EdR AM: Neuer Megatrend - Investitionen in Humankapital

EdR AM: Neuer Megatrend - Investitionen in Humankapital
Marktkommentar

Als zukunftsgerichteter Investor ist es uns wichtig, Trends zu erkennen, die die Welt von morgen bestimmen. Angesichts langfristiger Trends wie der Alterung der Bevölkerung und des schnelleren Technologiefortschritts ist es unabdingbar, in Humankapital zu investieren – ein neuer Megatrend.

18.06.2021 | 08:33 Uhr

Aus sozialer Sicht ist er eine Reaktion auf die vordringlichen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit: Bekämpfung von Ungleichheit, Technologie für alle und die entsprechende Anpassung des Arbeitsumfelds. Diesen langfristigen Herausforderungen kann man begegnen, indem man Mitarbeiter nachhaltig weiterbildet und schützt.

Ausbildung: Damit fängt alles an

Wenn es um Humankapital und nachhaltiges Wachstum geht, steht das Thema Ausbildung an erster Stelle. Schließlich sagte schon Sokrates zu Adeimantos: „Die Richtung, in die die Erziehung einen Menschen führt, bestimmt sein künftiges Leben.“ Bildung war also schon in der Antike langfristig ausgelegt.

Sie kann sowohl auf gesamtwirtschaftlicher als auch auf mikroökonomischer Ebene viel bewegen. Die Schwellenländer legen größten Wert auf Bildung, weil sie so zum Lebensstandard der Industrieländer aufschließen können. In den Industrieländern gilt Bildung als wichtige Waffe gegen Armut und Ungleichheit. Laut OECD kann „die Qualität der Bildung ein guter Indikator für die wirtschaftliche Zukunft eines Landes sein“. Deshalb sind die Bildungsausgaben bei stabilen Schüler- und Studierendenzahlen dauerhaft um vier Prozent jährlich gestiegen.

Einige Bereiche des Bildungssektors wachsen sogar noch schneller. Vor allem sogenannte „EdTech“ (neue Technologien bei Lehrmitteln) dürfte in den nächsten Jahren um über zwölf Prozent p.a. wachsen.2 In diesem Bereich entstehen innovative Unternehmen, die neue Tools für Lehrende und Schüler/Studierende anbieten und so für eine bessere Qualität und leichtere Verbreitung von Lerninhalten sorgen. Sehr gute Beispiele hierfür sind Unternehmen wie TAL Education, Chegg oder Sanoma.

Durch Studien der OECD lässt sich leichter erfassen, welchen Mehrwert Bildung leistet. Beispielsweise kostet ein Diplomstudium an einer Hochschule im Durchschnitt 53.000 US-Dollar und erzielt einen Wert von 320.000 US-Dollar. Das entspricht einer Internal Rate of Return (IRR) von 14 Prozent. Einer anderen Berechnung zufolge beträgt der Nettogegenwartswert eines Diplomstudiums für den Staat 135.000 US-Dollar.

Diese Zahlen sind bemerkenswert, weil sie den wirtschaftlichen Nutzen von Bildung für die Gesamtwirtschaft zeigen. Auf mikroökonomischer Ebene zeigen sie, wie wichtig Weiterbildungsangebote sind und unterstreichen die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle von Unternehmen aus diesem Sektor. Sie zeigen auch ihre Preismacht, also ihre Fähigkeit, die Angebotspreise zu bestimmen.

Die Stellenbeschreibungen ändern sich

Die Weitergabe von Wissen ist natürlich eng mit dem Thema Aus- und Weiterbildung verknüpft. Dieser Ansatz ist für sich genommen dennoch ein neuer Trend. Mathilde Lemoine, Chefvolkswirtin der Edmond de Rothschild Group, sieht zwei strukturelle Kräfte wirken: die Alterung der Bevölkerung und schnellere technische Fortschritte. Durch diese beiden grundlegenden Entwicklungen wird Humankapital schneller obsolet. Mit Investitionen in Bildung und Weiterbildung kann man dieser Herausforderung begegnen.

Auch deshalb hat die chinesische Regierung kürzlich angekündigt, 30 Prozent der Arbeitskräfte des Landes bis 2030 „neu auszubilden“, um ihre Wachstumsziele zu erreichen. Eine Studie von Dell Technologies und dem Institute for the Future kommt zugleich zu dem Schluss, dass 85 Prozent der Beschäftigten im Jahr 2030 Funktionen haben werden, die es heute noch gar nicht gibt. Diese Zahl ist möglicherweise umstritten, aber eines steht fest: Angesichts des derzeitigen Technologiewandels verändern sich die Stellenbeschreibungen, sodass eine wachsende Nachfrage nach Bildung und Ausbildung entsteht.

Schutz der Mitarbeiter führt zu mehr Produktivität

Zudem ist der Schutz der Mitarbeiter und ihr Wohlergehen Teil einer langfristigen Entwicklung. Es geht um den Schutz des Humankapitals aus moralischen und finanziellen Gründen.

Das Bewusstsein für den moralischen Aspekt ist neu, aber seine Bedeutung wird steigen, vor allem in den Schwellenländern. Wir dürfen jedoch davon ausgehen, dass der ursprüngliche Auslöser finanzieller Natur war. Zwei Wissenschaftler der University of California gelangten zu der Schätzung, dass sich die Kosten, die durch Arbeitsunfälle entstehen, allein in den USA auf bis zu 200 Milliarden US-Dollar jährlich belaufen. Nach Angaben der EU-OSHA (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz) beträgt der Schaden in Europa jedes Jahr über 400 Milliarden Euro. Die Agentur hat ausgerechnet, dass jeder Euro, der in den Schutz der Mitarbeiter investiert wird, eine Investitionsrendite von 2,20 Euro erzielt.

Unternehmen, die in den Schutz und das Wohlergehen ihrer Belegschaft investieren, haben also einen guten finanziellen Grund dafür. Außerdem haben diese Investitionen sehr positive Nebeneffekte. Erstens bleiben die Mitarbeiter dem Unternehmen treu, was zu mehr Produktivität und weniger Fluktuation führt. Das erklärt auch die Schlussfolgerungen von KBV Research. Das Unternehmen prognostiziert, dass die Budgets für den Schutz der Mitarbeiter in den nächsten Jahren um mehr als zehn Prozent p.a. wachsen – drei Mal so stark wie die Wirtschaft. Von dieser Entwicklung dürften einige börsennotierte Unternehmen wie Rentokil, Epiroc oder Ecolab besonders profitieren.

Investitionen in Humankapital sind daher die wirtschaftliche und gesellschaftliche Antwort auf die Herausforderungen der nächsten Jahre. Durch langfristige Trends, die durch strukturelle Veränderungen entstehen, kommt es zu einer stärkeren Nachfrage nach Bildung, Weiterbildung und Schutz der Mitarbeiter. Für Unternehmen, aber auch für ganze Länder hat die Verbesserung des Humankapitals eine moralische und eine wirtschaftliche Dimension.

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