AB: Sind Technologieaktien heute, was einst die Versorger waren?

AB: Sind Technologieaktien heute, was einst die Versorger waren?
Technologieaktien

Technologieaktien galten in der Vergangenheit nicht als defensive Investments. Doch seit die Coronavirus-Krise die fundamentale Rolle der Technologie in unserem Leben verstärkt, können Anleger in Unternehmen, die zu digitalen Versorgungsunternehmen geworden sind, die globale Netzwerke ermöglichen, Quellen für Risikominderung und Wachstumspotenzial finden.

23.06.2020 | 08:00 Uhr

Globale Technologieaktien haben in einem schwierigen Jahr solide Kursgewinne verzeichnet. Der MSCI World Technology Index stieg in diesem Jahr bis zum 5. Juni um 10,3 %, während der MSCI All Countries World Index um 3,9 % fiel (auf US-Dollar-Basis). Skeptiker könnten die Leistung des Sektors hauptsächlich auf Giganten wie Facebook und Netflix zurückführen. Wir glauben jedoch, dass die Trends und Möglichkeiten der Branche weit über die berühmten FAANG-Aktien hinausgehen.

Mind the Gap: Technologiewachstum übertrifft den Markt

Die Unternehmensgewinne haben sich im gesamten Sektor als widerstandsfähig erwiesen. Globale Technologieaktien verzeichneten im ersten Quartal vor der Coronavirus-Krise ein viel stärkeres Gewinn- und Umsatzwachstum als der breite Markt. Und seit dem Ausbruch der Pandemie hat sich dieser Abstand noch vergrößert.

Nach Konsensschätzungen wird erwartet, dass globale Tech-Unternehmen in diesem Jahr ein Umsatzwachstum von 2 % erzielen werden, ähnlich wie defensive Sektoren wie Gesundheitswesen und Basiskonsumgüter. Es wird erwartet, dass die Tech-Gewinne in diesem Jahr um 3,9 % steigen werden, während die meisten Sektoren zweistellige Rückgänge erleiden könnten. Selbst wenn wir einen Teil der dramatischen Auswirkungen der Pandemie glätten, indem wir eine zusammengesetzte jährliche Wachstumsrate von 2019 bis 2021 betrachten, wird erwartet, dass das Gewinn- und Umsatzwachstum des Tech-Sektors das Tempo des übrigen Marktes um 9,5 % beziehungsweise 3,8 % übertreffen wird (Abbildung).

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Der Versorgereffekt: Lebensnotwendig

Was hat den Sektor in einem so herausfordernden Umfeld unterstützt? Vieles rührt von der neuen Rolle der Technologie als Versorgungsunternehmen her – etwas, ohne das Verbraucher und Unternehmen einfach nicht leben können. Viele Menschen schalten ihre Smartphones gleich morgens an und schalten sie kurz vor dem Schlafengehen wieder aus. Breitband, Mobilität, Internet-Lieferungen und Video-Streaming sind heute wesentliche Dienste. Diese Notwendigkeiten sind noch größer geworden, seit die Pandemie den Bedarf an Einkaufen, Lernen und Arbeiten aus der Ferne erhöht hat.

Für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen ist die Technologie unverzichtbarer denn je. Ohne eine robuste digitale Infrastruktur können Unternehmen nicht effizient von zu Hause aus arbeiten, und Studenten haben keinen Zugang zu Online-Kursen. Regierungs- und Gesundheitsorganisationen sind auf Technologieplattformen angewiesen, um zeitkritische Informationen an die Öffentlichkeit zu kommunizieren. Mitarbeiter und Kunden erwarten lückenlose Cybersicherheit. Rechnungs- und Zahlungssysteme müssen nahtlos funktionieren.

Zuverlässigkeit unterstützt nachhaltiges Wachstum

Heute erwarten die Menschen von der Technologie die gleiche Zuverlässigkeit wie von einem Wasser- oder Stromversorger. Erwartungen an die betriebliche Stabilität untermauern wiederkehrende Einnahmequellen, die dazu beitragen, die Erträge unter schwierigen Marktbedingungen zu stützen. Das ist die gleiche Dynamik, die Versorgeraktien den Anlegern durch dick und dünn vermittelt haben.

Da viele Anwendungen der Technologie neu sind, können Anleger gleichzeitig auch von nachhaltigen Wachstumstrends profitieren. Allerdings sind nicht alle Technologieunternehmen gleich. Um das langfristige Ertragspotenzial in diesem Sektor auszuschöpfen, sollten man also nach Unternehmen Ausschau halten, die die technologische Revolution ermöglichen oder die digitale Transformation vorantreiben, darunter in folgenden Bereichen:

  • Cloud-Infrastruktur: Angesichts der Tatsache, dass Unternehmen im Telearbeitsmodus arbeiten und die Nachfrage nach Dienstleistungen vom Fernunterricht bis zur Telemedizin gestiegen ist, ist Cloud Computing zu einer noch wichtigeren Infrastrukturkomponente geworden. Unternehmen, die für ein reibungsloses Funktionieren der Cloud sorgen oder innovative cloudbasierte Anwendungen anbieten, sind für die sich entwickelnde Umgebung gut positioniert. Beispiele hierfür sind Twilio, ein Anbieter von Software für cloudbasierte Kommunikationsplattformen, der Unternehmen bei der Verbesserung der digitalen Kundenbindung unterstützt, und Ciena, ein Anbieter optischer Systeme, der entscheidende Elemente für den bevorstehenden Ausbau des 5G-Netzwerks bereitstellt und die Konnektivität und Geschwindigkeit von Rechenzentren verbessert.
  • Automatisierungstechnologien: Da die globalen Lieferketten neu gestaltet werden und Unternehmen erwägen, ihre Kapazitäten zurück in die Industrieländer zu verlagern, werden Automatisierungstechnologien von entscheidender Bedeutung sein. Unternehmen benötigen mehr Automatisierung, um effiziente und zuverlässige Produktionskapazitäten zu unterstützen und ihre Kostenstruktur flexibler zu gestalten. Das „Internet der Dinge“ wird mit der Ausweitung der 5G-Netze zu einem Schlüsselmerkmal der Automatisierung werden. Zusätzlich zu den unbemannten Fabriken und Lagerhäusern wird es auch mehr Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter geben, die von Unternehmen mit Schlüsseltechnologien wie Keyence, Teradyne und IPG Photonics betrieben wird.
  • Zahlungssysteme: In einer Welt der sozialen Distanzierung lacht Bargeld nicht mehr. Unternehmen wie PayPal und Adyen etwa werden im Zentrum eines Aufschwungs des elektronischen Handels und der zunehmenden Nutzung kontaktloser Zahlungssysteme stehen – auch in stationären Geschäften.


Natürlich war der technologische Wandel in diesen Bereichen schon lange vor der gegenwärtigen Krise im Gange. Doch das Coronavirus hat Veränderungen beschleunigt, die zu einer höheren Nachfrage nach vielen Produkten und Dienstleistungen im gesamten Sektor führen dürften. Innovative Unternehmen, die diese Veränderungen vorantreiben (von denen viele nicht in der Benchmark zu finden sind), sollten unserer Ansicht nach selbst unter rauen Konjunkturbedingungen über Preismacht verfügen.

Innovationsführer sorgen für Stabilität und Wachstum

Technologieführer wie diese Unternehmen sind nicht unbedingt billig. Globale Technologieaktien werden mit einem Voraus-Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21,9 gehandelt, was einem Aufschlag von 26 % gegenüber dem MSCI ACWI mit 17,3 entspricht. Wir sind jedoch der Meinung, dass es sich lohnt, für ausgewählte Unternehmen, die innovative Technologien zur Förderung eines nachhaltigen Wachstums anbieten, mehr zu zahlen, insbesondere im heutigen wachstumsschwachen Umfeld und angesichts der erheblichen Unsicherheit über den Weg zur Erholung.

Investments in Technologie erfordern spezielle Fähigkeiten. Da die technologische Innovation die Eintrittsbarrieren senkt und die Geschwindigkeit der Umwälzungen zunimmt, benötigen Anleger ein tiefes Verständnis der transformativen Trends, um die Gewinner auszuwählen. Wer nur aufgrund der jüngsten Performance auf den Technologiezug aufspringt, verfügt möglicherweise nicht über das Fachwissen, um Pioniere mit dauerhaften Geschäftsmodellen von Unternehmen zu unterscheiden, die auf kurzfristiger Euphorie reiten.

Die Entdeckung von Technologieaktien für eine Welt nach dem Coronavirus erfordert eine strategische Ausrichtung auf die sich entwickelnde Geschäftsdynamik, die die Nachfrage nach den Dienstleistungen von morgen ankurbelt. Mit dem richtigen Ansatz können Anleger Technologieunternehmen finden, die defensiven Versorgungsunternehmen ähneln (was die Erträge in Baissen stützt), aber auch Innovation bieten, um das Wachstum für bessere Zeiten voranzutreiben.

Lei Qiu ist Portfoliomanagerin des International Technology Portfolios und Senior Research Analyst für Thematic and Sustainable Equities bei AllianceBernstein (AB).

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.

MSCI gibt keine ausdrücklichen oder stillschweigenden Gewährleistungen oder Zusicherungen ab und übernimmt keinerlei Haftung in Bezug auf die hierin enthaltenen MSCI-Daten.

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