Aberdeen: Ausfälle bei EM-Unternehmensanleihen nehmen zu, bleiben aber bewältigbar

Die nach wie vor grassierende Covid-19-Pandemie hat das Wirtschaftswachstum und die Wirtschaftsaktivität in aller Welt massiv beeinträchtigt. Durch die gesunkenen Umsätze und Gewinne ist es für immer mehr Unternehmen schwieriger geworden, ihre Schulden zu bedienen. Dies äußert sich in einer höheren Zahl notleidender Kredite und steigenden Ausfallquoten bei Unternehmensanleihen.

10.06.2021 | 09:49 Uhr

EM-Unternehmensanleihen blieben natürlich nicht von dieser Entwicklung verschont. Unserer Meinung nach sind Bedenken und Sorgen, dass Anleiheemittenten aus Schwellenländern besonders stark hiervon betroffen sein könnten, aber unangebracht. Im Gegenteil: In früheren Krisen hat sich der Markt für EM-Unternehmensanleihen tatsächlich sogar als relativ robust erwiesen. Dies belegen auch die Ausfalldaten für das abgelaufene Pandemiejahr 2020.

Entwicklung der Ausfälle 2020

Nach Angaben von Moody’s kam es im Jahr 2020 bei insgesamt 211 Unternehmensemittenten mit Rating zu einem Ausfall. Das waren doppelt so viele wie 2019 (105). Ähnlich wie in den Vorjahren ereigneten sich die meisten Unternehmensausfälle 2020 in den USA (nämlich 141, bzw. zwei Drittel aller Ausfälle), gefolgt von 38 in Europa (18%). In den Regionen Asien-Pazifik (17), Lateinamerika (13) sowie Naher Osten und Afrika (2) kam es insgesamt zu 32 Ausfällen von Unternehmensanleihen – gerade einmal 15% der Gesamtzahl des Jahres 2020. (1)

Betrachtet man das High-Yield-Segment des Marktes genauer, so lag die Ausfallquote bezogen auf den JPM CEMBI-Referenzindex für EM-Unternehmensanleihen bei nur 2,7%, verglichen mit 22% beim JPM EMBI-Referenzindex für EM-Staatsanleihen und 6,8% bei der US-High-Yield-Benchmark. Seit 2015 liegen die Ausfallquoten bei High-Yield-Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern tendenziell niedriger als bei US-Hochzinspapieren. (2)

Mit Blick auf die Zukunft glauben wir, dass es trotz der anhaltend negativen Auswirkungen der Pandemie einige gute Gründe gibt, warum sich EM-Unternehmensanleihen im Jahr 2021 und darüber hinaus weiterhin vergleichsweise robust präsentieren dürften.

Moderate, tragbare Verschuldung

Zunächst einmal ist in erster Linie zu beachten, dass die Verschuldung der Unternehmen in den Schwellenländern nach wie vor vergleichsweise moderat ausfällt. Eine wichtige Kennzahl dafür ist die Nettoverschuldung, die die Höhe der Gesamtschulden mit dem jährlichen Gewinn vergleicht. Dieses Verhältnis lag Ende 2020 für EM-Unternehmensanleihen bei 2,0x – und damit deutlich niedriger als die 2,9x für US-Hochzinsanleihen und nur leicht über dem Wert von 1,6x für globale Investment-Grade-Unternehmensanleihen. (3)

Relativ geringes Exposure gegenüber Sektoren, die von der Pandemie stark betroffen sind

Zweitens hat die Pandemie zwar die meisten Unternehmen getroffen, jedoch sind die negativen Auswirkungen hauptsächlich in ein paar ganz bestimmten Sektoren spürbar. Beispiele sind Fluggesellschaften, Hotels, der Automobilbereich, der Freizeitsektor und der Einzelhandel – die alle zum zyklischen Konsumgütersektor gehören Dieser übergeordnete Sektor machte per Ende 2019, also zu Beginn der Covid-19-Krise, gerade einmal 6% des Markts für EM-Unternehmensanleihen aus, im Vergleich zu 14% am Markt für US-Hochzinsanleihen. (4)

Ein wesentlicher Grund für das geringere Gewicht der zyklischen Konsumgüterunternehmen im Universum der EM-Unternehmensanleihen ist, dass viele Unternehmen (zum Beispiel Fluggesellschaften, Hotels usw.) ihre Umsätze gewöhnlich in der Landeswährung erwirtschaften. Daher haben sie einen eher geringen Bedarf, Anleihen in US-Dollar zu begeben.

Sorge über Wechselkursanfälligkeit wohl überzogen

Drittens reagieren Unternehmen in den Schwellenländern entgegen der landläufigen Meinung insgesamt in der Tat recht unempfindlich auf einen starken US-Dollar. Begründet werden die Bedenken damit, dass ein starker US-Dollar den Wert der Schulden von EM-Unternehmen in der Landeswährung und mithin die Kosten für den Schuldendienst erhöhe. Deutlich verstärkt haben sich diese Währungsbedenken auf dem Höhepunkt der Pandemiesorgen im Jahr 2020. Tatsächlich haben in den zwei Monaten bis Ende März 2020 der russische Rubel, der mexikanische Peso und der kolumbianische Peso gegenüber dem US-Dollar jeweils 26%, 25% und 20% an Wert verloren.

Alles in allem reagieren Unternehmen in den Schwellenländern insgesamt echt unempfindlich auf einen starken US-Dollar.

Eine genauere Analyse offenbart, dass nur ein kleiner Teil der EM-Unternehmen (ungefähr 12% des gesamten Anleihenbestands laut JP Morgan) in hohem Maße von einer Währungsschwäche betroffen ist. (2) Einer der Hauptgründe hierfür ist, dass viele der EM-Unternehmen in Ländern ansässig sind, deren Währungen entweder gesteuert werden oder an den US-Dollar gekoppelt sind. Darüber hinaus verfügen EM-Unternehmen über so etwas wie einen natürlichen Schutz, da sie für ihre Exporte in US-Dollar bezahlt werden. (2) Dies gilt insbesondere für exportierende Unternehmen aus dem Energie- und dem Bergbausektor.

Kräftige Konjunkturerholung mindert Ausfallrisiken

Schließlich darf nicht vergessen werden, dass das globale Konjunkturumfeld dazu beitragen dürfte, die Ausfallrisiken in der Zukunft zu mindern. Daten aus aller Welt deuten nun klar darauf hin, dass im Hinblick auf die Pandemie das Schlimmste überstanden sein dürfte. Tatsächlich wird sich das Geschäftsumfeld – getragen von der immer weiter steigenden Durchimpfung – normalisieren, was für eine sehr starke weltweite Konjunkturerholung im Jahr 2021 spricht.

Darüber hinaus werden die Schwellenländer bei der globalen Erholung zu den Spitzenreitern zählen. Der IWF erwartet, dass insbesondere die „Schwellen- und Entwicklungsländer Asiens“ im Jahr 2021 um 8,3% wachsen werden, also fast doppelt so stark wie die Industrieländer (+4,3%). (5) Durch die erwartete sehr starke Erholung der Umsätze und Gewinne der EM-Unternehmen sollten auch die Ausfallrisiken nach und nach abnehmen.

Zusammenfassung

Unser Fazit lautet, dass die Covid-19-Pandemie die Ausfallrisiken im gesamten Spektrum der globalen Unternehmensanleihen, auch bei Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern, zweifellos verstärkt hat. Dies unterstreicht erneut, wie wichtig Bonitätsanalysen (Credit Research) und eine umsichtige Titelauswahl sind.

Unter dem Strich glauben wir jedoch, dass einige strukturelle Faktoren dazu beitragen dürften, die Kreditrisiken zu mindern. Dazu zählen unter anderem die vergleichsweise niedrige Verschuldung der EM-Unternehmen sowie das relativ geringe Exposure von Sektoren, die von der Pandemie stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Darüber hinaus dürften etwaige wechselkursbedingte Anfälligkeiten im (ungewissen) Fall, dass der US-Dollar aufwertet, insgesamt gut zu bewältigen sein. Schließlich dürfte die erwartete kräftige weltweite Konjunkturerholung sicherlich dazu beitragen, die Ausfallrisiken in Zukunft zu mindern.

Quellen

1 Moody’s, „Default Trends- Global“, Januar 2021

2 JP Morgan, „EM Strategy Presentation“, März 2021

3 JP Morgan, Januar 2021

4 JJP Morgan CEMBI Broad Diversified und Barclays US High Yield. Quelle: Barclays, JP Morgan, per 31. Dezember 2019

5 IWF-Weltwirtschaftsausblick, Januar 2021

https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2021/01/26/2021-world-economic-outlook-update

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