Capital Group: Ausblick für Japan - Auch unter neuer Führung ein Markt für Einzelwertexperten

Capital Group: Ausblick für Japan - Auch unter neuer Führung ein Markt für Einzelwertexperten
Marktausblick

2020 war ein recht ereignisreiches Jahr für Japan, mit einer Reihe schlagzeilenträchtiger Ereignisse, darunter COVID-19, die Verschiebung der Olympischen Sommerspiele in Tokio und ein überraschender Führungswechsel im September.

08.01.2021 | 12:19 Uhr

Insbesondere der Amtsantritt von Yoshihide Suga, der seinen Verbündeten Shinzo Abe als Premierminister ablöste, hat den Anlegern viel Stoff zum Nachdenken darüber gegeben, was Sugas Regierung im neuen Jahr für die japanischen Aktien bedeuten könnte.

Japan war eines der wenigen Länder weltweit, die den Ausbruch des Coronavirus relativ erfolgreich eindämmen konnten, insbesondere im Vergleich zu anderen G7-Ländern und europäischen Nationen. Dies ist einer der Gründe dafür, dass sich japanische Aktien im Jahr 2020 widerstandsfähig gezeigt haben; der TOPIX stieg im Gesamtjahr um 2,6 %.1

Ein weiterer wichtiger Faktor für diese Widerstandsfähigkeit waren die starken Bilanzen vieler japanischer Unternehmen. Unternehmen in Japan werden oft dafür kritisiert, zu viel Bargeld zu halten, in dieser Krise haben jedoch starke Bilanzen und eine stabile Liquiditätslage dazu beigetragen, den Markt zu stützen.

Auf dem Weg ins Jahr 2021 gibt es mehrere weitere Faktoren, die einen positiven Ausblick für japanische Aktien bieten.

Zum einen ist es die politische Stabilität, die Japan bietet. Zwar hat der Premierminister gewechselt, tatsächlich steht er jedoch für eine reine Fortsetzung der bisherigen Regierung. Suga war Chefkabinettssekretär unter Abe und hat versprochen, die Politik seines Vorgängers fortzusetzen.

Ein zweiter Grund für die positive Prognose ist die relative Sicherheit japanischer Dividenden. Die Situation in Bezug auf Dividenden ist in Japan anders als in anderen Teilen der Weltwirtschaft. Selbst bei den Banken sind die Dividendenaussichten recht stabil. Ein staatliches Eingreifen in einem Umfang wie im Vereinigten Königreich und Europa hat es in Japan nicht gegeben. Tatsächlich befürwortet die Regierung, dass Banken weiterhin Dividenden zahlen und diese sogar erhöhen.

Ein weiterer Faktor sind die ausländischen Investitionen. Die Erwartungen der ausländischen Anleger in Bezug auf japanische Aktien waren in den letzten fünf Jahren der Vorgängerregierung niedrig, u. a. weil Abes Versprechen, eine Inflation von 2 % zu erreichen, nie eingelöst wurde. Die Erwartungen hinsichtlich japanischer Aktien sind nach der Ernennung Sugas immer noch recht niedrig. Was jetzt jedoch relevant ist, wäre ein Blick auf die ersten zwei Jahre der Abe-Regierung, als es zu einer deutlichen Veränderung der Erwartungen kam und die ausländischen Investitionen einen Boom verzeichneten. Wir könnten eine ähnliche Änderung der Erwartungen unter der Regierung Suga erleben, vielleicht wenn wir einige frühe Anzeichen von Erfolg sehen.

Japans Schwerpunkt auf Digitalisierung

Einer von Sugas wichtigsten Schwerpunkten seit seinem Amtsantritt ist die Digitalisierung. Schon vor der Pandemie waren die Investition in Japan deutlich zu niedrig, und das Land hinkte der Welt in Sachen Digitalisierung hinterher, sei es in Bezug auf die Regierung, große Unternehmen oder kleinere Betriebe. Dies wurde für die Öffentlichkeit sehr deutlich, als die Coronavirus-Pandemie ausbrach.

Als Reaktion auf die COVID-19-Krise stieg der Anteil der Japaner, die von zu Hause aus arbeiten, auf lediglich 18 %2, das ist deutlich weniger als im Vereinigten Königreich und in den USA. 3 Auch die Verbreitung der Cloud ist in Japan mit 15 % relativ gering, verglichen mit 25 % im Vereinigten Königreich und 40 % in den USA. Ein weiteres Problem ist, dass die japanischen IT-Systeme zu komplex, arbeitsintensiv und nicht standardisiert sind. Tatsächlich gab es kürzlich einen peinlichen Zwischenfall an der Tokyo Stock Exchange, wobei der Handel aufgrund einer technischen Panne für einen ganzen Tag unterbrochen wurde.

Insgesamt bedeutet dies, dass es eine Menge Spielraum für Verbesserungen gibt, und wenn die Probleme nicht behoben werden, könnte Japan innerhalb der Weltwirtschaft zunehmend an Bedeutung verlieren. Suga hat ein echtes Gespür für die Dringlichkeit, etwas in diesem Bereich zu tun, und hat dies zu einer Priorität in seinen Reformen gemacht. Dies öffnet potenziell die Tür zu einer breiten Palette von Möglichkeiten, die sowohl im staatlichen als auch im privaten Sektor liegen werden. Darüber hinaus wird es voraussichtlich zu bedeutenden Veränderungen in Bereichen wie dem Ansatz in Bezug auf Geschäftsabläufe, Konsumgewohnheiten und Unterhaltung führen.

chart-OL2021-cloud-demand_916px_GER-(DE-Chart-1)


Wichtige Lehren aus dem Jahr 2020

Mit Blick auf das Jahr 2021 haben wir vier wichtige Lehren aus dem vergangenen Jahr identifiziert, die entscheidend sein können, um in dem Umfeld nach COVID Anlagechancen am japanischen Aktienmarkt zu entdecken:

1. Diese Art der Krise hat die tatsächliche Varianz in der Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit zwischen verschiedenen Ländern, Unternehmen und vielleicht auch Einzelpersonen offenbart. Unternehmen, die in einem solchen Umfeld glänzen können, sind flexibel und agil und weisen eine starke Kultur auf. Es ist wie beim Drachenfliegen: Wenn die Bedingungen gut sind, steigen alle Drachen. Sobald der Wind nachlässt, braucht es mehr Geschick und eine stärkere Konstruktion, um den Flug aufrechtzuerhalten; die schwächeren Drachen fallen zu Boden. Unter schwierigeren wirtschaftlichen Bedingungen werden somit die Stärke eines Unternehmens und seine Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen, zu einem entscheidenden Faktor.

2. Diese Pandemie hat auch gezeigt, dass einige Unternehmen wertvoller sind als bisher angenommen. Unternehmen in Sektoren wie Gesundheitswesen, Hygiene, Informationstechnologie, Logistik, Bildung, Nahrungsmittel und Umwelt konnten ihren Marktwert während der Krise gut behaupten. Sobald uns bewusst wird, wie wichtig ein Unternehmen ist, erkennen wir, dass es mehr wert sein kann, als wir vorher dachten.

3. Die japanischen Haushalte sind bereits für ihre hohe Sparneigung bekannt. Die Erfahrung von COVID-19 wird diese Gewohnheit voraussichtlich zementieren. Die längere Lebenserwartung – Japaner haben mit die längste Lebenserwartung weltweit – bietet einen weiteren Anreiz, mehr zu sparen. Vorsicht ist geboten, wenn sich dieser Trend auf andere Volkswirtschaften ausbreitet. So ist beispielsweise die Einstellung zur Verschuldung in den USA ganz anders, wo Unternehmen häufig die Verschuldung erhöhen, um Aktienrückkäufe zu finanzieren. Ich denke, dies wird sich abschwächen, da die Unternehmen vorsichtiger werden und versuchen, ihre Bilanzen zu stärken. Wenn dieser Trend jedoch zu weit geht und die Unternehmen übermäßig konservativ agieren, könnte dies das Tempo der globalen Konjunkturerholung behindern.

4. Schließlich wird dem ökologischen Wandel nach der Pandemie eine größere Bedeutung beigemessen. Dies ist ein wichtiger, langfristiger Megatrend, der im Mittelpunkt des Entscheidungsprozesses eines jeden Investors stehen sollte. Ich denke, dass COVID-19 diesen Trend wahrscheinlich noch beschleunigen wird, da es sich in beiden Fällen um große Krisen handelt, die die gesamte Menschheit betreffen.

1. Stand 7. Dezember 2020. Quelle: Bloomberg

2. Basierend auf Daten vom 13. März bis 13. April. Quelle: Nippon Research Center und YouGov

3. Stand 30. Juni 2020 Quelle: Statista

4. Stand 30. Juni 2020 Die Prognose wurde an die erwarteten Auswirkungen von COVID-19 angepasst. Quelle: Statista 


Über den Autor

Akira Horiguchi - Aktienportfoliomanager

Akira ist Aktienportfoliomanager bei Capital Group. Er verfügt über 26 Jahre Erfahrung in der Investmentbranche und ist seit 19 Jahren bei Capital Group tätig. Akiras Arbeitsort ist Genf.

Diesen Beitrag teilen: