Capital Group: Rob Lovelace darüber, wie eine Erholung aussehen könnte

Capital Group: Rob Lovelace darüber, wie eine Erholung aussehen könnte
Marktausblick

Wie wird die Welt im Jahr 2022 aussehen? Das ist ein Wegweiser, der den stellvertretenden Vorsitzenden von Capital Group, Rob Lovelace, antreibt, während die Märkte weiterhin volatil sind und die Welt versucht, COVID-19 zu bekämpfen.

24.03.2020 | 10:24 Uhr

„Man muss innehalten und darüber nachdenken, was im Jahr 2022 anders und was wieder normal sein wird“, sagt Lovelace, der Mitte der 1980er Jahre seine Karriere im Anlagebereich bei Capital begann. „Wenn Sie sich darauf konzentrieren können, wie viel gleich sein wird, und auch die andere Seite des Tales sehen können, ist das wirklich beruhigend. Während der Finanzkrise 2008 war es eine ganz andere Situation, weil wir die andere Seite des Tales nicht sehen konnten und nicht wussten, wie wir sie erreichen würden. Aber diesmal ist es anders – und das gibt mir Hoffnung. Während es so sein wird, dass die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte für einige Zeit vor Herausforderungen gestellt werden und die Regierungschefs schwierige Entscheidungen treffen müssen, glaube ich, dass wir diese schwierigen Zeiten erfolgreich meistern werden.“

In einem kürzlichen Anruf aus seinem Home Office teilte Lovelace seine Sicht auf die Reaktion von Capital auf das Virus, die Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie seine Aussichten in Bezug auf die globalen Märkte und Anlagemöglichkeiten mit.

Was sind Ihre Aussichten für die globalen Märkte?

Die Auswirkungen von COVID-19 werden uns noch einige Zeit begleiten, sicherlich bis 2021, werden sich im Laufe der Zeit jedoch abschwächen.

Was wir von China gelernt haben, ist, dass wir schnell, entschlossen und diszipliniert handeln müssen. Die chinesischen Aktienmärkte waren relativ stabil, seit die Situation dort unter Kontrolle gebracht wurde. Zum Beispiel sind chinesische Aktien vom 19. Februar (dem Beginn dieser speziellen Baisse) bis zum 17. März um 15,9 % gefallen, verglichen mit einem Rückgang von 25,2 % in den USA, 21,6 % in Japan und 31,4 % in Europa.

Hinsichtlich der Reaktion auf COVID-19 kann man weltweit zwei verschiedene Richtungen erkennen.

Wenn Regierungen schnell handeln, ist der wirtschaftliche Schock zwar immer noch sehr groß, aber dann folgt eine Erholung, wie wir sie in China gesehen haben.

Wenn diese Maßnahmen nicht ergriffen werden, kommt es wahrscheinlich zu einem größeren Schock für die Menschen und anhaltendem wirtschaftlichen Stress. Dies scheint gerade in Italien, Spanien, Großbritannien, Frankreich und einigen anderen Ländern zu geschehen.

In den USA steht die Entscheidung noch aus, welchen Weg wir gehen werden. Wir haben die ersten Schritte gemacht, aber wenn wir die Aktivitäten im Land nicht zunehmend herunterfahren, uns absperren und das Virus wirklich im Keim ersticken, wird es sich schneller ausbreiten und eine größere Wirkung haben. Das macht es schwer abzuschätzen, wie breit das Tal ist. Es wird eine Rezession geben. Die Frage ist, wie lange – und das beunruhigt den Markt.

Die Märkte erkennen, dass die unterschiedlichen Arten von Reaktionen seitens der Regierungen zu unterschiedlichen Ergebnissen an den Aktienmärkten führen werden. Wie auch immer, ich glaube, wir werden das durchstehen und in 24 Monaten wieder in einer besseren Position sein. Als langfristige Anleger bei Capital sehen wir das bereits. Es ist nur das Gelände entlang des Talbodens, das wir noch nicht genau kennen.

Was sehen Sie in bestimmten Branchen?

Pharmaunternehmen sind offensichtliche Nutznießer, insbesondere in den USA, und einige andere Unternehmen weltweit, die an vielversprechenden Impfstoffen arbeiten. Und wir haben Unternehmen mit Überkapazitäten in ihren Produktionslinien, die dann diese Impfstoffe herstellen können, wenn sie erfolgreich getestet und entwickelt worden sind.

Die Basiskonsumgüter- und Lebensmittelindustrie sowie die Getränkehersteller haben sich in diesem Umfeld behauptet. Der Immobilienmarkt sollte von niedrigeren Zinssätzen profitieren, aber wir könnten aufgrund einer möglichen Beeinträchtigung von Kleinunternehmen einige Auswirkungen auf der kommerziellen Seite erleben. Der zunehmende Internetverkehr hilft Telefon- und Kommunikationsunternehmen, die von einer höheren Datennutzung profitieren, und Versorgungsunternehmen profitieren von niedrigeren Raten. Der positive Trend für Kommunikations- und Versorgungsunternehmen ist in Märkten außerhalb der USA am ausgeprägtesten.

Ein weiteres interessantes Muster, auf das ich hinweisen möchte, ist, dass sich Unternehmen mit qualitativ hochwertigem Wachstum in den Bereichen Technologie und Internet mit starken Cashflows und starken Bilanzen gehalten haben.

Auf der anderen Seite haben Value-Aktien in diesem Umfeld weiterhin zu kämpfen. Öl wird gleich an zwei Fronten mit Herausforderungen konfrontiert: der wirtschaftlichen Abkühlung und dem geopolitischen Kampf zwischen den Saudis und den Russen. Ich frage einige meiner Kollegen: Wenn Sie hier keine Ölaktie kaufen würden, wo würden Sie sie dann kaufen? Ein Teil davon ist politisch motiviert, und letztendlich spielen sich die Dinge wieder ein.

Als Anleger müssen wir uns auf das konzentrieren, was sich permanent verändert hat. Die Analogie, die wir verwenden, ist, über das Tal zu schauen und die andere Seite zu sehen. Es mag etwas holprig sein, aber ich weiß, dass einige Unternehmen gut abschneiden werden. Darauf konzentriere ich mich persönlich, insbesondere auf einige der Internetunternehmen und Marktführer, die wir seit langem in unseren Portfolios haben.

Es gibt Unternehmen wie die Kreuzfahrtbetreiber, für die sich die Welt grundlegend verändert hat. Unsere Analyse konzentriert sich darauf, ob sich die Muster für einige Branchen dauerhaft geändert haben oder ob das Geschäft wieder normal wird, wenn wir die gegenwärtige Situation durchgestanden haben.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte: Es wird wahrscheinlich einen globalen Babyboom geben, der sich aus den Quarantänen und der Distanzierung von sozialen Kontakten ergibt.

S&P 500 Renditen nach Sektoren


Wie sollten wir über die jüngsten Schritte der Fed denken?

Die US-Notenbank hat ihre Besorgnis deutlich zum Ausdruck gebracht, indem sie ihren Leitzins auf nahe Null gesenkt und verschiedene außergewöhnliche Liquiditätsprogramme eingeführt hat, die zuletzt während der globalen Finanzkrise eingesetzt wurden.

Die Bereitstellung von Liquidität für das System ist wichtig und unbedingt erforderlich. Wir haben von unseren Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Rentenwerten beschäftigen, gehört, dass die Liquidität selbst bei US-Staatsanleihen, dem normalerweise liquidesten Markt der Welt, eine Herausforderung darstellt. Um die Liquidität zu verbessern, hat die Fed ihr Programm der quantitativen Lockerung wieder aufgenommen und sich verpflichtet, Staatsanleihen und hypothekenbesicherte Wertpapiere von Regierungsbehörden im Wert von 700 Mrd. USD zu kaufen. Die Fed hat außerdem die Commercial Paper Funding Facility neu gestartet, um Unternehmen den Zugang zu kurzfristiger Liquidität zu ermöglichen.

Im Gegensatz zur Großen Rezession sind die Banken, teilweise aufgrund der Umstrukturierung nach 2008, gesund. Unternehmen nehmen Kreditlinien in Anspruch, und wir beobachten dies genau. In den USA werden wir wahrscheinlich staatliche Unterstützung für die Luft- und Raumfahrt- sowie die Hotelbranche sehen, ähnlich wie beim Troubled Asset Relief Program (TARP) im Jahr 2009. Ich erwarte auch Hilfe für Stundenlohnempfänger, die möglicherweise weniger Stunden arbeiten können oder ihren Arbeitsplatz verlieren, sowie andere Formen der staatlichen Unterstützung. Ich würde diese Art von Maßnahmen als positiv betrachten.

Wie ist Capital Group positioniert, um mit den aktuellen Herausforderungen umzugehen?

Als globales Unternehmen mit Niederlassungen in China und in ganz Asien haben wir uns mit solchen Marktbedingungen befasst und diese Herausforderungen schon in der Vergangenheit gemeistert. Es gab die SARS-Epidemie, die regional beschränkt war, und in jüngerer Zeit hatten wir die Unruhen in Hongkong. Wir haben viel aus diesen Erfahrungen gelernt. Als das Coronavirus auftauchte, hatten wir in Asien bereits etablierte Pläne für die Arbeit aus dem Home Office und die Technologie zur Unterstützung unserer Teams. Als sich die Situation in Italien verschlechterte, waren wir in einer Position, die es uns ermöglichte, den Richtlinien und Anordnungen der Branche und der Regierung Tage – und in einigen Fällen Wochen – voraus zu sein.

Capital ist auf Baissen bestens vorbereitet – und es hilft, ein privates Unternehmen zu sein. Wir konzentrieren uns nicht auf kurzfristige Quartalsergebnisse und unsere Mitarbeiter sind nicht besorgt, dass der Aktienkurs des Unternehmens fallen könnte oder ihr Arbeitsplatz gefährdet ist. Das kann demoralisierend sein, insbesondere wenn Ihre Aktie an Wert verliert.

Wir haben eine unglaublich starke Bilanz ohne Schulden und eine beträchtliche Menge an Bargeld.

Ein weiterer Unterschied, der uns meiner Meinung nach von börsennotierten Anlagegesellschaften unterscheidet, besteht darin, dass wir unsere Fachleute immer gleich bezahlen – egal, ob die Märkte sich in einer Talsohle befinden oder auf Höchstniveau sind. Dies ist besonders wichtig für unsere Anlagegruppe, da unser Bonuspool nicht auf unserem verwalteten Gesamtvermögen basiert, das je nach Marktbedingungen schwanken kann. Wir behalten immer die gleiche Formel bei und legen Wert auf langfristige Ergebnisse. Dies hilft unseren Portfoliomanagern, die möglicherweise über höhere liquide Mittel verfügen, und dabei, die Ergebnisse in unseren Fonds auszugleichen.

Beeinflusst COVID-19 unseren Researchprozess?

Als globale Anlagegesellschaft reisen unsere Anlageprofis häufig in verschiedene Teile der Welt und treffen sich mit Unternehmensleitungsteams, Regierungsbeamten und Lieferanten. Viele von uns haben bereits viel Zeit außerhalb des Büros verbracht, daher ist die Fernarbeit keine große Veränderung und wir sind es gewohnt, Videokonferenzen zu nutzen, um miteinander zu interagieren.

Jetzt arbeiten wir alle von zu Hause aus und das gibt uns noch mehr Zeit, uns auf die Analyse der Daten zu konzentrieren und darüber nachzudenken, was auf den Märkten passiert. Wir haben nicht einmal einen dramatischen Rückgang der Kontakte zu Unternehmen erlebt, da die Unternehmen selbst Video- und Telefongespräche bevorzugen.

Unternehmensleitungsteams sind auch im Home Office und haben sich in einigen Fällen an unsere Analysten gewandt, um herauszufinden, was wir über die Entwicklungen in der Welt und in ihrer Branche wissen.

Daher würde ich sagen, dass unsere Verbindungen zu den Leitungsteams so gut – oder besser als je zuvor – sind.

 Rob Lovelace

Rob Lovelace, Aktien-Portfoliomanager

Rob ist stellvertretender Vorsitzender der Capital Group, Präsident der Capital Research and Management Company, Inc. und gehört dem Capital Group Management Committee an. Er verfügt über 33 Jahre Investitionserfahrung, alle bei Capital. Zu Beginn seiner Karriere hat Rob als Analyst globale Bergbau- und Metallunternehmen sowie Unternehmen mit Sitz in Mexiko und den Philippinen betreut. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Geologie von Princeton und ist CFA-Charterholder.

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