DPAM: Skeptische Stimme aus Brüssel zur Bundestagswahl: Bereitschaft zur Umgestaltung fehlt

Lowie Debou, Fondsmanager bei DPAM
Bundestagswahl

Lowie Debou, Fondsmanager bei DPAM, glaubt, dass der Markt die Bereitschaft der nächsten Regierung, die Herausforderungen Deutschlands anzugehen, überschätzt.

20.02.2025 | 08:52 Uhr

„Das Wirtschaftsmodell Deutschlands muss drastisch umgestaltet werden. Positiv ist, dass immer mehr Bürger und Unternehmen ihre Stimme erheben und Maßnahmen fordern. Leider glauben wir, dass die regierende politische Klasse weiterhin daran scheitern wird, sich an ein sich entglobalisierendes gesamtwirtschaftliches Umfeld anzupassen.

Wandel auf Input- und Outputseite

Die wichtigsten Säulen des deutschen Wachstumsmodells sind in den vergangenen Jahren erodiert. Der Wandel vollzog sich nach der globalen Finanzkrise immer schneller – weg von einer globalisierten und sicheren Welt mit relativ freiem Handel. Die Versorgung mit billiger Energie war nach der russischen Invasion in der Ukraine abgeschnitten; damit ging der Wettbewerbsvorteil der deutschen Produktion zu einem Großteil verloren. Hinzu kam ein unkluger Energiemix. Deutschlands Energiepreise werden weiterhin ein Vielfaches der Preise in den meisten anderen EU-Ländern betragen.

Aber auch für den deutschen Output hat sich die Welt verändert. China war früher einer der größten Exportmärkte Deutschlands für Produkte mit hoher Wertschöpfung. Inzwischen sind die Chinesen auf diesem Gebiet zu Konkurrenten geworden. Ohne starke Binnennachfrage wird das Reich der Mitte seine Exportorientierung mit billigen und hochsubventionierten Waren weiter verstärken.

Es bedarf einer flexiblen deutschen Regierung, die bereit ist, die Binnenwirtschaft neu auszurichten und dabei neu zu bewerten, welche Maßnahmen und Reformen erforderlich sind, um sie wieder wachsen zu lassen. Wir sind da skeptisch.

Innenpolitisch gehen die Wünsche der verschiedenen Wirtschaftsakteure weit auseinander. Für Unternehmen und Verbraucher gibt es zwei Hauptprobleme: hohe Energiepreise und Überregulierung. In den Wahlprogrammen der Parteien, die am ehesten die nächste Regierung bilden werden, werden diese beiden Themen nur am Rande behandelt.

Die größte Hoffnung der Märkte scheint darin zu bestehen, dass die nächste Regierung endlich die Schuldenbremse reformiert, die während der globalen Finanzkrise im Jahr 2009 eingeführt wurde. Sie begrenzt zusätzliche strukturelle Ausgaben auf 0,35 % des BIP – nach allgemeiner Auffassung zu wenig, um den steigenden Investitionsbedarf Deutschlands zu decken. Diese Hoffnung des Marktes dürfte enttäuscht werden.

Reformpotenzial möglicher Koalitionen begrenzt

Erstens ist die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Koalition aus CDU/CSU und SPD sehr hoch. Diese Koalition regierte Deutschland bereits in den zehn Jahren vor der aktuellen Regierung, als die wichtigsten Säulen des deutschen Wachstumsmodells, bereits bröckelten. Es ist nicht erkennbar, dass diese wahrscheinliche nächste Regierung vollständig erkannt hat, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. In letzter Zeit ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass es eine Dreiparteienkoalition zwischen CDU/CSU, SPD und den Grünen geben wird. Dies dürfte das Reformpotenzial angesichts der großen ideologischen Unterschiede dieser Parteien begrenzen.

Zweitens ist für jede Reform der Schuldenbremse oder die Einführung einer außerbudgetären Lösung, z. B. für Militärausgaben, eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Angesichts der Umfragen steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die Parteien, die sich zu keinen Ausgabenreformen verpflichtet haben, eine Sperrminorität erreichen.

Schließlich wird jede Reform der Schuldenbremse begrenzt sein. Der ausgefeilteste Vorschlag kommt von der Deutschen Bundesbank, die einen schrittweisen Ansatz vorschlägt, bei dem das strukturelle Defizit je nach Schuldenstand stärker (bei niedriger Schuldenquote) oder weniger stark (bei hoher Schuldenquote) ansteigen kann. Ein positiver Impuls wäre das allemal, allerdings nur ein geringer.

Es ist nicht zu spät

Deutschland ist nicht das einzige Land, das sich an Veränderungen anzupassen versucht. Es ist normal, dass sich die Führungsschicht schwer damit tut, die Situation zu akzeptieren und darauf zu reagieren. Es wird immer deutlicher, dass Unternehmen und Verbraucher zu kämpfen haben – und sich immer lauter zu Wort melden. Jetzt liegt es an den politischen Entscheidungsträgern, die Botschaft zu verstehen. Veränderungen folgen oft auf einen Minsky-Moment, der in der Regel hohe soziale und wirtschaftliche Kosten mit sich bringt. Glücklicherweise bleibt noch Zeit, bis wir diesen Moment erreichen. Langfristige Gewinne können auf relativ kurzfristige Schmerzen folgen.


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