Capital Group: EZB steht vor einem Dilemma, da der Inflationsdruck hoch bleibt

EZB-Gebäude in FFM
Kommentar

Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert mit einer Erhöhung des Leitzinses um 0,25 Prozentpunkte auf den anhaltend hohen Inflationsdruck innerhalb der Europäischen Union. Peter Becker, Investment Director bei Capital Group, kommentiert:

16.06.2023 | 13:05 Uhr

Experte. Zwar habe die Gesamtinflation gemessen am Verbraucherpreisindex in den großen europäischen Volkswirtschaften ihren Höhepunkt vermutlich bereits erreicht und dürfte weiter zurückgehen, der zugrunde liegende Inflationsdruck nehme aber zu. Die höheren Energiepreise würden sich auf eine Vielzahl anderer Preise durchschlagen; die Unternehmen seien optimistisch, dass sie angesichts des Nachholbedarfs der Verbraucher ihre Preise anheben könnten; die Steuerpolitik habe die Energiepreise gedeckelt und stütze die Nachfrage außerhalb des Energiesektors; die Arbeitsmärkte seien angespannt und viele Unternehmen würden einen Mangel an Arbeitskräften melden. „Darüber hinaus bedeutet der rückwärtsgerichtete mehrjährige Lohnsetzungsmechanismus der Eurozone, dass sich die Lohninflation wahrscheinlich auf ein Niveau beschleunigen wird, das über dem des 2 %-Mandats der EZB liegt“, so Becker.

Gleichzeitig gebe es auch einige bedeutende deflationäre Kräfte, darunter nachlassende Angebotsengpässe, ein deutlich geringeres Geldmengenwachstum und niedrigere Inflationserwartungen der Verbraucher.

„Es bleibt abzuwarten, wie schnell die EZB zu einem Zinssenkungszyklus übergehen kann“, resümiert Becker. Sie verfüge über unterschiedliche Instrumente, um gegen finanzielle Instabilität einerseits und eine über dem Ziel liegende Inflation andererseits vorzugehen. So könne sie das Programm für längerfristige Refinanzierungen bzw. gezielte längerfristige Refinanzierungen (LTRO bzw. TLTRO) reaktivieren, um den Banken mehrjährige Kredite zu niedrigen Zinssätzen zu gewähren. Zudem könne sie die quantitative Straffung (QT) aussetzen. „Diese Maßnahmen würden die Liquidität und das Vertrauen stärken, bevor die EZB mit Zinssenkungen beginnt“, erklärt Becker.

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