Metzler AM: Ausblick auf das 2. Quartal

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Marktausblick

KI beflügelt US-Wachstum, Leitzinssenkungen in der Eurozone ab Sommer zu erwarten.

04.04.2024 | 08:18 Uhr

Die Aktienmärkte glänzten im ersten Quartal, beflügelt durch gute Konjunkturdaten und die Hoffnung auf Produktivitätssteigerungen durch den Einsatz von KI. Allerdings sei hier einiges an Optimismus bereits eingepreist, meint Chefvolkswirt Edgar Walk. In der Eurozone könnte im Juni ein Zinssenkungszyklus beginnen, während das Timing der US-Notenbank für Leitzinssenkungen von den im Herbst anstehenden Präsidentschaftswahlen abhängig ist.

Die japanische Wirtschaft ist auf einem Wachstumskurs, das zeige sich auch an Lohnsteigerungen, so Walk. Die Wachstumsziele der chinesischen Wirtschaft im Hinblick auf den Export könnten protektionistische Maßnahmen hervorrufen.

Lesen Sie Edgar Walks Einschätzungen und Prognosen im Kapitalmarktausblick auf das zweite Quartal 2024.

Rentenmärkte: Die Entwicklung in den USA dürfte richtungsweisend für Europa bleiben

Das erste Quartal war geprägt von einer negativen Wertentwicklung bei europäischen Staatsanleihen. Der ICE BofA Index deutscher Staatsanleihen verlor 1,4 Prozent, während der ICE BofA Index von Staatsanleihen der Eurozone nur etwa 0,7 Prozent an Verlust verzeichnete, da sich unter anderem italienische Staatsanleihen besser als deutsche entwickelten. Erfahrungsgemäß profitieren Staatsanleihen aus der europäischen Peripherie stärker von Leitzinssenkungen der EZB als Staatsanleihen aus den Kernländern. Doch obwohl EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Sitzung im März 2024 ankündigte, dass die EZB sehr wahrscheinlich im Juni eine erste Leitzinssenkung vornehmen werde, konnten Staatsanleihen aus der Eurozone davon überraschenderweise nicht profitieren. Das hing maßgeblich mit den Entwicklungen in den USA zusammen: Die US-Wirtschaft überraschte mit starken Konjunkturdaten und einer hohen Inflation, sodass die Finanzmarktakteure deutlich weniger Leitzinssenkungen für 2024 einpreisten. Als eine Folge dessen verzeichnete die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen einen merklichen Anstieg, der sich auch auf den europäischen Anleihemarkt übertrug.

Auch im zweiten Quartal dürften die Entwicklungen in den USA richtungsweisend für Europa bleiben. Die Finanzmarktakteure preisen immer noch bis Jahresende drei Leitzinssenkungen der US-Notenbank von jeweils 25 Basispunkten ein. Die Wachstumsdynamik der US-Wirtschaft ist jedoch anhaltend hoch und die Inflation verharrt hartnäckig bei etwa 3,0 Prozent. Wir sehen somit ein Risiko, dass die US-Notenbank nicht in der Lage sein könnte, die Zinsen im Juni zu senken. In diesem Fall wäre eine Leitzinssenkung im September oder Oktober aber wahrscheinlich auch nicht möglich wegen der zeitlichen Nähe zu den Präsidentschaftswahlen. Vor diesem Hintergrund droht ein weiterer Anstieg der Renditen von US-Staatsanleihen – zumal jeweils im zweiten und dritten Quartal die Rekordsumme von mehr als 500 Mrd. USD an Staatsanleihen emittiert werden wird. Während somit auch für langlaufende europäische Staatsanleihen ein Renditeanstieg im zweiten Quartal droht, dürften kurzlaufende europäische Anleihen davon nicht betroffen sein, da sie von den bevorstehenden Leitzinssenkungen der EZB profitieren werden. Wir erwarten, dass die EZB auf jeder nach Juni stattfindenden Sitzung den Leitzins jeweils um 25 Basispunkte senken wird – also Leitzinssenkungen um insgesamt 125 Basispunkte auf 2,75 Prozent bis Jahresende beschließt.

Aktienmärkte: Viel Optimismus eingepreist

Die internationalen Aktienmärkte glänzten mit einer positiven Wertentwicklung im ersten Quartal. Der MSCI Europe verzeichnete einen Zuwachs von 8,4 Prozent, der MSCI Welt von 10,2 Prozent und der MSCI Schwellenländerindex von 4,6 Prozent – jeweils in lokaler Währung. Die Aktienmärkte zeigten sich damit unbeeindruckt von den steigenden Renditen von Staatsanleihen der Eurozone und der Enttäuschung darüber, dass die US-Notenbank den Leitzins in diesem Jahr weniger stark senken könnte, als noch zu Jahresanfang erwartet. Gründe für die Widerstandsfähigkeit der Aktienmärkte waren einerseits überraschend gute Konjunkturdaten – vor allem aus den USA – und die mit der Künstlichen Intelligenz (KI) verbundenen Erwartungen zukünftiger Produktivitätssteigerungen. Die KI wird in den kommenden Jahren das Wirtschafts- und Arbeitsleben massiv transformieren. Das heißt, nicht nur die Unternehmen werden profitieren, die für KI benötigte Produkte wie Halbleiter, Clouds, Software etc. herstellen, sondern auch Unternehmen, die Künstliche Intelligenz anwenden. So wird KI bereits heute bspw. zur Programmierung eingesetzt oder zum Verfassen von Texten.

Die Konjunkturindikatoren signalisieren ein anhaltend solides Wachstum in den USA und leichte Verbesserungstendenzen in Europa. Die Unternehmensgewinne dürften vor diesem Hintergrund im zweiten Quartal 2024 eine moderat positive Entwicklung verzeichnen. Gleichzeitig ist jedoch die Bewertung von Aktien zuletzt merklich gestiegen – viel Optimismus ist also bereits eingepreist. Vor diesem Hintergrund sehen wir nur begrenzte Kurschancen im zweiten Quartal. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass der Optimismus in eine Euphorie übergeht und auch im zweiten Quartal merkliche Kursgewinne verzeichnet werden. Wahrscheinlich überwiegen aber eher die Risiken: So könnte eine überraschend hohe US-Inflation die Hoffnung erschüttern, dass der nächste Zinsschritt der US-Notenbank eine Leitzinssenkung ist. Auch könnte das immense Emissionsvolumen von US-Staatsanleihen für Turbulenzen am US-Anleihemarkt sorgen, die sich dann auf den Aktienmarkt übertragen könnten. Zudem besteht das Risiko einer Eskalation der zahlreichen geopolitischen Krisen.

Konjunktur Eurozone: Leitzinssenkungen ab Juni zu erwarten

Die Konjunktur in der Eurozone hellte sich im Verlauf des ersten Quartals etwas auf. Die gute US-Konjunktur, ein stabiler europäischer Arbeitsmarkt und die verstärkten Auszahlungen des Next-EU-Generation-Funds scheinen einen positiven Impuls gegeben zu haben. Jedoch wirken die hohen Leitzinsen der EZB immer noch wie eine Bremse, sodass wir vorerst nur mit einer moderaten Belebung und mit einem Wirtschaftswachstum unterhalb des Potenzialwachstums rechnen. Damit sollte immerhin der Trend einer fallenden Inflation intakt bleiben. Zumal die Frachtraten zwischen Shanghai und Rotterdam zuletzt wieder merklich zurückgingen, sodass nicht mit größeren Auswirkungen auf die Lieferketten im Zusammenhang mit der Krise im Roten Meer zu rechnen ist. Interessanterweise hat sich in der Eurozone eine erkennbare regionale Divergenz beim Wirtschaftswachstum entwickelt. Die beiden Schwergewichte Deutschland und Frankreich sind dabei die Schlusslichter, während die kleineren Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion teilweise eine sehr positive wirtschaftliche Entwicklung aufweisen. Die staatlichen Sparmaßnahmen in Deutschland zur Erfüllung der Vorgaben der Schuldenbremse verschlechtern prozyklisch die wirtschaftliche Lage und sind daher kontraproduktiv. In vielen anderen Mitgliedsländern ist die staatliche Finanzpolitik dagegen antizyklisch und arbeitet gegen die Wirtschaftsschwäche an, da viele Länder nunmehr von den verstärkten Auszahlungen des Next-EU-Generation-Funds profitieren.

Die EZB dürfte aufgrund der fallenden Inflation und des nur moderaten Wirtschaftswachstums den Zinssenkungszyklus im Juni beginnen und auf jeder der vier in diesem Jahr noch folgenden Sitzungen den Leitzins senken. Insgesamt rechnen wir mit Leitzinssenkungen von 125 Basispunkten auf einen Einlagesatz von 2,75 Prozent zum Jahresende 2024. Die Leitzinssenkungen der EZB dürften einen positiven Impuls für die Konjunktur gegen Jahresende liefern. So war die Sparleistung der Konsumenten der Eurozone seit der Pandemie ungewöhnlich groß, was zuletzt auch auf die Leitzinserhöhungen der EZB zurückzuführen war. Bei sinkenden Zinsen dürften die Konsumenten dann wieder weniger sparen und mehr Kredite nachfragen, was 2025 zu einer merklich höheren Konsumausgaben und einer Erholung der Lage am Immobilienmarkt beitragen sollte.

