Das Coronavirus hat auch die Schwellenländer hart getroffen – nicht zuletzt finanziell. Anleger schwanken zwischen der Sorge um die Wirtschaft und der Hoffnung, dass die schlimmsten negativen Auswirkungen durch geldpolitische und konjunkturstützende Maßnahmen gemildert werden können.
31.03.2020 | 10:27 Uhr
Claudia Calich, Managerin des M&G (Lux) Emerging Markets Bond Fund, erwartet aufgrund der aktuellen Stresssituation steigende Ausfallraten, erkennt aber auch einen Silberstreif am Horizont:
„In
den letzten Wochen sind Investoren in Scharen aus Staats- und
Unternehmensanleihen der Schwellenländer geflüchtet, und die fallenden
Kurse haben die Anleiherenditen auf ein Niveau gehoben, das sich nur mit
der Finanzkrise 2008 vergleichen lässt. Bei den aktuellen Bewertungen
des Index für Schwellenländer-CDS – also den Prämien für
Kreditausfallversicherungen – würden Anleger davon ausgehen, dass fast
jedes dritte Schwellenland in den kommenden fünf Jahren seine Schulden
nicht fristgerecht bedienen kann. Die Situation ist zwar sehr ernst und
wird wohl zu höheren Ausfallraten führen, aber es ist doch
unwahrscheinlich, dass so viele Emittenten in den kommenden Jahren
zahlungsunfähig werden.
Differenziertere Neubewertung nötig
Dass
Anleger möglicherweise überreagiert und Emittenten undifferenziert
abgestraft haben, zeigt sich an den längerfristig unterschiedlichen
Auswirkungen des Preisverfalls bei Öl. Mit unter 30 US-Dollar pro Barrel
wird Öl derzeit für weniger als die Hälfte des Preises vom Januar 2020
verkauft. Für ölexportierende Schwellenländer ist das eine große
Herausforderung und kann ihre Fähigkeit zur Schuldentilgung
beeinträchtigen. Aber manche Staaten, wie Russland, verfügen über einen
robusten Haushalt und können eher mit niedrigeren Öleinnahmen fertig
werden als andere Länder, zum Beispiel Ecuador. Für Länder, die Öl
importieren müssen, bedeuten sinkende Preise dagegen einen Schub für
ihre Zahlungsbilanz. Sie könnten dadurch besser gerüstet sein, um die
globale Rezession zu überstehen.
Unserer Ansicht nach war es deshalb richtig, dass die Märkte Ölexporteure neu bewerten, aber auch Länder oder Unternehmen, die stark vom Tourismus abhängig sind sowie Unternehmensanleihen mit sehr schwacher Liquidität oder großen Refinanzierungsrisiken. So spiegeln sich schwächere Fundamentaldaten wider, die in den nächsten sechs bis zwölf Monaten oder länger anhalten könnten.
Aber
wir haben auch einige Anleihen gesehen, die unserer Meinung nach beim
Ausverkauf zu viel verloren haben. Dazu gehörten ölimportierende Länder
ohne Einnahmen aus dem Tourismus, wie die Elfenbeinküste, Ruanda,
Pakistan oder Honduras, sowie nicht zyklische Firmenadressen aus dem
Gesundheits- und Lebensmittelsektor.
Grundsätzlich gilt weiterhin: Wer in Schwellenländer investiert, sollte Chancen und Risiken breit streuen und weltweit verschiedene Instrumente mischen. Ein Schlüsselfaktor ist die richtige Asset-Allokation zwischen Staats- und Unternehmensanleihen, die in Hartwährungen und lokalen Schwellenmarktwährungen emittiert werden. Momentan geht es vor allem darum, die Risiken zu reduzieren und die Volatilität zu kontrollieren. Aktuell halten wir eine deutliche Untergewichtung bei Lokalwährungsanleihen für geboten. Länder wie Russland, Malaysia, Indonesien, die Dominikanische Republik, Peru und Mexiko könnten hier interessant sein. Insgesamt sind derzeit jedoch Anleihen in US-Dollar attraktiver; sie machen jetzt etwa 70 % unseres Portfolios aus.
Es ist derzeit nach wie vor schwierig, die tatsächlichen Auswirkungen auf das globale Wachstum und damit auf Unternehmen und Staaten abzuschätzen. Im April wird die Weltbank ihre aktualisierten Prognosen zum Wirtschaftswachstum der Schwellenländer veröffentlichen – und diesen Termin sollten sich Anleger unbedingt vormerken.“
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