Metzler: Ende der US-Leitzinserhöhungen absehbar

Marktausblick

Die US-Notenbank könnten nach Meinung von Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler AM, schon im März 2019 ihren Zinserhöhungszyklus beenden. Dies würde den Außenwert des US-Dollar schwächen und damit Schwellenländern mit hohem US-Dollar-Exposure eine Verschnaufpause verschaffen.c

26.11.2018 | 13:48 Uhr

Ein Blick auf die US-Leitzinserwartungen zeigt, dass die Finanzmarktakteure schon Mitte 2019 ein Ende der Leit­zinserhöhungen sehen, während die Mitglieder im Offenmarktausschuss der US-Notenbank derzeit noch etwa sechs bis neun Monate später damit rechnen. Ein Ende der Leitzinserhöhungen in den USA ist damit absehbar. Die Finanzmarktakteure werden daher jede Veröffentlichung der US-Notenbank wie das Protokoll der Sitzung am Donnerstag auf Hinweise nach den selbstgewählten Kriterien untersuchen, nach denen die US-Notenbank eine Zinspause einlegen könnte. 

Ende der US-Leitzinserhöhungen absehbar

Ende der US-Leitzinserhöhungen absehbar

Die Konjunkturdaten sprechen derzeit nach unserem Dafürhalten eher dafür, dass die US-Notenbank schon früher den Zinserhöhungszyklus beendet – schon im März oder Juni 2019. Insbesondere die Schwäche am Wohnimmobilienmarkt signalisiert, dass sich das US-Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr merklich abschwächen dürfte. In der Vergangenheit zeigte der frühzyklische Wohnimmobilienmarkt regelmäßig als einer der ersten etwaige Abschwächungstendenzen der US-Wirtschaft an. Immerhin steht der immer noch leicht positive Wachstumsbeitrag der Wohnimmobilien im Einklang mit einem sich nur abschwächenden Wirtschaftswachstum – und nicht mit einer Rezession. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der Neubauverkäufe (Mittwoch) ein sehr wichtiger Indikator. Erste Abschwächungstendenzen außerhalb des Wohnimmobilienmarktes dürften sich auch in einem Rückgang des Konsumentenvertrauens (Dienstag) sowie der Konsumausgaben (Donnerstag) niederschlagen.

USA: Wohnimmobilienmarkt fordert Aufmerksamkeit

USA: Wohnimmobilienmarkt fordert Aufmerksamkeit


USA: Ende der Zinserhöhungen könnte US-Dollar schwächen

Ein Ende der US-Leitzinserhöhungen bei einem gleichzeitigen Nachziehen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bank von Japan könnten zudem im Jahresverlauf 2019 den US-Dollar schwächen. Dazu müsste sich jedoch das Wirtschaftswachstum in der Eurozone wieder etwas beschleunigen, und die politischen Risiken in Europa müssten unter Kontrolle gebracht werden. In der Vergangenheit schwächte sich nämlich der US-Dollar oft in Phasen ab, in denen die USA ihre Staatsschulden merklich im Vergleich zum Rest der Welt ausweiteten.

US-Dollar ist perspektivisch wegen der hohen Staatsverschuldung der USA eine „Weichwährung“ – aber auch eine Krisenwährung

US-Dollar ist perspektivisch wegen der hohen Staatsverschuldung der USA eine „Weichwährung“ – aber auch eine Krisenwährung

Ein Ende der Leitzinserhöhungen und ein tendenziell schwächerer US-Dollar könnten den Schwellenländern im kommenden Jahr eine Verschnaufpause ermöglichen. Seit 2011 haben die Währungen der Schwellenländer gemäß dem von JP Morgan berechneten Währungsindex etwa 40 % gegenüber dem US-Dollar verloren – allein in diesem Jahr knapp 10 %. Immerhin sind die Währungen der meisten Schwellenländer nicht mehr wie früher an den US-Dollar gekoppelt. In diesem Fall hätte es jetzt schon Attacken von spekulativen Anlegern auf ihre Währungen gegeben. Die heutzutage überwiegend flexiblen Wechselkurse haben es ermöglicht, dass die Währungen der Schwellenländer abwerten konnten, ohne größere Verwerfungen in der Realwirtschaft zu verursachen. Die Türkei und Argentinien sind dabei jedoch die unrühmlichen Ausnahmen. Beide Länder haben hohe Leistungsbilanzdefizite und sehr geringe Devisenreserven – im Verhältnis zu den kurzfristigen Auslandsschulden, den fällig werdenden langfristigen Auslandsschulden sowie zu den Einlagen der Aus­länder im heimischen Bankensystem.

