Capital Group: Emerging-Market-Anleihen drei Monate nach dem Tiefpunkt

Capital Group: Emerging-Market-Anleihen drei Monate nach dem Tiefpunkt
Marktkommentar

Viele Arten von Emerging-Market-Anleihen halten wir noch immer für attraktiv bewertet – absolut sowie im Vergleich zu anderen Marktsegmenten.

17.07.2020 | 10:27 Uhr

Welche Folgen hat COVID-19 für die Emerging Markets?

In den meisten Ländern der Erde hat sich das Virus schnell verbreitet, auch in den Emerging Markets. Wie viele Menschen infiziert sind, wird man wahrscheinlich nie erfahren, da Tests in den Schwellenländern schwieriger sind als in den Industrieländern.

Fest steht aber, dass sich in den Emerging Markets die Bereitschaft zu einem völligen Lockdown in Grenzen hält, zumal er sich hier auch nur schwer umsetzen und kontrollieren lässt. Die Regierungen der Schwellenländer müssen zwischen den sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Pandemiebekämpfung und den gesundheitlichen Folgen von COVID-19 abwägen.

Dies dürfte vor allem zwei Konsequenzen haben. Erstens werden pandemiebedingte Rezessionen in den Schwellenländern wohl weniger stark sein als in den Industrieländern. Am stärksten sind die Rezessionen in den Ländern mit den strengsten und längsten Lockdowns, vor allem, wenn sie zu spät umgesetzt wurden. Der zweite Punkt ist spekulativer.

Vielleicht finden die Schwellenländer einen Weg, besser mit dem Virus zu leben, aber sie dürften es kaum unter Kontrolle bringen. Wenn Herdenimmunität die Lösung ist und die Sterblichkeit von COVID-19 in den allermeisten Emerging Markets niedriger ist als bislang angenommen, könnte man mit dem Virus leben, bis es einen Impfstoff gibt. So hält man es auch mit anderen Infektionskrankheiten, die hier oft zum Alltag gehören. Wenn man das akzeptiert, wird die Rezession weniger tief.

Heißt das, dass den Emerging Markets keine schweren Rezessionen drohen?

Nicht unbedingt. Die Kosten der versuchten Lockdowns, der Stillstand des Welthandels und der Mangel an Investitionen verursachen hohe Kosten und haben unmittelbare Auswirkungen auf die Emerging Markets. Vergleichsweise gut dürften sich Länder mit weniger offenen Volkswirtschaften halten, da sie nicht so abhängig von der Weltkonjunktur sind. Sehr häufig handelt es sich dabei ausgerechnet um ärmere Länder, sogenannte Frontiermärkte.

Eine wichtige Rolle wird die Konjunkturerholung spielen. In unserem Negativszenario sind die Rezessionen in den Schwellenländern tiefer und länger als bislang vermutet, sodass das Potenzialwachstum nachlassen könnte. Das kann passieren, wenn der private Sektor weniger investiert, das Humankapital Schaden nimmt – durch steigende Arbeitslosigkeit – und der Welthandel schrumpft. All dies würde die Produktivität dämpfen. Auch könnte die Deglobalisierung an Fahrt gewinnen, die schon vor der Pandemie eingesetzt hatte.

Die meisten Schwellenländer haben geld- und fiskalpolitische Programme aufgelegt, die zweifellos das Wachstum fördern, auch wenn die steigenden Schulden bisweilen Sorgen machen. Im Positivszenario würden die Schwellenländer ihre Konjunkturprogramme auf Infrastruktur und langfristige Projekte ausrichten, was den oft dringend nötigen Wachstumsschub auslösen würde.

In „normaleren“ Zeiten werden nur mit großer Zurückhaltung neue Schulden aufgenommen, zumal der Internationale Währungsfonds (IWF) eine strenge Haushaltsdisziplin vorschreibt und dies auch von den Märkten geschätzt wird. Jetzt aber haben viele Emerging Markets die Chance, lange überfällige große Infrastrukturprojekte voranzutreiben.

Den gesamten Marktkommentar von Kirstie Spence, Portfoliomanager in London, lesen Sie sich hier im PDF-Format.

Diesen Beitrag teilen: