewinn ist in nur einem Jahr um das Neunfache auf 12,3 Milliarden USD gestiegen. Anleger honorierten diese beeindruckenden Zahlen und trieben die Marktkapitalisierung von Nvidia auf 2 Billionen USD – dies entspricht einem Anstieg um fast 30% allein im Februar. Bei Microsoft und Alphabet sieht es ähnlich aus. Microsoft erzielt seit fünf Jahren eine konstante EBITDA-Marge von 50%. Das für die nächsten beiden Jahre prognostizierte Gewinnwachstum von rund 15% lässt das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 35 annehmbarer erscheinen. Ausgehend von diesen Annahmen würde das KGV bei ansonsten unveränderten Bedingungen bereits 2025 auf 30 und 2026 auf 26 sinken. Außerdem steht der verfügbare Cashflow von Microsoft bei 81 Milliarden USD. Angesichts der in den USA bei 5% liegenden kurzfristigen Zinsen beflügelt die Cash-Rendite den Gewinn je Aktie. Mit diesem Cashflow können die Unternehmen Chancen durch externes Wachstum, d.h. Übernahmen, nutzen, falls das organische Wachstum schwächelt. Und letztendlich sorgen auch die starken Marktanteile momentan für hohe Markteintrittsbarrieren und ermöglichen Preiserhöhungen, von denen Wettbewerber nur träumen können – eine ideale Gleichung, da Preis und Volumen zumindest kurzfristig im Einklang stehen.

Mythos ‚Unbeliebtheit‘

Technologiewerte ziehen noch immer hohe Kapitalzuflüsse an. Einer neuen Umfrage von JP Morgan zufolge, die den Boom des Technologiesektors in den ersten beiden Monaten berücksichtigt, glauben 56% der Anleger, dass die „Glorreichen Sieben“ ihren guten Lauf 2024 fortsetzen werden. Diese positive Anlegerstimmung schlägt sich in hohen Mittelzuflüssen in die US-Indizes nieder. So verzeichnete der S&P 500 in den letzten fünf Wochen Zuflüsse in Höhe von 75 Milliarden USD, ganz zu schweigen von den an-haltenden Kapitalzuflüssen in den Nasdaq. Das tägliche Handelsvolumen von Nvidia beträgt 30 Milliarden USD – dies entspricht dem zehnfachen gesamten Handelsvolumen des CAC40! Eine Modeerscheinung oder ein langfristiger Trend? Die Polarisierung mag extrem erscheinen, aber sie lässt sich momentan durch die außergewöhnlichen Unternehmensergebnisse rechtfertigen, die von der Börse mit einer genauso außergewöhnlichen Performance honoriert werden.

Mythos ‚Kurssturz nach Zinserhöhung‘

Unser Basisszenario geht nicht von einer Zinserhöhung aus, die einen deutlichen Kursrückgang der Technologiewerte auslösen würde. Zwar brachte eine Zinserhöhung die Dotcom-Blase in den 1990er Jahren zum Platzen, heute rechnen die Märkte aufgrund der Stabilisierung des Wachstums und des Rückgangs der Inflation jedoch eher mit einer Zinssenkung im Jahres-verlauf. Auch wenn das Wachstum die inflationären Kräfte wieder anheizen sollte, könnte die zeitverzögerte Reaktion der Inflation dazu führen, dass die Teuerung fast im gesamten Jahr 2024 gedämpft bleibt. Diese Konstellation könnte schnell eine neue Spekulationswelle bei Technologiewerten auslösen, ins-besondere in Anbetracht des erneuten Anstiegs des „Momentum-Faktors*“. Ein Szenario, in dem die US-Federal Reserve ihre Zinsen nicht senkt, wäre deutlich ungünstiger, denn in diesem Fall wäre das Wachstum stärker als erwartet und die Inflation hartnäckiger. Die Auswirkungen wären jedoch verkraftbar, da die Aufwärtskorrektur des Wachstums zu höheren Unternehmensgewinnen führen und damit den Anstieg der langfristigen Zinsen mehr als ausgleichen würde, insbesondere bei auf diesen Niveaus verharrenden Gewinnmargen.

Mythos ‚bevorstehende Umkehr des Gewinntrends‘

Wir gehen nicht von einer kurz- bis mittelfristigen Umkehrung des Gewinntrends aus – eine schnelle Trendumkehr ist nur schwer vorstellbar. So rechnen etwa im Halbleitersektor Unternehmen wie ASML aufgrund der Erneuerung der Infrastruktur für Chips der nächsten Generation in den nächsten zwei bis drei Jahren mit einem Gewinnwachstum um die 30%.

Mythos ‚Rotation in Value-Sektoren‘

Einen Mean Reversion-Effekt bei Value-Aktien, ausgelöst durch Gewinnmitnahmen aufgrund hoher Bewertungen, halten wir für unwahrscheinlich. Voraussetzung hierfür wäre eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums durch einen Anstieg der Industrieproduktion. Angesichts fehlender fiskalischer Impulse ist eine derartige Konstellation ohne eine markante Erholung Chinas, das derzeit mit den Nachwehen seiner Immobilienkrise zu kämpfen hat, wenig wahrscheinlich.

Fazit: Die derzeitige Konstellation unterscheidet sich von der Situation des Jahres 1999, da die (keinesfalls übertriebenen) Bewertungsniveaus der Technologieunternehmen durch ihre soliden wirtschaftlichen Fundamentaldaten gerechtfertigt sind.

Wie sollte die Positionierung aussehen?

Aktien: Hier ist unsere Empfehlung, weiterhin den Fokus auf die Anlagethemen Künstliche Intelligenz, Luxusgüter und Gesundheit zu legen.

Staatsanleihen: Die Aussicht auf eine sinkende Inflation und ein sich abschwächendes Wachstum dürfte es der Federal Reserve ermöglichen, die Zinsen zu senken. Ob um 50, 75 oder 100 Basispunkte ist dabei nicht wirklich das Thema, ausschlaggebend ist die Signalwirkung durch den Beginn des Zinssenkungszyklus. Daher nehmen wir im verflachten 2- bis 10-jährigen Bereich der Zinskurve unsere gesamten Gewinne mit, im 10- bis 30-jährigen Segment dagegen nur einen Teil. Wir kaufen Anleihen mit 5-jähriger Laufzeit und verkaufen 10-jährige Papiere. Des Weiteren erhöhen wir die Duration 10-jähriger US-Anleihen. Das Risiko eines Anstiegs um 20 bis 30 Basispunkte wird durch Carry kompensiert. Man muss einen langfristigen Ansatz verfolgen. Mit kurzfristigen US-Staatsanleihen, die mit 4,50% rentieren, nähern wir uns dem „fair price“ (2% Potenzialwachstum und 2,50% strukturelle Inflation).

Unternehmensanleihen: Hier peilen wir für High Yield-Papiere ein Spreadniveau von 300 Basispunkten an, bevor wir zu Gewinnmitnahmen schreiten. Sollte man angesichts einer Einengung des Spreads um 50 Basispunkte wirklich das Risiko einer Trendumkehr in Kauf nehmen? Wir denken schon. Diese Meinung stützt sich auf einen grundlegenden Vorteil bei Unternehmensanleihen: der Faktor Carry.

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