Metzler: Sitzungen der Fed und der EZB sorgen für Spannung

Marktausblick

Die US-Notenbank dürfte kommende Woche den Leitzins zum zweiten Mal in diesem Jahr anheben, und EZB-Präsident Draghi dürfte konkrete Schritte ankündigen, um das QE-Programm zu beenden.

08.06.2018 | 15:21 Uhr

Die US-Notenbank dürfte, wie allgemein erwartet, den Leitzins zum zweiten Mal in diesem Jahr anheben (Mittwoch); er wird sich dann in einem Korridor von 1,75 % bis 2,0 % bewegen. Die Rendite einjähriger US-Staatsanleihen notierte Ende Mai schon bei 2,27 %, was die Erwartung widerspiegelt, dass die US-Noten-bank den Leitzins in den kommenden zwölf Monaten über den Zinsschritt am Mittwoch hinaus noch ein- oder zweimal anheben könnte. Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen handelte Ende Mai bei 2,98 %, sodass die Renditestrukturkurve noch positiv steil ist und damit keine erhöhten Rezessionsrisiken signalisiert.  


Auch EZB-Präsident Draghi (Donnerstag) dürfte Schritte zur Beendigung des QE-Programms bis Jahresende konkretisieren. Folgende Möglichkeit, das monatliche Kaufvolumen zu reduzieren, bietet sich dabei an: 30 Mrd. EUR im Oktober, 20 Mrd. EUR im November und 10 Mrd. EUR im Dezember. Es ist nicht zu erwarten, dass Draghi eine Unterstützung des italienischen Staatsanleihemarktes durch die EZB in Aussicht stellt. Damals, im Jahr 2012, strengten sich noch alle Staaten mit guten Chancen an, ihre Solvenz wiederherzustellen. Der Zinsanstieg in den Ländern der europäischen Peripherie war daher überwiegend eine Liquiditätskrise, die generell idealerweise durch die Zentralbank gelöst werden kann. Die neue italienische Regierung stellt jedoch implizit die Rückzahlung ihrer auf Euro lautenden Schulden infrage, sodass es sich um eine Solvenzkrise handelt. Hierbei ist eine Zentralbank machtlos. Eine Lösung kann nur von der italienischen Regierung in Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern gefunden werden. Die EZB kann jedoch ankündigen, Ansteckungseffekte von Italien auf andere Länder der Eurozone zu unterbinden, da daraus wiederum eine Liquiditätskrise in diesen Ländern entstehen würde.

Insgesamt setzt sich damit der Trend fort, die globale Liquidität zu verringern. Das macht es riskanten Schuldnern schwerer, sich günstig zu finanzieren.

USA: Lehrbuch versus Realität

Der US-Arbeitsmarkt boomt. Zum ersten Mal seit Erhebung der Daten im Jahr 2001 ist die Zahl der offenen Stellen (6,7 Mio.) höher als die Zahl der Arbeitsuchenden (6,1 Mio.).

USA: Boomender Arbeitsmarkt signalisiert Inflationsrisiken in Millionen

Boomender US MArkt

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.5.2018

Der erst jetzt langsam wirksam werdende Fiskalstimulus dürfte die Lage am Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten noch verschärfen, wie auch dynamisch wachsende Einzelhandelsumsätze (Donnerstag) und Indus-trieproduktion (Freitag) bestätigen dürften.

Nach dem Lehrbuch müsste eine zunehmende Arbeitskräfteknappheit zu steigenden Löhnen und steigenden Inflationsraten führen. Tatsächlich sprechen Frühindikatoren dafür, dass die Inflation (Dienstag) im Mai im Rahmen der Erwartungen oder sogar darunter liegen könnte. Sorgt die Digitalisierung für ein strukturelles niedriges Lohnwachstum, oder ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Inflation anspringt? Wahrscheinlich ist die Antwort darauf – wie so oft im Leben – eine Mischung von beidem. Demnach dürfte die Inflation in den kommenden Monaten zwar steigen, aber nur sehr gemächlich.

Europa: Politische Krise bei nachlassendem Wachstum

Die Eurozone erlebte seit Jahresanfang einen merklichen Abfall der Wachstumsdynamik. Die Gründe dafür liegen immer noch weitestgehend im Dunkeln. Eine mögliche Ursache ist jedoch die von zahlreichen politischen Krisen ausgehende Unsicherheit: Stichworte sind Brexit, Italien, Handelskrieg mit den USA. Vor diesem Hintergrund dürfte die Industrieproduktion (Mittwoch) im April merklich gefallen sein – wie auch der ZEW-Index (Dienstag), der die zukünftigen Wachstumserwartungen abfragt. Das Wachstum dürfte jedoch noch oberhalb der Potenzialwachstumsrate von etwa 1,0 % bleiben. Darüber hinaus scheint sich auch das Lohnwachstum (Freitag) etwas beschleunigt zu haben.

