Capital Group: Luft- und Raumfahrtbranche bietet erneut Chancen entlang der Wertschöpfungskette

Capital Group: Luft- und Raumfahrtbranche bietet erneut Chancen entlang der Wertschöpfungskette
Märkte

Nach der Corona-Pandemie erholt sich die Nachfrage in der Reisebranche schnell. Insbesondere die Luftfahrtbranche bietet Anlegern derzeit interessante Anlagechancen – von Flugzeugherstellern über Ersatzteilzulieferern zu Fluggesellschaften. Dieser Ansicht ist Steven Smith, Investment Director bei Capital Group.

24.08.2023 | 10:03 Uhr

„Vor der Corona-Pandemie war der globale Reiseverkehr eine generationsübergreifende Wachstumsbranche, die 20 Jahre lang doppelt so schnell wuchs wie das globale Bruttoinlandsprodukt“, sagt Steven Smith. Nach dem Einbruch durch die Corona-Pandemie sei nun eine rasche Erholung der Nachfrage zu beobachten, insbesondere bei Inlandsreisen. Deren Niveau übertreffe bereits jetzt den Stand von 2019. Doch auch der internationale Reiseverkehr sei nicht mehr weit von seinem Niveau von vor der Pandemie entfernt.

Flugzeughersteller: hohe Nachfrage nach treibstoffeffizienten Flugzeugen

„Die Erholung der Nachfrage schlägt sich auch in den Auftragsbüchern der Flugzeughersteller nieder“, erklärt Smith. „War der Auftragsbestand während der Pandemie zurückgegangen, beginnt er nun jedoch wieder zu wachsen. Bei einer Auslieferungsgeschwindigkeit wie im Jahr 2022 bräuchten Airbus und Boeing mehr als 10 Jahre, um alle Aufträge zu erfüllen.“ Zusatzaufträge seien dabei noch nicht berücksichtigt.

Diese Entwicklung bei den Aufträgen sei ein positives Zeichen für die Hersteller, auch aufgrund der gängigen Zahlungsweise in der Branche: „Fluggesellschaften zahlen für neue Flugzeuge in Raten, und haben zum Zeitpunkt der Auslieferung der Flugzeuge den größten Teil der Kosten schon im Voraus bezahlt“, erläutert Smith. „Daraus ergibt sich eine solide Grundlage für die Vorhersage von Cashflows und Ertragsströmen.“

Derzeit seien vor allem Schmalrumpfflugzeuge nachgefragt, welche hauptsächlich für Kurzstrecken- und Inlandsflügen eingesetzt werden. „Die Treibstoffpreise, aber auch der allgemeine Trend zu mehr Nachhaltigkeit haben die Nachfrage nach diesem Flugzeugtyp gefördert, da er treibstoffeffizienter ist als andere,“ so Smith.

Unter den Flugzeugherstellern würden weltweit zwei Unternehmen dominieren, Airbus aus Frankreich und Boeing aus den USA, wobei Airbus auf dem Markt für Schmalrumpfflugzeuge die beherrschende Stellung einnehme. Um von seinem guten Auftragsbestand zu profitieren, plane Airbus, die Auslieferungsraten seiner Schmalrumpfflugzeuge vom Typ A320 zu erhöhen: von 50 Flugzeugen pro Monat in 2023 auf 75 pro Monat bis 2026. „Eine wichtige Voraussetzung dafür sind entsprechende Produktionskapazitäten“, sagt Smith. „Airbus besitzt Produktionsstätten in Frankreich, Deutschland, China, Kanada und den USA. Diese globale Präsenz gibt dem Unternehmen natürlich eine gewisse Flexibilität. Allerdings können Produktionsziele auch aufgrund von Verzögerungen bei der Zulieferung von Bauteilen, wie beispielsweise Triebwerken, nicht erreicht werden.“

Chancen bei Ersatzteilzulieferern und Wartungsdienstleistungsanbietern

Auch nach der Pandemie gebe es Probleme in den Lieferketten. Zudem beeinträchtige der Mangel an Fachkräften eine Erhöhung der Produktionsraten bei den Zulieferern. Strenge Sicherheitsvorschriften und die spezielle Beschaffenheit von Teilen für die Luft- und Raumfahrt würden eine intensive Ausbildung erforderlich machen, um Arbeitskräfte zu qualifizieren.

Probleme in den Lieferketten hätten die Vorlaufzeiten für neue Flugzeuge verlängert und dies führe dazu, dass ältere Maschinen länger in Betrieb seien. „Während eine Verlangsamung bei der Lieferung einzelner Komponenten für die Flugzeughersteller frustrierend ist, könnte sich die längere Nutzung älterer Flugzeuge für Unternehmen auf dem Ersatzteilmarkt positiv auswirken“, sagt Smith. „Neben den Ersatzteilherstellern profitieren Anbieter von Reparatur- und Wartungsdienstleistungen.“

Gerade die Wartung von Komponenten und der Ersatzteilmarkt zeichne sich durch besondere Wirtschaftlichkeit aus. „Viele Flugzeugteile müssen während ihrer 30-jährigen Lebensdauer bis zu viermal ausgetauscht werden“, erklärt Smith. „Für viele Komponentenzulieferer liegt der eigentlich Wert bei den bestehenden Flugzeugen, denn Ersatzteile und dazu gehörige Dienstleistungen sind profitabler als der ursprüngliche Komponentenverkauf.“ Das Volumen der Aftermarket-Dienstleistungen betrage immer noch nur etwa 85 % des Volumens von 2019, aber derzeitige Preiserhöhungen hätten zur Folge, dass sich die Gesamteinnahmen auf dem Aftermarket dem Niveau von vor Covid annähern würden.

Hohe Markteintrittsbarrieren und Preissetzungsmacht

Der umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsaufwand, die für die Entwicklung und Herstellung von Luft- und Raumfahrtkomponenten nötig sei, schaffe hohe Markteintrittsschranken und gebe den wenigen Akteuren in diesem Sektor ein hohes Maß an Preissetzungsmacht. Letztere komme in der Regel während der gesamten Lebensdauer eines Teils zum Tragen.

Das französische Unternehmen Safran beispielsweise sei in der Luftfahrtbranche breit aufgestellt: von Flugzeugantrieben bis zur Innenausstattung. Das Unternehmen erwirtschafte jedoch etwa 50 % seines Umsatzes auf dem Ersatzteilmarkt. Das zivile Ersatzteilgeschäft von Safran weise höhere Gewinnspannen auf als das Erstausrüstungsgeschäft, sei jedoch von Flugzyklen und der Rückkehr der Reiseaktivität abhängig. Mit dem Ende der Corina-Pandemie seien die langfristigen, wiederkehrenden Serviceeinnahmen zurückgekehrt. So sei im ersten Quartal der Umsatz von Safran auf dem zivilen Ersatzteilmarkt in US-Dollar entsprechend um 38 % gestiegen, was angesichts der höheren Margen in diesem Geschäftsfeld eine wichtige Entwicklung sei.

Fluggesellschaften bereiten sich auf steigende Reisenachfrage vor

„Auch wenn sich die Reisetätigkeit nach der Pandemie rasch erholt, dürfte die Flugfahrtbranche mehrere Jahre überdurchschnittlichen Wachstums benötigen, um den früheren Nachfragetrend wieder zu erreichen“, sagt Smith. Das stärkste Wachstum sehe die Branche aktuell in Indien und China. Dort sorge eine wachsende Mittelschicht für eine erhebliche Zunahme bei In- und Auslandsreisen.

Billigfluganbieterwie Ryanair würden aktuell davon profitieren, dass asiatische und US-amerikanische Passagiere erneut nach Europa und dort von Land zu Land reisen. „Ryanair war eine von nur zwei europäischen Fluggesellschaften, die ihre Kurzstreckenkapazitäten während der Corona-Pandemie aufrechterhalten konnten“, so Smith. Aktuell bereite sich das Unternehmen auf künftiges Wachstum vor: „Ryanair plant, die Zahl seiner Fluggäste von 185 Millionen im Jahr 2024 auf 300 Millionen im Jahr 2034 zu steigern, was zu einem Marktanteil von 30 % am EU-Markt führen würde“, so Smith. „Passend dazu hat das Unternehmen 300 Boeing 737-MAX-Flugzeuge bestellt, die zwischen 2027 und 2033 ausgeliefert werden sollen.“ Mit einer relativ niedrigen Kostenbasis und einer gesunden Bilanz ist Ryanair aus Sicht des Experten gut aufgestellt, um diese Investition zu tätigen. Er gibt jedoch grundsätzlich zu bedenken, dass jederzeit ein weiterer schwarzer Schwan wie die Corona-Pandemie eintreten könnte.

„Die Flugverkehrsbranche hat einige schwierige Jahre hinter sich“, resümiert Smith. „Anleger, die in dieser Zeit eine langfristige Perspektive eingenommen haben, profitieren jetzt von der Erholung. Im besten Fall konnten sie die kurzfristige Marktvolatilität nutzen, um Positionen zu konsolidieren oder neue Engagements in Unternehmen wie Airbus, Safran oder Ryanair einzugehen.“

Diesen Beitrag teilen: