ODDO BHF Marktausblick: Immobilienmarkt zwischen Rendite und Politik

Marktausblick

Das Thema Wohnimmobilien in Deutschland erhitzt die Gemüter. Mieten und mehr noch die Preise sind über die vergangenen Jahre rasant gestiegen.

07.06.2021 | 12:48 Uhr

Der Hauspreisindex der Deutschen Bundesbank weist für den Zehnjahreszeitraum von Ende 2010 bis Ende 2020 einen Anstieg um 77% aus, was einer jährlichen Erhöhung von 5,9% entspricht – weit oberhalb der allgemeinen Preisentwicklung für Verbrauchsgüter. Eine vergleichbar lange und dynamische Phase von Preissteigerungen hat der hiesige Markt zumindest seit Mitte der 70er Jahre (siehe Abbildung) nicht gesehen.

Hauspreise

Doch was die stolzen Besitzer der Immobilien freut, erfüllt andere mit Sorge. Die Anleger, die angesichts anhaltend niedriger Zinssätze auf der Suche nach attraktiven Anlagealternativen sind, sehen sich mit deutlich höheren Preisen und, da die Mieten tendenziell langsamer gestiegen sind, einer rückläufigen Kapitalisierungsrate konfrontiert (siehe Abbildung). 

Eine aktuelle Studie von PwC von Mai 2021 beziffert die Rendite bei neuen Mehrfamilienhäusern („prime property“) im Durchschnitt der sieben Großstädte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) auf 2,3 Prozent. Bei Bestandsimmobilien liegt der Wert bei durchschnittlich 2,5 Prozent. Auch die Preise „in der Region“ – in den Städten – sind nicht wesentlich günstiger: Hier liegen die Renditen bei 2,6 Prozent (neu) bzw. 3,1 Prozent (bestehend). 

Mit anderen Worten: Es dauert deutlich länger, den Kaufpreis aus operativen Einnahmen zu decken. Zudem spukt das Wort von der Immobilienpreisblase durch die Medien: Droht vielleicht ein kräftiger Rückschlag bei der Preisentwicklung? Hier sollte man die Kirche im Dorf lassen. Empirische Analysen beispielsweise des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung von 2020 und vergleichbare Arbeiten der Deutschen Bundesbank, ebenfalls von 2020, kommen zu dem Schluss, dass die Preisentwicklung im Wesentlichen nachfragegetrieben ist und mit den fundamentalen Bedingungen – also vor allem demographischen Faktoren wie Zuwanderung, der günstigen Einkommensentwicklung der letzten Dekade und der Entwicklung der Mieten - weitgehend im Einklang steht. Umgekehrt finden sich kaum Anzeichen einer typischen Immobilienblase wie übermäßiges Wachstum von Wohnungsbaukrediten, lockere Kreditvergabe, erhöhte Transaktionshäufigkeit, Erwartung von Preissteigerungen als Kaufmotiv.

Kapitalwert

Natürlich spielt das Zinsniveau eine wichtige Rolle bei der Einschätzung. Die Bundesbank kommt zu dem Schluss, dass das Preisniveau bei Wohnimmobilien unter Einbeziehung der tatsächlichen Zinsentwicklung deutschlandweit rund 10 Prozent über dem fundamental ermittelten „Soll“-Wert liegt. 

Allerdings läge die Abweichung bei rund 20 Prozent, wenn ein höheres – für die Bundesbank: nachhaltigeres – Hypothekenzinsniveau angesetzt wird. Für die sieben Großstädte, die wichtigsten Ballungszentren der Republik, ergäben sich Abweichungen von rund 30 Prozent anstelle von 20 Prozent. Die empirischen Untersuchungen geben also keine Rundum-Sorglos-Garantie, zumal angesichts der Tatsache, dass sich der Aufwärtstrend der Preise durch die Corona-Krise hindurch fortgesetzt hat (was die Studien zeitlich nicht mehr abdecken). Das Preisniveau ist zwar nicht exzessiv, aber durchaus anspruchsvoll. Vor allem ein steigendes Zinsniveau könnte die Nachfrage dämpfen und die Kalkulation der Investoren durcheinanderbringen.

Das gilt gerade auch für die großen Metropolen. Steigende Immobilienpreise und steigende Mieten sind natürlich auch eine immense Herausforderung für diejenigen, die ein neues Dach über dem Kopf suchen. Speziell in den Ballungszentren trifft eine strukturell steigende Nachfrage auf ein begrenztes Angebot und treibt damit Kaufpreise und Mieten in Größenordnungen, die mit durchschnittlichen Einkommen immer weniger erschwinglich sind. Das ruft die Politiker auf den Plan, die der Wählerschaft Schutz und Hilfen versprechen. Gerade der linke Flügel des Parteienspektrums ist schnell dabei, „Immobilienhaien“ und „Wohnungsspekulanten“ staatlicherseits das Fürchten lehren zu wollen.

Die Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2021 von SPD und Grünen präsentieren eine ganze Reihe von Vorschlägen, die marktwirtschaftliche Prinzipien weitgehend bei Seite schieben. Der Berliner Mietendeckel, der im März vom Bundesverfassungsgericht (aufgrund fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes) für nichtig erklärt worden war, feiert in beiden Programmen fröhliche Urstände. Das SPD-Programm sieht darüber hinaus eine veränderte, auf einen achtjährigen Zeitraum bezogene Ermittlung der Referenzmieten des Mietspiegels vor. Beide Parteien suchen die Lösung der Wohnraumknappheit vor allem in staatlich oder genossenschaftlich organisiertem Wohnungsbau. Die Grünen trauen sich sogar, die Neue Heimat – jenen Wohnungsbaukonzern des DGB, der in den 80er Jahren in einem Strudel der Korruption versunken war – als Vorbild anzuführen (Robert Habeck, Wohnungs- und Mietenpolitik, 2019). 

Nach unserer Einschätzung tragen solche Überlegungen nicht zur Problemlösung bei. Eine Deckelung von Mieten beispielsweise verringert das Angebot und trägt damit zu Wohlstandsverlusten bei. Letztlich beschützt der „Deckel“ nur diejenigen, die bereits eine Wohnung haben. Aber gerade in den Ballungsgebieten übersteigt der Wohnraumbedarf das Angebot trotz der kräftig wachsenden Wohnungsbauinvestitionen der letzten Jahre. Der Anstieg der realen Investitionen seit 2011 um jahresdurchschnittlich 3,2 Prozent mag auf den ersten Blick nicht üppig erscheinen, doch liegt dieses Wachstum deutlich über dem des Bruttoinlandsprodukts. Allerdings hängt die Zunahme des Wohnungsangebots eben nicht nur vom guten Willen der Investoren und Häuslebauer ab, sondern wird durch das knappe Angebot an Bauland, durch restriktive Vorgaben von Bebauungsplänen, durch die zögerliche Erteilung von Baugenehmigungen oder andere Bremsfaktoren beschränkt. Last not least ist auch das Angebot an Fachkräften im Bausektor begrenzt.

Wer diese Beschränkungen bei öffentlichen Wohnungsbauinvestitionen nicht beachtet, treibt die Preise nur noch weiter an. Ob es ein wegweisender Ansatz ist, den staatlich oder quasi-staatlich bewirtschafteten Wohnungsbestand zu vergrößern, bleibt dahingestellt: So plant beispielsweise das Land Berlin im Rahmen der Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia etwa 20.000 „nichtstrategische“ Wohnungen aus dem Berliner Bestand in landeseigene Wohnungsgesellschaften zu übernehmen. Damit wird zwar die Wohnungsnot als solche nicht gelindert, doch einige Glückliche kommen dadurch vermutlich in den Genuss erheblicher öffentlicher Beihilfen in Form günstiger Mieten. 

Generell ist der öffentliche Wohnungsbau bzw. die öffentliche Bewirtschaftung von Wohnraum mit einer Reihe von schwerwiegenden Allokationsproblemen verbunden, nachzulesen beispielsweise im Gutachten „Sozialer Wohnungsbau“ des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft von Juli 2018. Die Deutsche Bundesbank weist in ihrer Analyse von Oktober 2020 darauf hin, dass die Verteuerung des knappen Baulands eine wesentliche Ursache für den Preisanstieg am Immobilienmarkt ist. Der einfachste Weg zu mehr Wohnungen wäre also, mehr Bauland freizugeben. Doch auch damit tun sich Grüne und SPD schwer. 

So warnte z. B. der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Anton Hofreiter, in einem SpiegelBeitrag im Februar nachdrücklich vor den Umweltfolgen einer weiteren Zersiedelung des Landes durch den Neubau von Einfamilienhäusern. Somit bleibt vor allem die Verdichtung der Städte. Das ist ein wichtiger Ansatz, und die Möglichkeiten sollten ausgeschöpft werden. In Berlin beispielsweise leben nur rund halb so viele Menschen auf einem Quadratkilometer wie in London. Man sollte aber auch bedenken, dass verdichtetes Wohnen nicht zwangsweise den Vorstellungen der (Corona-geplagten) Menschen entspricht, die ein Heim für ihre Familie suchen und, in Zeiten zunehmender Digitalisierung, möglicherweise auch einen Platz zum Arbeiten von zu Hause.

Diesen Beitrag teilen: