Die Aussichten für gesamtwirtschaftliches Wachstum sind vielerorts begrenzt. Damit es am Aktienmarkt aufwärts geht, müssen die Gewinne wachsen. Johan van Geeteruyen, CIO Fundamental Equity von DPAM, verrät, wo er dafür die besten Chancen sieht:
29.11.2023 | 08:40 Uhr
Zwar setzen viele Anleger auf eine weiche oder gar keine Landung der Weltwirtschaft. Die hohen Zinsen aber wiegen schwer und der jüngste Anstieg der Ölpreise stellt viele Marktprognosen auf die Probe. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und politischen Maßnahmen Chinas tragen zur weltweiten Unruhe bei. Staatliche Eingriffe zur Eindämmung der Inflation häufen sich.
Zudem sind die Märkte nicht gerade günstig bewertet. Der US-Markt liegt bei einem 20-fachen KGV, getragen von einer überraschend starken Wirtschaft und angetrieben durch Unternehmen mit großer Marktkapitalisierung. Die Bewertungen des breiteren Marktes nähern sich eher dem europäischen Niveau an. In den USA wird für 2024 ein Gewinnwachstum von 12 % prognostiziert, was jedoch ehrgeizig erscheint. Europa ist zwar auf den ersten Blick mit einem angemessenen KGV von 12 günstiger, doch ohne die extrem billigen Sektoren wie Energie und Banken liegt das KGV bei weniger attraktiven 15-16. Mit dem Krieg in der Ukraine, einer schwachen Gesamtwirtschaft (Deutschlands Industrie ist in Rezession) und den anhaltenden Herausforderungen der Energiewende ist Europa längst nicht über den Berg.
Staatsausgaben und Kaufkraft – die beiden Rettungsschirme
der Wirtschaft
Die aggressive Politik der Zentralbanken hat die Weltwirtschaft nicht in
den Abgrund gestürzt. Ein Grund dafür liegt in der expansiven Finanzpolitik
(vor allem in den USA), die das Wachstum, die Inflation sowie die Finanzmärkte
ankurbelte. Im Jahr 2021 hatten sich viele Unternehmen langfristige
Finanzierungen zu niedrigen Zinssätzen gesichert. Die Verbraucher sind
weiterhin ausgabefreudig, da ihre Gehälter dank eines engen Arbeitsmarktes
steigen. Daher kommen die Zinsanhebungen nur mit Verzögerung in der Wirtschaft
an. Verbraucher werden wahrscheinlich so lange ausgeben, bis die
Arbeitslosigkeit ein kritisches Niveau erreicht.
Welche Sektoren trotzen dem Gegenwind?
Einige Unternehmen haben große Widerstandsfähigkeit bewiesen. Sektoren wie
Telekommunikation, Versicherungen, Technologie und Gesundheitswesen sind
Bollwerke gegen den wirtschaftlichen Abschwung. Anfälliger sind Sektoren, die
eng an die Entwicklung des BIP gekoppelt sind, wie Banken, Energie, Industrie
und Rohstoffe. Die Nahrungsmittel- und Getränketitel gehören im laufenden Jahr
zu den Sektoren mit der schlechtesten Performance, wobei viele
Nahrungsmittelwerte noch immer mit hohen Multiplikatoren gehandelt
werden.
In der Industrie keimt mit Megaprojekten und einer besseren Auftragslage fürs nächste Jahr Hoffnung auf. Das gilt besonders für die Zulieferer für künstliche Intelligenz sowie für PC-Bestellungen. Diese Art von gemischten Aussichten in verschiedenen Branchen ist typisch für die späte Phase des Konjunkturzyklus.
Innovationen wälzen den Markt um
Auch einige Schlüsselthemen bestimmen das Marktgeschehen, wie etwa
Medikamente gegen Diabetes und Fettleibigkeit in der Gesundheitsbranche (mit
Auswirkungen auf Medizintechnik und Konsumgüter) oder KI. Letztere wird
besonders die großen Chiphersteller sowie die Giganten begünstigen, die die
nötigen Daten sammeln und nutzen können (z.B. Meta, Apple, Google, Tencent und
Alibaba). Und während die Halbleiter- und Hardwarebranche die unmittelbaren
Gewinne einfährt, könnten das Gesundheitswesen und das Finanzwesen mit der
Reifung der KI durchaus mit von der Partie sein. Allerdings sollten Anleger die
Auswirkungen auf die Datensicherheit, auf Arbeitskräfte, die Abhängigkeit von
Maschinen und sogar geopolitische Konsequenzen im Blick behalten.
Zurück nach Hause – Reshoring globaler Lieferketten
Die aktuellen militärischen Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten
bestimmen nicht nur unsere Schlagzeilen, sondern bringen auch Lieferketten
durcheinander und sorgen für Handelsbarrieren. Europa stärkt seine
Windkraftindustrie vor dem Hintergrund der unsicheren Lage in China.
Lieferketten werden enger ans Heimatland oder bei politischen Verbündeten
verlegt. In den USA führen die Bereiche Elektrofahrzeugbatterien und
Transportausrüstungen diese Reshoring-Welle an, gefolgt von der Computer- und
Elektronikbranche mit ihren Solarzellen, Robotern, Drohnen und vor allem
Halbleitern.
Der Chemiesektor ist ebenfalls in Schwung, angetrieben von den Bereichen Pharmazeutika, erneuerbare Energiequellen und Batteriekomponenten. Hohe Gaspreise und Engpässe führen zu einer Verlagerung der petrochemischen Raffinerie an die US-Küste, was Branchen wie der Kunststoffverarbeitung eine robuste Zukunft verspricht. Der Elektro- und der Halbleitersektor sind Triebfedern dieser Reshoring-Bewegung.
Die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft macht Hoffnung in einer ansonsten unsicheren Welt. Mit einem wachsamen Auge auf die Zinsen und die Ölpreise sind die Anleger auf Gegenwind vorbereitet, auch wenn einige Sektoren diesem dynamisch trotzen. Traditionelle Branchen müssen sich angesichts dieser veränderten Marktbedingungen neu erfinden. Die Verlagerung von Lieferketten dürfte diese Trends noch beschleunigen. Innovation und Anpassungsfähigkeit sind gefordert in einer Welt, die sich wirtschaftlich im Wandel befindet.
Marketing-Mitteilung.
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