Frühlingssignale auch in der europäischen Wirtschaft

Marktausblick

Die europäische Wirtschaft zeigte in den vergangenen Monaten weltweit die größten Schwächetendenzen. Während der Außenhandel 2017 noch deutlich zum Wachstum beigetragen hatte, drehte er ab 2018 stark ins Negative.

12.04.2019 | 15:46 Uhr

Darüber hinaus war die Fiskalpolitik 2018 leicht restriktiv. Dieses Jahr dürfte sie einen merklich positiven Impuls von etwa 0,4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIPs) in der Eurozone liefern, der Außenbeitrag dürfte sich wieder etwas erholen und die Kreditvergabe aufgrund der geldpolitischen Programme der Europäischen Zentralbank (EZB) stabil bleiben. Dass gute Chancen auf eine sich belebende Konjunktur bestehen, zeigt auch der Frühindikator der OECD für Europa, der schon jetzt nach oben gedreht ist.

Deutschland als Ausreißer in einem Umfeld mit weniger extremen AusprägungenEin Blick auf die weltweiten Einkaufsmanagerindizes der Industrie im März zeigt Deutschlands Wirtschaft als Ausreißer: Der deutsche Einkaufsmanagerindex fiel auf 44,1 und sank damit um 14,1 Punkte gegenüber März 2018. Der globale Einkaufsmanagerindex signalisiert dagegen mit 50,6 immer noch ein leicht positives Wachstum der Industrie bei nur moderat geringerer Wachstumsdynamik gegenüber März 2018 (ein Rückgang von nur 2,6 Punkten).

Erste Verbesserungstendenzen in Europa Frühindikator der OECD für Europa

Erste Verbesserungstendenzen

Quelle: Bloomberg; Stand: 31.1.2019

Auch die reale Geldmenge M1, die in der Vergangenheit oft mit großer Zuverlässigkeit Wendepunkte im Konjunkturverlauf signalisierte, zeigte zuletzt Verbesserungstendenzen.

Eurozone: Moderat beschleunigendes Geldmengenwachstum ist ein positives Konjunktursignal
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Moderat beschleunigendes Geldmengenwachstum

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.1.2019

Damit verbindet sich die Hoffnung, dass die Konjunkturerwartungen des ZEW-Index (Dienstag) sowie die Einkaufsmanagerindizes in der Eurozone (Freitag) den positiven Vorgaben der obengenannten Indikatoren folgen.

Deutschland als Ausreißer in einem Umfeld mit weniger extremen AusprägungenEin Blick auf die weltweiten Einkaufsmanagerindizes der Industrie im März zeigt Deutschlands Wirtschaft als Ausreißer: Der deutsche Einkaufsmanagerindex fiel auf 44,1 und sank damit um 14,1 Punkte gegenüber März 2018. Der globale Einkaufsmanagerindex signalisiert dagegen mit 50,6 immer noch ein leicht positives Wachstum der Industrie bei nur moderat geringerer Wachstumsdynamik gegenüber März 2018 (ein Rückgang von nur 2,6 Punkten).

Deutsche Industrie im freien Fall Einkaufsmanagerindex (PMI) der Industrie

Deutsche Industrie im freien Fall

Quelle: Bloomberg; Stand: 28.3.2019

Die Frage ist nur schwer zu beantworten, warum es gerade die deutsche Industrie so hart getroffen hat – umso mehr, als der Einkaufsmanagerindex der ebenfalls stark exportlastigen japanischen Wirtschaft nur moderat gefallen ist. Die japanische Industrie ist ähnlich stark abhängig von der globalen Nachfrage wie die deutsche. Die Vermutung liegt also nahe, dass weniger die Schwächephase von Chinas Konjunktur die deutsche Industrie belastet hat als europäische Themen wie der Brexit oder die Rezession in Italien und in der Türkei.

Langfristig ist die deutsche Industrie der große Profiteur der Europäischen Währungsunion Ursprünglich begrüßten Volkswirte in den 1970erJahren flexible Wechselkurse, da sie von ihnen eine ausgleichende Funktion erwarteten. So war damals die Denkweise: Wenn ein Land in ein Handelsbilanzdefizit rutschen sollte, dann würde es zu einer Abwertung der Währung kommen, sodass die Exporte wieder steigen konnten, um das Defizit zu bereinigen. Tatsächlich unterschätzten die Experten jedoch den Einfluss der volatilen Kapitalflüsse, die zu erheblichen Abweichungen der Währungen von ihrem fundamental angemessenen Niveau beitrugen.

Ein Blick auf die Währungsentwicklung in Deutschland und Japan zeigt diesen Effekt. Da Deutschland Mitglied der Europäischen Währungsunion ist und viele Länder ihre Währung gegenüber dem Euro managen, ist der virtuelle deutsche Wechselkurs an den Devisenmärkten nur wenig flexibel. Der japanische Yen ist dagegen völlig flexibel. Der deutsche reale handelsgewichtete Wechselkurs hatte vom ersten Quartal 1991 bis zum ersten Quartal 2019 eine Volatilität von nur 3 %, der japanische reale handelsgewichtete Wechselkurs hingegen von 9,8 %. Die deutsche und japanische Wirtschaft haben dabei eigentlich viele strukturelle Gemeinsamkeiten: einen großen Industriesektor, eine hohe Abhängigkeit von der Auslandsnachfrage sowie eine ähnliche demografische Entwicklung.

Deutschland profitiert von Wechselkursstabilität – Japan leidet unter Abwanderung der Industrie wegen großer Wechselkursschwankungen

Deutschland profitiert von Wechselkursstabilität

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.3.2019

Man kann vor diesem Hintergrund durchaus die These aufstellen, dass die hohe Volatilität des japanischen Wechselkurses sowie immer wieder Phasen mit erheblichen Übertreibungen dazu beigetragen haben könnten, dass die japanische Industrie immer mehr Produktionsstätten ins Ausland verlagert hat und es so zu einer Deindustrialisierung Japans kam. Das Niveau der japanischen Industrieproduktion liegt heute immer noch knapp 10 % unter dem Niveau von 1991, während es in Deutschland etwa 30 % darüber liegt. Ein weiterer Vorteil des weniger stark schwankenden deutschen Wechselkurses ist, dass die Volatilität der deutschen Industrieproduktion mit 4,9 % deutlich geringer ist als die der japanischen Industrieproduktion mit 6,8 %.

Es kann also durchaus von Vorteil sein, wenn die eigene Währung weitestgehend von oft irrationalen Kapitalbewegungen abgeschirmt ist.

Risiken eines harten Brexit werden unterschätzt

Laut Prof. Peter Murrell ist es falsch zu unterstellen, dass ein Austritt Großbritanniens aus der EU genau denselben Effekt hätte wie ein Beitritt nur mit umgekehrten Vorzeichen. So haben sich die Unternehmen in Großbritannien über Jahrzehnte in einem evolutionären Prozess an die institutionellen EU-Rahmenbedingungen angepasst. Dadurch sind eingespielte Prozesse mit Zulieferern und Kunden in ganz Europa entstanden, die auf einem großen Vertrauen der Wirtschaftsakteure untereinander basieren. Ein harter Brexit würde praktisch über Nacht diese Vertrauensbasis zerstören und die eingespielten Prozesse zum Stillstand bringen. Erfahrungsgemäß würde es für britische Unternehmen dann mehre Jahre dauern, bis sie sich auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt hätten. Das ist auch der Grund, warum es meistens einige Jahre dauert, bis positive Wachstumseffekte von Strukturreformen erkennbar sind. Die Unternehmen können in der Regel nur langsam die neuen Marktchancen nach Strukturreformen nutzen, da sich erst evolutionär neue Abläufe etablieren müssen und Vertrauen zwischen den Akteuren aufgebaut werden muss.

Als eine Blaupause für die möglichen Auswirkungen eines harten Brexit nennt Prof. Peter Murrell die Tschechoslowakei im Jahr 1991. Das Land hatte damals die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umstellung auf ein marktwirtschaftliches System aufgrund seiner relativ modernen Industrie, niedriger Schulden und der geografischen Nähe zu Westeuropa. Damals war die vorherrschende Meinung, dass eine „Schocktherapie“ der beste Weg der Umstellung sei. Am 1. Januar 1991 begann die Schocktherapie und zerstörte über Nacht die eingespielten Prozesse und Vertrauensbeziehungen. Die Folge war ein Rückgang des BIP um 20 % im Jahr 1991 und eine Teilung des Landes 1993. Ein harter Brexit sollte daher unter allen Umständen vermieden werden.

US-Wirtschaftsdaten im Fokus

In den USA werden als realwirtschaftliche Daten die Einzelhandelsumsätze (Donnerstag), die Industrieproduktion (Dienstag) sowie die Wohnungsbaubeginne (Freitag) veröffentlicht. Auf Umfragen basierende Konjunkturdaten liefern der NAHB-Index (Dienstag), das Beige Book (Mittwoch), der Philadelphia Fed Index (Donnerstag) und die Einkaufsmanagerindizes (Donnerstag).

China: Realwirtschaft im Aufwind

Im März dürfte Chinas Industrieproduktion (Mittwoch) zum ersten Mal seit August 2018 wieder mit mehr als 5,9 % gewachsen sein. Auch das Wachstum der Einzelhandelsumsätze (Mittwoch) dürfte sich auf 8,4 % beschleunigt haben. Aufgrund der Schwäche im Januar und Februar dürfte sich das Wirtschaftswachstum (Mittwoch) im ersten Quartal per saldo trotzdem auf 6,3 % leicht abgeschwächt haben.

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