ODDO BHF: Entscheidung auf der Zielgeraden

ODDO BHF: Entscheidung auf der Zielgeraden
Marktausblick

Die Terminkalender sind vollgepackt und die Turbinen der Flugzeuge stehen nicht mehr still. Die Konkurrenten um den Präsidentschaftsposten in den USA haben noch vier Tage Zeit, Wählerstimmen für sich zu gewinnen.

02.11.2020 | 08:42 Uhr

Wo die Kandidaten in den letzten Minuten vor der Wahl aufschlagen ist schwer vorhersehbar, werden die Auftritte doch an die neusten Abstimmungsergebnisse angepasst. Mittlerweile haben über 25% der US-Bürger gewählt. Auch wenn laut aktuellen Umfragen Joe Biden ganz klar vorne zu liegen scheint, kann sich am 3. November noch einmal alles ändern. Denn die Untersuchungen zeigen, dass gerade die demokratischen Anhänger von der Briefwahl Gebrauch machen, während die republikanischen Wähler am 3. November lieber die Wahllokale aufsuchen. Ein Grund hierfür könnte die seit Monaten andauernden Angriffe des US-Präsidenten auf die Anfälligkeit der Briefwahl sein. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass der amtierende Präsident den Sprint auf der Zielgeraden für sich entscheidet - ähnlich wie bei den Wahlen vor vier Jahren. Einen Sieg jedenfalls konnte Donald Trump schon am Montagabend verbuchen, als Richterin Amy Coney Barrett mit 52 zu 48 Stimmen gewählt wurde. Dies ist die dritte Richterstelle die Donald Trump in seiner vierjährigen Amtszeit wiederbesetzt hat. Aber auch die US- Wirtschaft konnte sich im dritten Quartal wieder mächtig erholen...

Umfragewerte


Wie Phönix aus der Asche

Die gestern veröffentlichten Zahlen zum US-BIP im dritten Quartal 2020 weisen ein Wachstum von 33,1% gegenüber dem 2. Quartal aus (in der in Deutschland üblichen nicht annualisierten Darstellungsweise also 7,4% gg. Vorquartal), konnten den Markterwartungen von rund 30% also standhalten. Inwieweit diese Zahlen dem amtierenden US-Präsident noch fünf Tage vor den Wahlen zusätzlichen Schub geben, lässt sich schwer sagen – gerade auch vor dem Hintergrund der wieder rekordhohen Neuinfektionen. Wir gehen aber davon aus, dass Donald Trump die Werbetrommel weiterhin laut rühren wird, um vielleicht noch unschlüssige Wähler für sich zu gewinnen. Das Wachstum im vergangenen Quartal wirkt auf den ersten Blick sehr hoch, doch die Basis war natürlich sehr schwach. Denn im Rahmen der Corona-Maßnahmen hatten die USA im zweiten Quartal die Aktivitäten in weiten Bereichen der Wirtschaft heruntergefahren und einen BIP-Rückgang von 31,4% „kassiert". Der Anstieg im dritten Quartal spiegelt also die Wiederaufnahme der Aktivität wider, verstärkt durch zeitweise außerordentlich großzügige staatliche Transferleistungen. Entsprechend dürfte das US-Wachstum in den kommenden Quartalen deutlich bescheidener ausfallen.

Aktienmärkte mit gemischten Gefühlen im Oktober

Die Aktienmärkte sind seit Monatsbeginn launischer geworden. Während die US-Märkte heute noch ein letztes Mal um eine positive Monatsentwicklung im Oktober kämpfen, hat Europa kaum noch eine realistische Chance für ein Monatsplus. Insbesondere die ansteigenden Covid-19-Zahlen machen den Investoren in Europa zu schaffen. Unbegründet sind diese Ängste nicht: Selbst in Deutschland werden die Regeln ab November erheblich verschärft, um der rasanten Verbreitung des Virus Einhalt zu gebieten. Viele unserer Nachbarländer, die oft weit höhere Inzidenzen aufweisen, gehen ähnlich restriktiv vor. So geht unter den Marktteilnehmern die Sorge eines erneuten flächendeckenden „Lockdown“ um. Dies zeigt sich auch im aktuellen Ifo-Geschäftsklimaindex, der im Oktober erstmals seit fünf Monaten gesunken ist, um 0,5 auf 92,7 Punkte. Die deutschen Unternehmen sehen die kommenden Monate wieder skeptischer.

Auch in den USA pausiert die gute Laune. Trotz der jüngsten Kursrückgänge ist das Bewertungsniveau nach wie vor hoch. Andererseits wurden die Hoffnungen auf ein frisches Stimulierungspaket enttäuscht, und die Pandemie lässt sich nicht in den Griff bekommen. In der letzten Woche gab es durchschnittlich über 75.000 Neuinfektionen pro Tag. Hinzu kommen die Unsicherheiten des Wahlausgangs.

Präsident Trump hat zwar noch am Montag bekräftigt, dass er nur durch einen Wahlbetrug verlieren könne. Dennoch scheint ein Wahlsieg seines demokratischen Mitbewerbers Joe Biden derzeit die wahrscheinlichere Entwicklung. Selbst das von uns in der letzten Woche diskutierte „blue wave“-Szenario ist weiterhin möglich. In diesem Falle könnte sich die Stimmung an den Märkten, von der Hoffnung auf weitere Geldspritzen getrieben, durchaus auch zum Positiven wenden. Im Übrigen hat nun auch Donald Trump in dieser Woche via Twitter das „beste Stimuluspaket aller Zeiten“ in Aussicht gestellt. Das auf kürzere Sicht vielleicht ungünstigste Szenario wäre vermutlich, wenn sich ein demokratischer Präsident Biden einer republikanischen Mehrheit im Senat gegenübersehen würde. In dieser Variante dürfte die finanzpolitische (und auch sonstige) Handlungsfähigkeit des Weißen Hauses deutlich eingeschränkt sein.

Die laufende Unternehmensberichterstattung scheint gegenüber den großen Entwicklungen in den Hintergrund getreten zu sein. In den USA berichteten in dieser Woche die Schwergewichte der IT-Branche, Microsoft, Facebook, Alphabet, Amazon und Apple. Microsoft beispielsweise konnte Umsatz- und Gewinnerwartungen gegenüber den Consensus-Schätzungen deutlich übertreffen (Umsatz 37,15 Mrd. US$ vs. FactSet Consensus 35,76 Mrd. US$ und Gewinn je Aktie 1,82 US$ vs. FactSet Consensus 1,54US$). Ebenfalls gute Zahlen für das abgelaufene Quartal konnten gestern Abend nachbörslich Amazon, Alphabet und Facebook vorlegen. Einzig Apple dürfte die Investoren ein wenig enttäuscht haben. Dies liegt mitunter an der Verspätung der neuen iPhone-Modelle. Die neuen Geräte wurden dieses Jahr im Oktober (anstatt September) vorgestellt und konnten somit nicht zum Quartalsergebnis beitragen. Wir befürchten allerdings, dass sich die Märkte davon derzeit nicht allzu sehr beeindrucken lassen, und schauen ebenfalls gespannt auf die US-Präsidentschaftswahlen am kommenden Dienstag.

Den vollständigen Marktausblick finden Sie hier im PDF-Format.

Diesen Beitrag teilen: