Capital Group: Handelskonflikt mit China – Droht Amerika eine Rezession?

Marktkommentar

In den vergangenen Wochen hat sich das Investmentumfeld in den USA drastisch gewandelt. Erstmals seit einer Dekade wurde der Leitzins gesenkt, der Handelskonflikt mit China hat sich intensiviert und die Volatilität ist an die Märkte zurückgekehrt.

22.08.2019 | 14:03 Uhr

Welche Folgen das für die amerikanische Wirtschaft hat und ob gar eine Rezession droht, analysieren Darrell Spence und Jared Franz, beides Volkswirte bei Capital Group:

1. Die zwei Seiten der Wirtschaft

„Das Wirtschaftswachstum liegt noch immer bei zwei Prozent, die Arbeitslosenquote bei weniger als vier und auch die Löhne steigen“, sagt Spence. „Wenn wir nur die inländischen Daten betrachten, erscheint die amerikanische Wirtschaft nach wie vor in guter Verfassung.“ Auf der anderen Seite müsste aber die schwächere industrielle Produktion gesehen werden. Diese würde durch sinkende Exportzahlen gedrückt und angedrohte Strafzölle im amerikanisch-chinesischen Handelskonflikt führten zu höheren Lagerbeständen, was ebenfalls die Industrie belastet.

Zwar würde die amerikanische Wirtschaft insbesondere durch den inländischen Konsum beeinflusst, eine weitere Intensivierung des Handelskonfliktes würde aber drastische Konsequenzen haben. Würde Amerika die Zölle auf chinesische Produkte auf 25 Prozent erhöhen und China sich mit entsprechenden Zöllen revanchieren, wären rezessionshafte Zustände in den USA und global nur schwer abzuwenden. 

Abgesehen von den geopolitischen Entwicklungen, stehe es jedoch noch immer gut um die amerikanische Wirtschaft. „Wenn wir weitere Eskalationsstufen des Handelskonfliktes vermeiden können und die FED weiter positive Impulse für die Wirtschaft setzt, wären ein bis zwei weitere Jahre starken Wachstums nicht verwunderlich“, meint Spence.

2. Die Erwartungen des Marktes

Die Geldpolitik der Fed sei darüber hinaus auch die entscheidende Einflussgröße auf den Fixed-Income-Bereich. Dort waren die Anleihen-Zinsen zuletzt stark gefallen, was auf eine sich anbahnende konjunkturelle Abkühlung hindeuten könnte. Auch die aktuell inverse Zinsstrukturkurve könnte als Indikator für eine Rezession gedeutet werden. Die Gründe lägen jedoch primär in den Erwartungen des Marktes. „Der Markt geht von fünf weiteren Zinssenkungen über jeweils 25 Basispunkten bis Ende 2020 aus“, sagt Franz.

„Mit einer solchen Geschwindigkeit hat die Fed die Zinsen bisher nur ein einziges Mal außerhalb einer Rezession gesenkt.“ Darüber hinaus seien noch weitere Faktoren für die sinkenden Renditen amerikanischer Anleihen verantwortlich – beispielsweise negative Zinsen in Europa und Japan. Die Renditen deutscher Staatsanleihen lägen aktuell zum Beispiel bei -0,6 Prozent. Das lasse amerikanische Anleihen attraktiver erscheinen. Dieser Effekt würde durch weitere sich anbahnende Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank verstärkt. Das erkläre, warum der Anleihenmarkt eine Rezession andeute, obwohl sich Aktien weiterhin in der Nähe eines Allzeithochs bewegten.

3. Aktien erscheinen attraktiver als Anleihen

Angesichts der expansiven Geldpolitik der Fed seien die Marktaussichten für Aktien gegenwärtig positiv und auch dem Handelskonflikt würden die Aktienmärkte bisher gut standhalten. Trotz der angekündigten Strafzölle seien amerikanische Aktien im bisherigen Jahresverlauf um 17 Prozent gestiegen und mit den zweistelligen Zuwächsen sei auch im restlichen Jahresverlauf zu rechnen. Die Volatilität habe sich zwar erhöht, verglichen mit früheren Schwankungen habe sie sich aber eher nach einer außerordentlich ruhigen Phase normalisiert und sei nicht außergewöhnlich hoch.

Das Fazit für den Experten ist daher eindeutig. „Wenn man die Möglichkeit von rezessionshaften Entwicklungen ausklammert, erscheinen Aktien aktuell attraktiver als Anleihen“, sagt Spence. „Die Fed unterstützt die bereits wachsende Wirtschaft weiterhin und das könnte die Preise von risikoreichen Anlagen weiter antreiben, wohingegen Anleihen-Zinsen nur schwerlich weiter sinken können. Die Aktienbewertungen sind zwar bereits sehr hoch, sie werden aber von niedrigen Anleihen-Zinsen weiter unterstützt.“

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