Metzler AM: Brexit-Verhandlungen am Scheideweg

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Marktausblick

bei den Brexit-Verhandlungen spekuliert offenbar eine kleine Gruppe innerhalb der Tories darauf, dass die EU Großbritannien erhebliche Zugeständnisse machen wird – das aber werde nicht geschehen, so Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management.

06.07.2018 | 14:34 Uhr

In Großbritannien gibt es eine kleine, aber einflussreiche Gruppe innerhalb der regierenden Tory-Partei, die durch eine Sabotage der Verhandlungen Großbritanniens mit der EU einen „harten Brexit“ ohne jegliche Austrittsvereinbarung im März 2019 erreichen möchte. Es ist dieser Gruppe durchaus bewusst, dass sie damit chaotische Zustände und ein komplettes Erliegen des Handels zwischen Großbritannien und der EU in Kauf nimmt. Ihr Vorgehen basiert auf der Annahme, dass Großbritannien ein zu wichtiger Exportmarkt für kontinentaleuropäische Unternehmen ist, sodass die EU in letzter Sekunde einlenken und Großbritannien großzügige Handelszugeständnisse machen wird. 

Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die EU überhaupt  Zugeständnisse machen kann, da sie damit ihre eigene Existenz unterminieren würde. Ein Land wie Großbritannien hätte dann ja alle Rechte und keine Pflichten mehr. Die Warnung der EU an europäische Unternehmen, sich auf einen „harten Brexit“ vorzubereiten, sollten vor diesem Hintergrund sehr ernst genommen werden. 

Die britische Regierung wird nächste Woche ihre Vorstellungen zum Brexit veröffentlichen. Sind die Vorstellungen zu nebulös und für die EU inakzeptabel, wäre dies ein Hinweis darauf, dass sich das Lager der Befürworter eines „harten Brexits“ durchgesetzt hat. Sind die Vorstellungen dagegen realistisch und auf eine enge Zusammenarbeit mit der EU ausgerichtet, hat sich die Mehrheit innerhalb der Regierungspartei durchgesetzt. Eine Revolte der Hardliner wäre dann nicht auszuschließen, was einen Sturz der Regierung und Neuwahlen bedeuten könnte.  

USA: Verhaltene Inflation 

Eigentlich sagen die Lehrbücher der Volkswirtschaft, dass ein fiskalischer Stimulus in Zeiten einer hohen Beschäftigung zur Inflation führt, da es keine freien Kapazitäten mehr gibt, die die zusätzliche Nachfrage bedienen könnten. Tatsächlich dauert es in der Realität oft lange, bis sich der inflationäre Impuls einer expansiven Fiskalpolitik durchsetzt. Oft orientieren sich Unternehmen an vergangenen Preisentwicklungen oder ändern ihre Preise nur selten. Dementsprechend zeigen Frühindikatoren, dass sich Inflation und Kerninflation (Donnerstag) im Juni mit einem Anstieg von etwa 0,2 % gegenüber dem Vormonat im Rahmen der Erwartungen bewegen dürften. Solange die monatlichen Veränderungsraten keine Anzeichen für eine Beschleunigung der Inflation erkennen lassen, hat die US-Notenbank genügend Spielraum, nur vorsichtig den Leitzins anzuheben und damit den Aufschwung intakt zu halten. In der kommenden Woche werden noch die Erzeugerpreise (Dienstag) und das Konsumentenvertrauen (Freitag) veröffentlicht. 

Europa: Uneinheitliche Datenlage 

Der Handelskonflikt hinterlässt immer mehr Spuren bei den Unternehmen weltweit. Aufgrund der hohen Unsicherheit verschieben sie zunehmend Investitionen und Einstellungen in die Zukunft. Das kostet Wachstum, was wiederum einen Rückgang der Konjunkturerwartungen verursachen könnte (ZEW-Index, Dienstag). Die Weltwirtschaft scheint jedoch eine gewisse Widerstandskraft zu haben, sodass der Aufschwung (hoffentlich) nicht in Gefahr kommt, wie die Industrieproduktion in Großbritannien (Dienstag) und in der Eurozone (Donnerstag) mit kräftigen Zuwächsen eindrücklich belegen dürfte. 

Japan: Arbeitsmarkt kommt in Bewegung 

In Japan steigt die Beschäftigung schon seit dem Beginn von Abenomics 2012 dynamisch. Im Mai erreichte sie einen Anstieg von mehr als 1,6 % gegenüber dem Vorjahr. Seit Jahresanfang 2018 beginnen nun auch die Löhne zu steigen. So erreichte die Trendwachstumsrate der Löhne und Gehälter (gleitender Durchschnitt über zwölf Monate) im Mai einen Wert von knapp 0,9 % – das höchste Niveau seit 1998. 


Japan: Steigende Beschäftigung und Löhne 

Löhne und Gehälter in % ggü. Vj. (gleitender Durchschnitt über 12 Monate) 

Japan Lohnentwicklung

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.5.2018 

Die japanische Wirtschaft ist damit in einer guten Situation: Die Einkommen steigen kräftig – und damit die Konsummöglichkeiten, ohne dass dies bisher einen nennenswerten Anstieg der Inflationsrate bewirkt hat. Mittelfristig besteht jedoch das Risiko steigender Inflationsraten durchaus, da die Unternehmen verstärkt von einer Arbeitskräfteknappheit berichten. Zuletzt war die bei den Unternehmen wahrgenommene Arbeitskräfteknappheit fast so groß wie zuletzt in den 1980er-Jahren, als die japanische Wirtschaft in der Finanzblase feststeckte. 


Japan: Boomender Arbeitsmarkt 

Tankan-Umfrage bei japanischen Unternehmen zum Arbeitsmarkt (Saldo der Befragten) 

Japan Arbeitsmarkt

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.5.2018 

Gleichzeitig haben die japanischen Unternehmen ihre Investitionsausgaben deutlich ausgeweitet, um die fehlenden Arbeitskräfte zunehmend durch Roboter und digitale Lösungen zu ersetzen. Die Digitalisierung bietet Japan somit gute Chancen, den Aufschwung ohne einen größeren Inflationsschub fortzusetzen. 


Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht 

Edgar Walk 

Chefvolkswirt Metzler Asset Management 


PS: Ich verabschiede mich für zwei Wochen in die Sommerpause und wünsche auch Ihnen entspannte Sonnentage! 

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