DPAM Peter De Coensel-Kolumne: Gleichlauf der Renditekurven

Peter De Coensel, CEO DPAM
Kolumne

Die letzten drei Wochen haben Jedermanns Sensoren in Alarmbereitschaft versetzt. Spiegelbilder zur Finanzkrise mit Bankenzusammenbrüche rund um den September 2008 sind allgegenwärtig.

29.03.2023 | 09:31 Uhr

Die Marktteilnehmer schauen sich die Finanz- und Wirtschaftsindikatoren sorgfältig an und suchen nach Mustern. Der beste Rat ist jedoch, nicht mehr nach Mustern zu suchen, sondern sich auf das Umfeld und die Rahmenbedingungen zu konzentrieren, die die Preisfindung bei Zins- und Kreditinstrumenten verändert haben. Wir gehen einen Schritt weiter und richten unseren Blick auf die Gestaltung von Renditekurven.

Zunächst wäre zu beleuchten, dass die Intervention und Steuerung durch die Zentralbanken zur Regel geworden und nicht Ausnahme geblieben ist. Die Ausnahme besteht in einer engen Auslegung des Mandats der Zentralbank, das darin besteht, die Leitzinsen so zu steuern, dass die Angebots- und Nachfragebedingungen in der Wirtschaft bei einer stabilen Inflation von etwa 2 % und maximaler Beschäftigung ausgeglichen werden. Die Zentralbanken verfügen jedoch über eine große Anzahl nicht-konventioneller Instrumente. Diese Instrumente werden eingesetzt, um die Bankenfunktion zu schützen und/oder zu lenken. Indirekt führt dies zu Spielarten einer Steuerung der Renditekurve. Die Steuerung der Renditekurve ist sogar – explizit oder implizit – in welcher Form auch immer eine Konstante seit der Finanzkrise von 2008.

Zwischen 2009 und 2021 wurde das Instrument des Leitzinses auf Eis gelegt und an der Nullgrenze oder im negativen Bereich festgehalten. Unkonventionelle Finanzierungsinstrumente oder umfangreiche Programme zum Ankauf von Vermögenswerten führten zu einer vollständigen Kontrolle der Renditekurve. Seit dem ersten Quartal 2022 befinden wir uns in einer Phase mit hybridem Ansatz. Die Zentralbanken koppeln das Instrument der Leitzinsen mit gezielten Finanzierungsinitiativen und kehren die Politik der quantitativen Lockerung (QE) teilweise um, indem sie ihre Bilanz verkürzen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Zentralbanken jederzeit Flexibilität und Wahlmöglichkeiten nutzen können, um Instabilität im Finanz- oder Bankensektor zu bekämpfen. Im Folgenden werden einige aktuelle Beispiele genannt.

Um die Ansteckungsgefahr zu bannen, kündigte die Fed am 12. März das Bank Term Funding Program (BTFP) an. Dieses soll eine Savings-and-Loans-Krise wie Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre verhindern und bietet Banken, öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Kreditinstituten und anderen Kapitalsammelstellen Darlehen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr an, wobei US-Staatsanleihen, Agency Bonds, hypothekarisch gesicherte Wertpapiere und andere qualifizierte Vermögenswerte als Sicherheiten gestellt werden. Diese Vermögenswerte werden zum Nennwert angesetzt. Eine Konsolidierung der US-Banken sollte den Rest der Arbeit erledigen.

Mitte März bot die Schweizerische Nationalbank (SNB) der Credit Suisse einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden Franken an. Ohne Erfolg, denn die Abwanderung von Einlagen erwies sich für dieses systemrelevante, weltweit tätige Institut als fatal. Am Freitag, den 24. März, bestätigte die Präsidentin der EZB Lagarde, dass „das Instrumentarium der EZB voll ausgestattet ist, um dem Finanzsystem des Euroraums bei Bedarf Liquidität zur Verfügung zu stellen.“

Die Rentenmärkte haben dies zur Kenntnis genommen. Insbesondere die Leitzinserwartungen rund um den Zins für 2-jährige Staatsanleihen haben sich seit dem 8. März aggressiv angepasst. Nach aktuellen Marktpreisen hat der Ziel-Leitzins der US-FED heute 4,75 % bis 5,00 % erreicht. Demnach würde es keine weiteren FED-Leitzinserhöhungen mehr geben. Es wird erwartet, dass die Leitzinsen bis zum Jahresende auf 4,00 % bis 4,25 % zurückgehen werden. Die Rendite für 2-jährige Staatsanleihen fiel von 5,07 % am 8. März auf 3,77 % am 24. März, was einem spektakulären Rückgang von 130 Basispunkten entspricht.

