ESG-Fonds liefen zuletzt besser als klassische Fonds. Doch profitieren sie dabei lediglich von einem Quality-Growth-Bias? Dazu fragte TiAM FundResearch Stefan Rheder, Gründer und Chef der Value Intelligence Advisors GmbH (VIA).
09.10.2020 | 14:00 Uhr von «Ralf Ferken»
Die Mischfonds
der Value Intelligence Advisors GmbH
Rehder managt den Mischfonds Value Intelligence Fonds sowie dessen nachhaltiger Variante, den Value Intelligence ESG Fonds. Bei beiden Fonds setzt er primär auf günstig bewertete Qualitätsaktien.
„Die nachhaltigen Kriterien für den ESG-Ableger sind bewusst sehr streng formuliert, um unterschiedlichen Interpretationen der Nachhaltigkeit gerecht zu werden”, sagt er.
Die Folge: In der klassischen Variante hält er zurzeit 60 Einzelwerte und operiert mit einer Aktienquote von rund 65 Prozent. Für den ESG-Ableger qualifizieren sich dagegen nur 38 Titel und die Aktienquote fällt aktuell mit 50 Prozent deutlich niedriger aus.
Sprich: Je strenger er die ESG-Kriterien auslegt, umso weniger passende Titel findet er. Jedoch waren die Aktien bei ihm umso erfolgreicher, je strenger er die ESG-Elle anlegte. Daher würde die ESG-Variante besser laufen als die normale Variante, wenn Rehder die Aktienquote dort ebenfalls auf 60 Prozent anheben könnte und weniger niedrig verzinste Anleihen hielte.
Name | Performance 2020 (in %) | Performance 3 Jahre (in %) | ISIN |
---|---|---|---|
Value Intelligence ESG Fonds AMI P a | -0,3 | 17,0 | DE000A2DJT49 |
Value Intelligence Fonds AMI P a | 0,5 | 13,6 | DE000A12BRE4 |
Stichtag: 07.10.2020; Quelle: vwd |
Das Interview
Herr Rehder, inwiefern fänden Sie einen einheitlichen ESG-Standard auf EU-Ebene gut?
Prinzipien unterscheiden sich von Mensch zu Mensch, Religion zu Religion oder Kultur zu Kultur. Ein einheitlicher Standard ist vor diesem Hintergrund fast utopisch, dennoch denke ich, dass es eine Schnittmenge gibt, die als Mindeststandard formuliert werden könnte.
Gilt dies auch, wenn ein solcher Standard Ihren Ansichten zuwiderliefe?
Wir würden den Standard akzeptieren und in unserem streng nachhaltigen Fonds umsetzen. Für uns nehmen ESG-Standards eine Schiedsrichterfunktion ein. Das wir die ein oder andere Regel anders formulieren würden oder im Einzelfall auch einmal falsche Entscheidungen getroffen werden, bedeutet für uns nicht, dass wir uns einem gesellschaftlichen Konsens entziehen.
Inwiefern lohnt sich der ESG-Ansatz in puncto Rendite-Risiko-Verhältnis?
ESG Kriterien reduzieren unseres Erachtens das Risiko negativer Überraschungen signifikant. So liegt der Value Intelligence ESG Fonds drei Jahre nach Auflage von der Performance unter den Top fünf Prozent des Citywire Mischfonds Universums, beim Maximal Drawdown unter den Top 20 Prozent – was jeweils ein sehr gutes Ergebnis ist.
Hat der ESG-Ansatz implizit einen Quality-Growth-Bias, so dass ESG-Aktien aufgrund dieses Faktors besser liefen?
Generell ja, da Quality-Growth-Geschäftsmodelle in der Regel Asset Light sind. Diese sind in Bezug auf Nachhaltigkeitsfaktoren häufig unproblematischer, etwa bei Software, und bekommen in der Folge bessere Noten. Quality Growth profitierte überproportional von den sinkenden Zinsen im letzten Jahrzehnt, ein Trend der sich so nicht fortsetzen kann und nachhaltige Anleger vor Probleme stellen könnte. Unser Value-Ansatz hat ebenfalls einen Quality-Growth-Bias, insgesamt ist unser Value Stil aber eklektischer, das heißt wenn Quality-Growth-Werte als Gruppe überbewertet sind, suchen wir in anderen Bereichen nach unterbewerteten und nachhaltigen Unternehmen.
Besteht die Gefahr, dass perfekte ESG-Titel zu teuer werden?
Temporär dürfte die Gefahr besonders hoch sein, da sehr viel Geld passiv in nachhaltigen Unternehmen angelegt wird und die Differenz zwischen Wert und Preis dabei keine Rolle spielt. Die sehr guten Ergebnisse der letzten zehn Jahre werden massiv extrapoliert – sowohl von den Käufern als auch zahlreichen Verkäufern nachhaltiger Produkte. Dass ein gutes und nachhaltiges Unternehmen nicht automatisch ein gutes Investment ist, wird dabei übersehen. Wir versuchen dagegen Werthaltigkeit und Nachhaltigkeit in Einklang miteinander zu bringen und verfügen auch über die Freiräume in der Portfoliokonstruktion temporär Liquidität zu halten, wenn dies nicht anders möglich sein sollte.
Stefan Rehder
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