Die Gruppe der Schwellenländer hat eine ausgeglichene Leistungsbilanz und ist somit nicht auf ausländisches Kapital angewiesen

Die Gruppe der Schwellenländer hat eine ausgeglichene Leistungsbilanz und ist somit nicht auf ausländisches Kapital angewiesen

Die große Mehrheit der Schwellenländer hat jedoch eine mehr oder weniger ausgeglichene Leistungsbilanz und ausreichende Devisenreserven, was ihnen eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen Kapitalabflüsse verschafft. Auch zeigen Studien, dass die Kapitalflüsse in die Schwellenländer stark vom US-Leitzinsniveau abhängen. Mit jeder US-Leitzinserhöhung fließt demnach weniger Kapital in die Schwellenländer, was den Wechselkurs schwächt und die Liquidität im Bankensystem verringert – mit negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum. Der schwächere Wechselkurs stimuliert jedoch auch die Exporte, die damit immerhin ein gewisses Gegengewicht bilden können. Wenn die US-Notenbank den Leitzinserhöhungszyklus also im nächsten Jahr beenden sollte, würden sich die Kapitalflüsse in die Schwellenländer stabilisieren – und damit die Währungen und die Liquidität im Bankensystem.

Eurozone: Konjunkturumfeld hat sich zuletzt verschlechtert

Die Konjunkturschwäche in China, die hohe Unsicherheit aufgrund der zahlreichen politischen Risiken sowie selbst erfüllende Erwartungen haben zuletzt deutliche Bremsspuren in der europäischen Wirtschaft hinterlassen. Vor allem wegen der Konjunkturschwäche in China droht ein merklicher Rückgang beim ifo-Index (Montag) – umso mehr, als die europäischen Unternehmen nach den Krisenerfahrungen von 2009 und 2012 heutzutage sehr schnell auf eine Veränderung des Konjunkturumfelds mit einer Zurückhaltung bei den Investitions- und anderen Ausgaben reagieren. Selbsterfüllende Erwartungen spielen somit auch eine Rolle in der gegenwärtig sich abkühlenden Konjunktur. Dementsprechend dürfte auch der Geschäftsklimaindex der europäischen Wirtschaft (Mittwoch) gefallen sein.

Bankensystem spielt große Rolle bei der Frage nach Konjunkturschwäche oder Rezession

Das Bankensystem in Europa wird in diesem Umfeld maßgeblich darüber entscheiden, ob aus der aktuellen Konjunkturschwäche eine Rezession wird. In der Vergangenheit waren nämlich oft die Kurse der Bankaktien ein guter Frühindikator für die Kreditvergabe der Banken und damit für eine Rezession. Zuletzt neigten die Aktienkurse der Banken wieder zur Schwäche und signalisierten damit erhöhte Konjunkturrisiken.

Eurozone: Kurse von Bankaktien als konjunktureller Frühindikator

Eurozone: Kurse von Bankaktien als konjunktureller Frühindikator

Immerhin gelang es der EZB mithilfe ihrer zahlreichen Liquiditätsprogramme, 2016/17 einen Abschwung zu verhindern, da die Banken ausreichend mit langfristiger EZB-Liquidität versorgt wurden und somit die Kreditvergabe nicht einschränken mussten. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die EZB derzeit über neue langfristige Refinanzierungen für die Banken (TLTRO) nachdenkt und sie wahrscheinlich auch bald beschließen wird. Daher wird die Entwicklung der Kreditvergabe (Mittwoch) in den kommenden Monaten immer stärker in den Fokus der Marktteilnehmer rücken. Derzeit sprechen die Anzeichen (noch) für ein ausreichendes Kreditangebot und daher nur für eine temporäre Konjunkturschwäche, zumal die staatlichen Stimuli in China auch langsam greifen dürften. Die Inflationsentwicklung (Freitag) tritt in einem solchen Umfeld naturgemäß immer stärker in den Hintergrund. 

Wenn sich die europäische Wirtschaft in den kommenden Monaten doch stärker als erwartet abschwächen würde, hätte die EZB kaum noch Optionen, das Wachstum zu stimulieren und gegenzusteuern. Die einzige Möglichkeit, die europäische Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen, wäre ein Fiskalstimulus. Vor diesem Hintergrund wäre es wichtig, bei den europäischen Reformen schnell voranzukommen und damit entsprechende Spielräume für ein solches Vorgehen zu schaffen.

Asien: Einkaufsmanagerindizes stehen im Fokus

In China wird der Einkaufsmanagerindex (Freitag) veröffentlicht und dürfte aufgrund der schwachen Konjunktur erneut gefallen sein.

In Japan wird der Einkaufsmanagerindex schon früher veröffentlicht (Montag). Bisher zeigte er sich überraschend stabil auf hohem Niveau. Auch werden die Inflationsdaten aus dem Großraum Tokio (Freitag) der Öffentlichkeit präsentiert.


Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht

Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management

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