Die EU-Politik steht vor sehr großen Herausforderungen. So hat die EU sicherlich ein großes Interesse an einer längeren Übergangsperiode Großbritanniens, bis es zum endgültigen Brexit kommt. Darüber hinaus dürfte die EU versuchen, mögliche Ansteckungseffekte der politischen Krise in Italien auf andere Länder der Währungsunion zu verhindern. Offensichtlich droht dagegen eine Eskalation des Handelskriegs mit den USA, und Strafzölle auf Autos sind zuletzt wahrscheinlicher geworden. Am 19. und 20. Juli gibt es zu dem Thema eine öffentliche Anhörung vor dem US-Kongress.  

Im Gegensatz dazu scheint sich die Konjunktur in Großbritannien wieder leicht zu beleben, was Industrieproduktion (Montag) und Arbeitsmarktdaten (Dienstag) zeigen dürften. Bei der Inflation (Mittwoch) in Großbritannien im Mai sollte es keine Auffälligkeiten gegeben haben.

Stabiles Wachstum in China

Die chinesischen Konjunkturdaten (Donnerstag) im Mai dürften eine stabil wachsende Volkswirtschaft offenbaren. China wächst vor allem im Dienstleistungssektor und im Bereich der Digitalisierung. Das Wachstum ist damit weniger kreditintensiv als in der Vergangenheit.


Neues Metzler-Währungsmodell anhand von Daten zur Staatsverschuldung und Inflation  

In unserem neuen markt:aktuell „Eine Möglichkeit der Währungsprognose“ beschreiben wir einen neuen Ansatz für fundamentale Währungsprognosen. So haben wir einen stabilen Zusammenhang zwischen Fundamentaldaten und Währungen von Mitte der
1970er-Jahre bis heute gesucht. Unsere erste Idee war, die Lösung im Bankensystem zu finden. In einer modernen Volkswirtschaft schöpft fast ausschließlich das Bankensystem Geld. Es ließ sich jedoch kein Zusammenhang zwischen Bankbilanzen, Bankaktien, Kreditvergabe, Geldmengen und Wechselkursen finden. Unsere nächste Überlegung war, dass das Geldsystem nur aufgrund von staatlichen Gesetzen und Regulierungen existiert und der Staat somit immer noch einen großen (indirekten) Einfluss auf die Geldwertstabilität hat. Die Geldproduktion ist also nur ausgelagert, und in Krisenzeiten werden die Geschäftsbanken sowie die Zentralbank immer eine ausreichende Staatsfinanzierung gewährleisten. Starke Währungen dürften demnach in Staaten mit niedriger Staatsverschuldung und gleichzeitig niedriger Inflation zu finden sein. Denkbar wäre auch, dass ein Staat mithilfe einer hohen Inflation die Staatsverschuldung reduziert, dafür aber die Geldwertstabilität unterminiert, was tendenziell die Währung schwächt. Daher war unsere zweite Idee, Daten zur Staatsverschuldung und zur Inflation zu kombinieren und für eine Währungsprognose zu nutzen. Die Ergebnisse sind sehr gut – sowohl die statistischen Tests als auch der potenzielle monetäre Erfolg einer Handelsstrategie. Wir konnten die Ergebnisse auch nutzen, um ein Prognosemodell nur für den EUR/USD-Wechselkurs zu entwickeln.

Die expansive Fiskalpolitik und die höhere Inflation in den USA sprechen dafür, dass sich der US-Dollar gegenüber dem Euro im Jahresverlauf 2018 abschwächen wird. Aus dem Prognosemodell resultiert ein Wert von 1,32 EUR/USD zum 31. Dezember 2018. Die Italien-Krise macht die Lage jedoch komplizierter. Wenn Italien eine sehr expansive Fiskalpolitik verfolgen sollte, der sich weitere Staaten anschließen, würde auch in der Eurozone die Staatsverschuldung wieder steigen und den Euro tendenziell schwächen – umso mehr, als der Euro eine künstliche Währung ist und die Angst vor einem Zerfall der Eurozone auch den Euro-Wechselkurs belasten dürfte. Die Wechselkursprognose von 1,32 EUR/USD gilt demnach nur unter dem Vorbehalt, dass die Verschuldungsdynamik in der Eurozone tendenziell weiter sinkt und keine Ängste vor einem Austritt Italiens aus dem Europäischen Währungsraum aufkommen.  

Eine höhere Inflation sowie stärker steigende Staatsschulden in den USA müssten den US-Dollar tendenziell schwächen

Inflation

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.12.2017


Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht

Edgar Walk 

Chefvolkswirt Metzler Asset Management

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