Die Selbstgefälligkeit der Anleger geht Drawdowns voraus, aber die entscheidenden Faktoren werden meist erst in der Nachbetrachtung sichtbar. Die Herausforderung ist noch komplexer, wenn wir uns auf dem unbekannten Terrain einer ersten wirtschaftlichen Erholung nach einer Pandemie befinden.
04.06.2021 | 12:05 Uhr
Unter mehreren Faktoren, die Drawdowns auslösen können, konzentrieren wir uns auf Inflationsängste, schwindenden Anlegeroptimismus aufgrund geringerer Wachstumserwartungen bzw. enttäuschender Konjunkturdaten sowie das Tapering der Zentralbanken.
Wir
stellen fest, dass die Renditen 10-jähriger EUR-Staatsanleihen nun den
US-Treasury-Renditen nach oben folgen und den anfänglichen
Widerstandszustand überwinden. Die Versteilerung der US-Renditekurve
beschleunigte sich im Februar und März. Seitdem haben sich die Renditen
im Bereich von 1,50 bis 1,75 % konsolidiert, während in den USA die
Inflation mit Steigerungen der Verbraucherpreise von fast 3 % sichtbar
wurde.
Die 10-jährigen Renditen in der EU, die im ersten Quartal 2021 sehr widerstandsfähig waren, stiegen im zweiten Quartal schließlich an, wobei die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen Mitte Mai -0,10 % erreichte und den Monat bei -0,20 % beendete. Wir erwarten, dass die Inflation in der Eurozone im Jahresvergleich auf 2,3 bis 2,5 % ansteigen wird, was auf Basiseffekte und Preisdruck durch Angebotsengpässe zurückzuführen ist. Die Debatte darüber, ob es sich um strukturelle oder zyklische Inflation handelt, wird bis ins Jahr 2022 andauern. Tatsache ist, dass der Markt heute für die USA und die EU eine durchschnittliche längerfristige Inflation von 2,42% bzw. 1,60% erwartet.
Auf
den aktuellen Niveaus sind wir der Meinung, dass Anleger in
US-Staatsanleihen durchaus selbstzufrieden sein können und dass die
Wahrscheinlichkeit eines erneuten Renditeanstiegs ähnlich wie im ersten
Quartal, der die 10-jährigen US-Renditen auf 2,25 bis 2,50% getrieben
hat, gering ist. Diese Aussage wird gestützt durch den bescheidenen
erwarteten Gesamtertrag von US-Treasuries im Vergleich zum langfristig
erwarteten Gesamtertrag börsengehandelter Risikoanlagen.
Die Fed hat die Renditenormalisierung der letzten sechs Monate begrüßt. Die anhaltend akkommodierende Geldpolitik hat Anleger auf der Risikoskala in Investment-Grade- bzw. High-Yield-Unternehmensanleihen, Wandelanleihen und Aktien nach oben getrieben. Aus unserer Sicht hat sich das Risiko, das aus der Selbstgefälligkeit der Investoren resultiert, nun in Richtung Spread-Produkte verschoben. Auf dem aktuellen Niveau können die Renditen von US-Treasuries, hochwertigen Schwellenländer-Staatsanleihen und bestimmten EUR-Staatsanleihen dazu beitragen, Korrekturen bei Risikoanlagen auszugleichen, was im letzten Jahr und Anfang 2021 eher nicht der Fall war.
Tatsache
ist, dass die Spread-Sektoren in dem Moment in Schwierigkeiten geraten
könnten, in dem die 10-jährigen US-Renditen ungeordnet um weitere 60 bis
90 Basispunkte bzw. die EU-Renditen bei einem ähnlichen Beta um weitere
30 bis 45 Basispunkte steigen würden. Eine solche Bewegung könnte zu
einer stärkeren Anpassung an den US-Aktienmärkten führen, mit negativen,
ausweitenden Übertragungseffekten auf die Spreads.
Die finanziellen Bedingungen für Finanz- und Nicht-Finanz-Unternehmen würden sich verschlechtern. Die Unternehmenskredite in den Bankbilanzen würden sich verschlechtern, was zu einem Anstieg der Risikokosten der Kreditinstitute führen würde. Banken könnten dementsprechend die Kreditvergabestandards zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt verschärfen.
Aus Sicht der risikobereinigten erwarteten Rendite könnten Staatsanleihen somit das kleinere Übel darstellen. Wenn sich die Renditen auf dem aktuellen Niveau konsolidieren oder bestenfalls sinken, könnten ansehnliche Carry- und Roll-Down-Renditen bzw. zufriedenstellende Total Returns in Aussicht stehen. Der größte Konsens besteht in der Annahme, dass die Leitzinsen noch mindestens zwei Jahre lang an der negativen oder Null-Linie bleiben werden. In dem Moment also, in dem der maximale Optimismus Platz für weniger üppige Wachstumsüberraschungen macht, könnten Credit Spreads vermehrten Gewinnmitnahmen zum Opfer fallen.
Unterdurchschnittliche
Liquiditätsbedingungen angesichts einer umsichtigen Risikokontrolle
durch Market Maker auf der Sell Side sowie die Aussicht auf weniger unterstützende quantitative Programme der Zentralbanken im Jahr 2022
könnten die derzeitige Selbstzufriedenheit in aktiveres Hedging oder
Rotationsströme in Richtung Staatsanleihen der Industrie- und
Schwellenländer drehen. Die Positionierung im Bereich
Unternehmensanleihen hat kontinuierlich zugenommen, da die Sprache der
Zentralbanken als Kreditgeber der letzten Instanz für Unternehmen an
Dynamik gewonnen hat.
In den USA hat die Fed ihre Interventionen im Rahmen verschiedener Hilfsprogramme für Unternehmen und Banken im vierten Quartal 2020 und ersten Quartal 2021 beendet. Im europäischen Investment Grade- und High Yield-Unternehmensanleihen-Sektor wächst das Risiko der Selbstzufriedenheit. Anleger könnten sich zum ungünstigsten Zeitpunkt aus dem defensiven Renditesektor zurückziehen oder haben dies bereits getan.
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