In Europa ist eine ähnliche Reaktion zu beobachten. Der Einlagensatz der EZB wird mit einem Höchststand von 3,25 % veranschlagt – demnach würde die EZB noch ein Mal handeln. Die 2-jährige Bundesanleihe stürzte von einem Höchststand von 3,32 % am 8. März auf 2,38 % am vergangenen Freitag ab, ein Minus von 94 Basispunkten. Unser am 13. Februar veröffentlichte „Höhepunkt der Inversion der Zinsstrukturkurve in Sicht“ wurde am 8. März erreicht. Die Inversion der 2-jährigen bis 10-jährigen US-Staatsanleihen erreichte mit 107 Basispunkten ihren Höhepunkt und schloss am Freitag mit 40 Basispunkten.

Dies bringt mich zu einer zweiten Botschaft im Zusammenhang mit dem Gleichlauf der Renditekurven. Sie basiert auf der immer stärkeren Globalisierung der Finanzmärkte. Ungeachtet der geopolitischen Zersplitterung und der zunehmenden Zahl von Sanktionen und Embargos werden die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere von etwa acht Zinsstrukturen bestimmt: Die Renditekurven der USA, Kanadas, Chinas, Japans, Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Australiens und Neuseelands bilden eine Reihe hochwertiger risikofreier Kurven. Es ist zu erwarten, dass sich im Laufe der Zeit bestimmte aufstrebende Volkswirtschaften diesem Club anschließen werden, aber das ist ein Thema für die Zukunft.

Die Spanne der 10-jährigen Renditen reicht von 4,10 % für Neuseeland am oberen Ende bis zu 0,27 % für 10-jährige japanische Staatsanleihen. Lässt man Japans außen vor, liegt die Spanne bei nur 200 Basispunkten. Am 5-Jahres-Punkt, wiederum ohne Japan, konvergieren die Kurven innerhalb einer Bandbreite von 130 Basispunkten. Es ist zu erwarten, dass sich die Renditekurven in Zukunft weiter angleichen werden. Wichtige Faktoren, die diese Ballung erklären, sind die expliziten japanischen und impliziten chinesischen Steuerungen der Renditekurve (YCC – Yield Curve Control). Darüber hinaus profitieren viele andere Kurven immer noch von einer teilweisen YCC.

Das Ziel ist klar: Die Renditekurven konvergieren und sind auf dem Weg, sich wieder positiv zu krümmen. Dieser Zustand wird dem Bankensystem Rückenwind geben. Im Gegensatz dazu werden die Bankensysteme zunehmend anfällig, wenn die Bedingungen, die zur Inversion führen, strukturell werden. Ein weiterer Anreiz für die Zentralbanken also, in nicht allzu ferner Zukunft zu langfristigen neutralen Leitzinsen zurückzukehren.

So beginnt also die letzte Phase hin zu einer Normalisierung der geldpolitischen Bedingungen. Die zweijährigen Forward-Renditekurven sind in den meisten der oben genannten Volkswirtschaften positiv. Für die Renditekurven Japans und Chinas ist dies heute schon der Fall.

Die derzeitige Unruhe an den Märkten könnte den Zeithorizont für diese Anpassung verkürzen. Die Zentralbanken könnten gezwungen sein, ihr nicht-konventionelles Instrumentarium wieder auf breiter Basis einzusetzen. Und warum? Das schwindende Vertrauen der Kunden in Sicherheit ihrer Einlagen kann sich zu einem Zusammenbruch des Bankensystems entwickeln. Flüchten Kunden mit Bankeinlagen in attraktive kurzfristige Schatzanweisungen, Zertifikate oder andere sichere Anlagelösungen, da diese von der Bilanz einer Bank getrennt sind, könnten die Banken Finanzierungsprobleme bekommen. In den USA und der EU wird die Wirksamkeit der Einlagensicherungssysteme in Frage gestellt. Die Einleger von Privathaushalten und Unternehmen werden so ermutigt, die Umwandlung in sichere (getrennt geführte) Anlagelösungen zu beschleunigen.

Und die Inflation? Nun, in Asien gibt es keinen Inflationsdruck. Chinas jährliche Inflation liegt derzeit bei 1,00 %, während die 5-Jahres-Termin-Inflationsswaps in der EU mit 2,35 % gegenüber 2,55 % in den USA gut verankert sind. Es mag komisch klingen, aber Inflation war gestern. Die Ereignisse im Bankensektor im März signalisieren, dass die Leitzinsen für ihren Zweck zu hoch sind. Hinzu kommt, dass das Bankensystem die Schlüssel zu einer breiteren Kreditklemme in der Hand hält. Eine Rezession ist garantiert.

Der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1973 führte zu frei schwankenden Währungen und zu einem Wettbewerb der Zentralbanken um die Führung, bei dem sie die Leitzinsen unabhängig voneinander festlegten. Zwischen 1973 und 2008 verfolgten die Zentralbanken eine Art "hands-off"-Politik. 2009 ist eine neue Ära angebrochen, in der die Zentralbanken mit konventionellen und nicht-konventionellen Mitteln das Finanzsystem am Laufen halten. Die Steuerung der Renditekurve ist heute die Regel, nicht mehr die Ausnahme. Aus historischer Sicht hat dieser Abschnitt gerade erst begonnen.

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