Konjunktur USA: KI beflügelt Investitionen und Wachstum

Die US-Wirtschaft blieb auch im ersten Quartal resilient und dürfte mit etwa 2,0 Prozent gewachsen sein. Interessanterweise stagnierten die Geldmenge M2 und die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen und Konsumenten nur. Das zeigt, dass die hohen Leitzinsen der US-Notenbank eine bremsende Wirkung auf die Konjunktur haben. Das Wirtschaftswachstum kann demnach nur durch eine höhere Umlaufgeschwindigkeit des Geldes hervorgerufen worden sein. Die Ursache dafür scheint eine größere Ausgabenfreude des Staates, der Konsumenten und der Unternehmen zu sein. Insbesondere das Thema „Künstliche Intelligenz“ scheint die Unternehmen zu hohen Investitionen zu beflügeln. Die USA profitieren nicht nur davon, dass sie führend sind bei der Produktion von für KI benötigten Produkten wie Halbleitern, Datenzentren, Software etc., sondern auch davon, dass die Künstliche Intelligenz in die Wirtschaft diffundiert und immer mehr Unternehmen erfasst, die damit ihre Produktivität deutlich steigern können. Auch die makroökonomischen Daten zeigen schon jetzt ein schnelleres Produktivitätswachstum. Die US-Wirtschaft steht somit erst am Beginn einer neuen technologischen Welle, die noch einige Jahre andauern und nahezu alle Arbeitsplätze verändern wird. Damit bestehen auch gute Chancen für einen anhaltenden Aufschwung und ein dynamisches Wachstum. Das resiliente Wachstum hat aber auch eine Schattenseite. So erreichte die Inflation im Juni 2023 mit 3,0 Prozent einen Tiefpunkt und verzeichnete seitdem mehr oder weniger eine Seitwärtsbewegung. Eine hartnäckig hohe Inflation dürfte es der US-Notenbank erschweren, den Leitzins zu senken. Wir sehen daher große Risiken, dass die US-Notenbank im Juni den Leitzins nicht senken kann. In diesem Fall dürfte sie ihn auch im September oder Oktober nicht senken können, da beide Termine zu nah an den Präsidentschaftswahlen im November liegen. Die US-Notenbank könnte dann voraussichtlich erst im Dezember einen Zinsschritt machen. Auch könnten die hohen Staatsschulden zunehmend den Anleihemarkt belasten. So dürfte sich die Emission von Staatsanleihen im zweiten Quartal auf etwa 500 Mrd. US-Dollar belaufen. Die Frage ist hierbei, wie aufnahmefähig der US-Staatsanleihemarkt ist und wann Turbulenzen am Anleihemarkt, die Politik zu Sparmaßnahmen zwingen.

Konjunktur Asien: Chinas Wachstumsziele könnten zu Protektionismus führen

Die japanische Wirtschaft ist auf Wachstumskurs: Der Tankan-Index für die Industrie zeigte im ersten Quartal überdurchschnittlich hohe Werte, während er für den Dienstleistungssektor deutlich stieg und den höchsten Wert seit Anfang der 1990er Jahre erreichte. Dabei scheint der Dienstleistungssektor viel stärker von der ultralockeren Geldpolitik zu profitieren als die Industrie vom schwachen Yen-Wechselkurs. Die gute konjunkturelle Verfassung Japans war sicherlich ein Grund dafür, dass die Lohnverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern in diesem Jahr mit einem deutlich größeren Lohnplus endeten als im vergangenen. Damit mehren sich die Signale einer binnenwirtschaftlich generierten Inflationsbeschleunigung. Bis dato war der Inflationsschub in Japan vor allem auf die gestiegenen Importpreise zurückzuführen. Die Bank von Japan ist also gefordert und sollte schnellstmöglich den Leitzins anheben, um die Entstehung einer problematischen Inflation der Konsumentenpreise und der Immobilienpreise zu vermeiden. Wir können uns den nächsten Zinsschritt im Juni vorstellen.

Die chinesische Wirtschaft zeigte dank zahlreicher staatlicher Konjunkturmaßnahmen moderate Belebungstendenzen im ersten Quartal. Vor allem die Industrieproduktion und der Export trugen dazu bei, während die Lage am Immobilienmarkt weiterhin von Schwäche geprägt war. Die Staatsbanken vergaben zuletzt in einem erheblichen Ausmaß neue Kredite für eine Expansion der Produktionskapazitäten in der chinesischen Industrie. China ist jetzt schon mit Abstand der größte Exporteur von Industriegütern mit einem immensen Exportüberschuss. Es ist daher für die Industrieunternehmen im Rest der Welt äußerst problematisch, wenn China über den Export wachsen möchte, da dadurch ein gefährlicher Verdrängungswettbewerb entstehen könnte. Viele Länder dürften sich zunehmend zu protektionistischen Maßnahmen gezwungen sehen, um ihre eigenen Produzenten gegen die teilweise stark subventionierte chinesische Konkurrenz zu schützen. Sollte ein neu gewählter US-Präsident Donald Trump auch noch Strafzölle verhängen, droht eine protektionistische Welle wie in den 1930er Jahren. Aufgrund der strukturellen Krise am chinesischen Immobilienmarkt rechnen wir nur mit einem kurzen Aufschwung in China, der sechs bis neun Monate dauern könnte. Gegen Herbst dürfte sich die chinesische Wirtschaft wieder abkühlen.

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